Brief an Don Julián Carrón

Franziskus

In den vergangenen Tagen hat Don Julián Carrón, Präsident der Fraternität von Comunione e Liberazione einen Brief von Papst Franziskus erhalten. Mit folgenden Worten hat er ihn allen Zugehörigen der Bewegung bekannt gemacht:

Liebe Freunde,

welche Freude, mit euch allen das Schreiben zu teilen, das ich von Papst Franziskus erhalten habe mit seinen persönlichen Segenswünschen! Der Papst dankt uns für die Spenden, die bei den Pilgerfahrten gesammelt wurden, die wir anlässlich des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit zu Marienwallfahrtsorten in aller Welt unternommen haben, und die wir ihm für sein Werk der Nächstenliebe übersandt haben.

Doch Papst Franziskus dankt uns nicht nur. Er will uns auch sagen, worauf wir achten müssen, um auf unserem Weg fortschreiten und „mutig die Glaubwürdigkeit des christlichen Lebens bezeugen“ zu können.

Ich bitte euch, den Brief aufmerksam zu lesen, über ihn nachzudenken und euch mit euren Freunden in den Fraternitätsgruppen gegenseitig zu helfen, ihn immer besser zu verstehen und seinen Inhalt zu beherzigen. Gott überrascht uns immer wieder. Man kann nur betroffen und dankbar sein für dieses unerwartete Geschenk eines Vaters, der sich das Schicksal seiner Kinder so zu Herzen nimmt!

Ich wünsche mir, dass Christus bei jedem von uns Offenheit findet für die Art und Weise, die Er gewählt hat, um uns in dieser Heiligen Nacht unseres Lebens entgegenzukommen. Das ist keineswegs selbstverständlich. Don Giussani hat uns in der Adventszeit immer wieder darauf hingewiesen, dass wir vielleicht die Ankunft Christi erwarten, ohne wirklich die Art und Weise zu lieben, wie Er immer wieder neu zu uns kommen will.

Bitten wir die Gottesmutter, dass sie uns so verfügbar macht, wie sie selbst es war, für die Überraschung, mit der das Geheimnis uns heute besucht. Ich bitte euch, keinen Tag vergehen zu lassen, ohne für den Papst zu beten, wie er uns alle gebeten hat.

Ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest!

Euer Julián Carrón

Und hier der Wortlaut des Briefes des Papstes:


Hochwürdiger Don Julián,

ich danke Ihnen und der ganzen Fraternität für die Spenden, die bei den Pilgerfahrten gesammelt wurden und die Sie mir großzügigerweise übersandt haben für die Werke der Nächstenliebe.

Es tut meinem Herzen wohl und es tröstet mich zu erfahren, dass in mehr als 200 Marienwallfahrtsorten in Italien und der Welt so viele Menschen den Weg der Barmherzigkeit gegangen sind im Geiste des Teilens mit den Bedürftigen. Die Armen rufen uns ja das Wesentliche des christlichen Lebens ins Gedächtnis. Der heilige Augustinus lehrt: „Manche verteilen leichten Herzens all ihr Hab und Gut an die Armen, lieber als selber arm zu werden vor Gott.“ Diese Armut ist notwendig, denn sie kennzeichnet das, was unser Herz wirklich ausmacht: dass wir Gott brauchen. Daher gehen wir zu den Armen, nicht weil wir schon wissen, dass der Arme Jesus ist, sondern um wieder neu zu entdecken, dass dieser Arme Jesus ist. Und der heilige Ignatius von Loyola sagt: „Die Armut ist Mutter und Mauer. Die Armut schenkt Leben, sie ist Mutter, sie bringt geistliches Leben hervor, heiliges Leben, apostolisches Leben. Und sie ist Mauer, sie schützt uns. Wie viele schreckliche Dinge sind in der Kirche entstanden aufgrund fehlender Armut.“

In einer Welt, die zerrissen ist von der Logik des Profits, die neue Armut hervorbringt und eine Wegwerfkultur entstehen lässt, höre ich nicht auf, um die Gnade einer armen Kirche für die Armen zu beten. Das ist kein liberales Programm, sondern ein radikales Programm, denn es bedeutet eine Rückkehr zu den Wurzeln. Zu den Ursprüngen zurückzukehren heißt nicht, sich in die Vergangenheit zurückzuziehen, sondern bedeutet Kraft für einen mutigen Aufbruch ins Morgen. Es ist eine Revolution der Zärtlichkeit Gottes. Deshalb bitte ich auch euch, all eure Bemühungen auf dieses Ziel zu richten. Ich wünsche euch, dass ihr gelassen und fruchtbar tätig werdet und mutig die Glaubwürdigkeit des christlichen Lebens bezeugt.

Ich sende allen und jedem einzelnen von Herzen den Segen des Herrn.

Bitte vergesst nicht, weiterhin für mich zu beten.

Franziskus