Julián Carrón

Die „unausgewogene“ Kraft des Christentums

Die Krise der gegenwärtigen Gesellschaft und die Rolle der Kirche. «Der Mensch muss in all seiner „menschlichen Dichte“ umarmt werden». Ein Interview mit dem Präsidenten der Fraternität, L'Osservatore Romano, 4. Juni 2019
Andrea Monda

Mit diesem Gespräch mit Julián Carrón, dem Präsidenten der Fraternität von Comunione e Liberazione, möchten wir die Überlegungen über die Krise der gegenwärtigen Gesellschaft und über die Rolle der Kirche auf ganz Europa erweitern. Ein weiterer Beitrag zum Thema, das wir seit einigen Wochen in unserer Zeitung behandeln.

Giuseppe De Rita, der sich auf diesen Seiten über die aktuelle Krise der italienischen und europäischen Gesellschaft geäußert hat, verwies auf die Vergangenheit, auf die Zeit, als im Mittelalter die gute Regierungsführung einer Gemeinschaft auf zwei Autoritäten ruhte: der zivilen, die für die Sicherheit bürgte, und der spirituellen, die den Bürgern den Sinn ihrer Existenz bot. Beide Autoritäten können nicht auf eine einzige Person konzentriert werden. Aber in Europa gibt es oft die Tendenz, die Macht zu konzentrieren. Welche Rolle kann die Kirche in diesem Kontext spielen und welche ist daher ihre Verantwortung?

In Wirklichkeit sind diese beiden Aspekte eng miteinander verbunden. Im Herzen so vieler Menschen merkt man die Spuren einer großen Angst, einer tiefen Unsicherheit. Aber worum handelt es sich? Wie kann man damit umgehen? Wenn die Menschen keine radikale Antwort auf ihre Angst finden, gewinnt diese die Oberhand und bringt unausgeglichene Reaktionen hervor. Es ist jedoch ganz klar, dass die Politik nicht in der Lage ist und nicht in der Lage sein kann, auf die ganze Sehnsucht nach Sicherheit, auf all die Verwirrung zu antworten, die der Mensch in sich trägt. Welche ist also die eigentliche Frage?