
Krieg ist nicht das einzig mögliche Szenario
Vor einigen Tagen kommentierte der Kolumnist des Corriere della Sera, Antonio Polito, den Beitrag von Davide Prosperi in la Repubblica vom 16. März.Hier die Erwiderung des Präsidenten der Fraternität von CL (Corriere della Sera, 29. März 2025) und die Antwort von Antonio Polito.
Sehr geehrter Herr Chefredakteur,
in einem Leitartikel des Corriere («Le nostre antiche tentazioni», 28. März) polemisiert Antonio Polito gegen einen Artikel von mir zur gemeinsamen europäischen Verteidigung, der vor einigen Tagen erschienen ist. Es ist überraschend, dass ein so scharfer Beobachter der Welt wie Polito eine katholische Bewegung dafür kritisiert, dass sie den Lehren des Papstes folgt. Aber ich danke ihm, weil er mir damit Gelegenheit gibt, auf komplexe Fragen zurückzukommen, über die wir als Christen, die sich für das Gemeinwohl einsetzen, auch nicht immer eins sind.
Ich möchte versuchen, einen Punkt klarzustellen, der mir als schlichter Realismus erscheint: Ein Mechanismus, der die Aufrüstung einzelner Staaten erleichtert (im Übrigen zum Beispiel auf Kosten des Sozialsystems, das sich in offensichtlichen Schwierigkeiten befindet), steht im Widerspruch zu De Gasperis Perspektive einer gemeinsamen europäischen Verteidigung. Denn er birgt die Gefahr, dass Europa noch weniger zusammenhält und weitere mögliche Kriegsszenarien entstehen. Die Entscheidungen, die einige Länder in letzter Zeit getroffen haben, scheinen darauf hinzudeuten, dass es genau in diese Richtung geht.
Aus diesen Gründen bekräftige ich meine Überzeugung, dass das derzeit diskutierte europäische Aufrüstungsprogramm, so wie es uns bisher vorgestellt wurde, nicht die richtige Entscheidung zu sein scheint, und dass das Engagement für den Frieden, auf das es einzig und allein ankommt, andere Wege beschreiten muss. Es geht keineswegs darum, „neutralistisch“ zu sein oder der Frage auszuweichen, wie die Sicherheit unserer Länder zu gewährleisten sei, sondern zu prüfen, wie die EU von heute ihrer Stimme mehr Gehör verschaffen kann in den laufenden diplomatischen Bemühungen und auch in den supranationalen Gremien, wie der NATO, in denen sie bereits mitwirkt.
Europa ist das Ergebnis einer Vielzahl von Beiträgen, die es wirtschaftlich, sozial und kulturell lebendig gemacht haben und weiterhin machen. Und die es auch aus diesem Grund potenziell in die Lage versetzen, komplizierte Streitfälle zu lösen, ohne Krieg in Betracht zu ziehen als einzig mögliches Szenario (ein Szenario, auf das wir auf jeden Fall absolut nicht vorbereitet wären, unabhängig von jedweder Aufrüstung). Ich denke an die Worte von Papst Franziskus in seinem jüngsten Brief an den Corriere: „Es besteht ein großer Bedarf an Reflexion, an Gelassenheit, an einem Sinn für Komplexität. Während Kriege nur Gemeinschaften und die Umwelt zerstören, ohne Lösungen für Konflikte zu bieten, brauchen die Diplomatie und internationale Organisationen neues Blut und Glaubwürdigkeit“.
Sind wir wirklich sicher, dass die Hunderte von Milliarden Euro, die Deutschland für seine Verteidigung bereitstellen will, ein Beitrag in diese Richtung sind? Vielleicht hält Polito die Position des Papstes für unrealistisch. Wir hingegen glauben, dass dies der richtige Weg ist, wenn es wirklich um Frieden geht.
Die Antwort von Antonio Polito
Ich danke Davide Prosperi für seine freundliche Antwort und beantworte seine Frage. Ich halte die Position von Papst Franziskus gegen den Krieg nicht nur für eine, die man offensichtlich teilen kann, sondern auch für realistisch. Kurz nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine sagte Franziskus bei der Rückkehr von seiner Reise nach Kasachstan: „Sich zu verteidigen ist nicht nur erlaubt, sondern auch ein Ausdruck der Liebe zum Vaterland. Wer sich nicht verteidigt, wer etwas nicht verteidigt, der liebt es nicht, aber wer verteidigt, der liebt“.
Genauso ist es. Wer den Frieden liebt, weiß ihn zu verteidigen.
(Antonio Polito)