Das Albumcover wurde von Olalla Wallin gestaltet, Illustratorin, Pianistin und Geigerin.

Die Hymnen der neuen Hirten

Ein spanischer Ingenieur mit einer Leidenschaft für weihnachtliche Melodien schlägt einigen Freunden vor, eigene Lieder zu komponieren. Das Ergebnis: Luz en la noche, ein Album mit 18 Stücken, aufgenommen in 7 verschiedenen Ländern von über 50 Musikern.
Yolanda Menéndez

„Gibt es etwas Neues, das man zu Weihnachten besingen kann?“ Für den italienischen Berufsmusiker Walter Muto klang diese Frage wie eine Herausforderung, die ihn dazu brachte, in seiner Erinnerung nach alten Liedern und Texten zu suchen. Dabei trieb ihn eine provokante Frage an: Hatten sie etwas Neues zu sagen? Gab es nach mehr als 2000 Weihnachten noch etwas Neues zu verkünden?

Ähnlich ging es Maria Durao, die in Lissabon lebt und als Therapeutin arbeitet: „Ein Lied entsteht nicht aus dem Nichts, es entsteht aus etwas, das sich ereignet. Wenn man Lieder schreibt, dann weil es einen Grund dafür gibt, etwas, das man besingt.“
Was also bewegt einen italienischen Musiker und eine portugiesische Therapeutin dazu, über die Möglichkeit nachzudenken, neue Weihnachtslieder zu schreiben? Beide – und sie sind nicht die Einzigen – haben einen Anruf eines spanischen Freundes bekommen: Rafael Andreo, Ingenieur und seit kurzem im Ruhestand, der sein ganzes Leben lang „versucht hat, Musiker zu werden“. Vor ein paar Monaten „kam mir der Gedanke, dass ich im Laufe meines Lebens vier Weihnachtslieder geschrieben hatte, die ich aufnehmen und veröffentlichen könnte.“ Doch gleich darauf fielen mir einige Musikerfreunde aus verschiedenen Ländern ein, mit denen ich 2020 während der Covid-Zeit ein virtuelles Konzert veranstaltet hatte. So entstand Luz en la noche, ein Album mit bis dahin unveröffentlichten Weihnachtsliedern, welche von diesen Freunden geschrieben und interpretiert wurden, um das entscheidendste Ereignis der Geschichte zu verkünden. Aus den ursprünglich vier Weihnachtsliedern wurden 18, aufgenommen in sieben Ländern von über 50 Musikern – ein Ergebnis, das die ursprüngliche Idee übertraf und uns auf einen Weg führte, der uns für immer bleiben wird. Seit dem 28. November ist das Album auf den gängigen Musikplattformen verfügbar.

„Hier vermischen sich Musik und Glaube auf sehr innovative Weise“, erzählt Javier Bossart aus Chile. „Es scheint, als würden Musiker heute keine Weihnachtsmusik mehr schreiben“, auch wenn es hin und wieder Sänger gibt, die ein Weihnachtsalbum veröffentlichen – meist kommerzielle Projekte mit sehr bekannten Liedern.

„Weihnachtslieder gelten mittlerweile als veraltetes Genre. Wir singen alle gerne die traditionellen Lieder, aber es ist sehr schön, dass Weihnachten auch wieder neue Musik inspiriert. Deshalb hat uns die Herausforderung sofort gefallen.“ Gemeinsam mit Paula Giovanetti machte er sich ans Werk und so entstand ein äußerst originelles Weihnachtslied – inspiriert von Windeln.

Paula war sofort begeistert von der Idee, auch wenn sie nicht viel Zeit hatte: „Ich hätte mich niemals an so etwas gewagt – nicht aus Mangel an Begeisterung, sondern weil das Leben mich mit anderen Aufgaben überhäuft, die immer dringend erscheinen.“ Das Lied entstand gerade in dem Moment, als sie ihrer kleinen Tochter die Windeln wechselte. „Es heißt Quiero contarte („Ich möchte dir erzählen“) und handelt davon, was ich meiner Tochter mitgeben möchte: die Botschaft, dass das Geheimnis Gottes geboren wurde. Ohne unsere Freundschaft wäre dieses Lied nie entstanden; es erlaubt mir, die Windeln mit derselben Schönheit anzuschauen wie den Gesang.“

Chorproben in Portugal

Für Riro Maniscalco war die Einladung, aus den USA an diesem Album mitzuwirken, „wie eine Einladung, mich zur Krippe zu begeben, um mit den anderen Hirten, meinen Abenteuergefährten, meinen Blick auf Jesus zu richten und das Wenige, das ich zu bieten habe, darzubringen. Es war, als würden wir uns die Hände geben und gemeinsam dem Kind ein kleines Geschenk überreichen – als Hirten aus aller Welt, wobei jeder sein Herz und sein Schaffen für das Werk eines Anderen darbietet. Wenn man eingeladen wird, Musik zu machen, lädt man dich ein, ein Fest zu feiern – und aus einem dankbaren Herzen sprudelt ein freudiges Herz über.“

Auch Valentina Oriani spielt und singt, hat ihre Teilnahme jedoch von Anfang an als eine faszinierende Herausforderung erlebt. Das Projekt erreichte sie in einem schwierigen Moment: „Die erste Person, der ich die Hoffnung dieser Geburt verkünden möchte, bin ich selbst. Schon der Titel war ein Geschenk, wie eine Liebkosung, denn diese Auseinandersetzung mit Weihnachten lässt mich vor die Krippe treten und fragen: Glaube ich wirklich daran? Zu wissen, dass auch alle anderen diese Lieder schrieben, war für mich schon wie ein Licht – abgesehen von dem musikalischen Aspekt, der mich interessiert und begeistert. Doch Ja zu sagen war für mich vor allem ein Weg, eine Art, zu bekräftigen, dass es ein Licht in der Nacht gibt. In diesem historischen Moment ist es sehr wichtig, der Welt zu sagen, dass wir nicht auf morgen warten müssen, dass es auch inmitten der Finsternis ein Licht gibt, auf das wir schauen können. Klar, wir warten auf den Sonnenaufgang, aber auch in der Dunkelheit gibt es ein Licht. Ich fühle mich völlig ohnmächtig, aber das kann ich tun: bezeugen, dass es dieses Licht gibt.“

Obwohl fast keiner von ihnen Musiker von Beruf ist, erkennen sie alle an, dass ihr musikalisches Talent ein Geschenk ist, das der Welt zur Verfügung gestellt werden will. „Ich hatte immer das Bedürfnis zu verstehen, wie dieses Geschenk, das Gott mir gegeben hat, der Kirche und der Bewegung dienen kann“, betont Maria aus Lissabon. „Dieses Projekt hat mir ermöglicht, eine Antwort auf diese Frage zu geben, und es gemeinsam mit anderen zu tun. Allein die Tatsache, dass wir uns kennen, ist schon ein Ereignis. Es ist etwas, das geschehen musste, weil wir die gleiche Aufgabe haben; doch wenn die Aufgabe nicht erneuert wird und so das Geschenk am Leben erhält, kann es verloren gehen.“

Auch Valentina ist davon überzeugt: „Für diese Gruppe von Freunden, die Musik machen, auch wenn sie sich dem nicht professionell widmen, sondern einfach, weil Gott ihnen diese Gabe geschenkt hat, ist dieses Projekt eine große Hilfe, uns unseres Auftrags noch bewusster zu werden und mehr Freude an dieser kleinen Sache zu haben, die wir tun können. Was für einen Unterschied es macht, sobald man versteht, dass man ein Talent erhalten hat, um es darzubringen!“

Erfahre mehr auf der Website von Luz en la noche

Ähnlich erging es auch Rafa, dem Initiator, als er merkte, dass ihm das Projekt aus den Händen glitt – und er es losließ: „Kurz nach Beginn änderte sich etwas in mir: Ich begann für sie zu arbeiten, statt zu denken, dass sie für mein Projekt arbeiteten, das längst nicht mehr mir gehörte.“

Einer der ersten, der sich beteiligte, war Francisco Sánchez, ein Musiker aus Venezuela, der mittlerweile in Madrid lebt. Eigentlich sollte er Rafa nur technisch bei der Verbreitung unterstützen. Nie hätte er daran gedacht, selbst ein Weihnachtslied zu schreiben. „Es war Mai, am Ende des Schuljahres, meine Tochter war noch klein, meine Frau schwanger und meine Mutter war aus Venezuela zu Besuch gekommen, um ein paar Tage mit uns zu verbringen. Doch eines Abends war ich allein, das Kind war eingeschlafen und ich konnte endlich meine Gitarre in die Hand nehmen. Das Lied entstand wie von selbst! Der gesamte Mittelteil, der Refrain, welcher dem Ganzen Gestalt gab... er übersetzte alles, was ich in mir trug, in Musik und Worte. Es ist ein Genre, das in Venezuela aguinaldo genannt wird, eine Bitte an das Jesuskind, Frieden zu bringen – allerdings aus der Perspektive eines von der Migration gezeichneten Venezolaners. Heutzutage ist in Venezuela in so gut wie jeder Familie jemand emigriert.“

Antonio Moniz, ein portugiesischer Unternehmensanalyst, präsentiert hier sein erstes Lied: „Man macht es nicht aus eigener Genialität, sondern aus einer Beziehung. Wenn wir zusammen sind und uns gegenseitig herausfordern, wagt man letztlich den Sprung. Ich dachte an Don Giussanis Beharren auf der Tradition als Ausgangspunkt; also habe ich an einer neuen Melodie gearbeitet, die von der portugiesischen Tradition ausgeht.“

Auch die brasilianischen Freunde haben sich mit einem Lied beteiligt, das sich in die Tradition der folias de reis einfügt: Gesänge, die das Weihnachtsfest verkünden. Dabei ziehen Gruppen von Sängern mit ihren Instrumenten durch die Straßen, Nachbarn öffnen Fenster und Türen, nähern sich und stimmen ein, sodass sich die Straßen mit Musik und Freude füllen.

Mutos Lied bezieht sich auf die Verkündigung, das erste „Ja“ der Jungfrau Maria. „Dieses Kind, das von allen angebetet wird, soll Jahre später gekreuzigt werden. Und diese junge Frau ist seine Mutter, zu der Simeon sagt: „Ein Schwert wird deine Seele durchbohren“. Dieses Lied ist allen Eltern gewidmet, als wollte es sagen: Du wirst dein Kind leiden sehen. Das verehrte Kind neben den gekreuzigten Mann zu stellen, hilft dabei, sich mit der Jungfrau zu identifizieren und einen Schritt zurückzutreten, um dein Kind mit jener Distanz zu betrachten, die seine Freiheit umarmt, annimmt und liebt.“ Und so fordert er uns von Neuem heraus.