„Geht in alle Welt“
Ansprache von Johannes Paul II. zum 30jährigen Bestehen von CLLiebe Brüder und Freunde!
Zuerst möchte ich Monsignore Giussani für seine einleitenden Worte danken, sowie allen anderen, die an dieser Einführung teilgenommen haben.
1. Ich gebe meiner herzlichen Freude über die Begegnung mit euch Ausdruck, die ihr nach Rom gekommen seid, um das 30jährige Bestehen eurer Bewegung zu feiern und zusammen mit dem Papst über eure Geschichte als Personen nachzudenken, die in der Kirche leben und dazu berufen sind, in intensiver Gemeinschaft daran mitzuwirken, die Kirche dem Menschen nahezubringen und in der Welt zu verbreiten.
Wenn ich in eure offenen, aus diesem festlichen Anlass frohen Gesichter blicke, empfinde ich ein tiefes Gefühl der Freude und den Wunsch, euch meine Zuneigung zu zeigen wegen eurer Hingabe an den Glauben und euch zu helfen, immer reifer zu werden in Christus, indem ihr seine erlösende Liebe zum Menschen teilt.
Die Fotoausstellung, die ich beim Betreten dieser Aula bewundern konnte, die Worte (Zeugnisse, Berichte, Lieder), die ich soeben gehört habe, gaben mir die Möglichkeit, gleichsam von innen heraus diesen Abschnitt eures Lebens zu durchlaufen, der ein Teil des Lebens der italienischen Kirche – aber nicht nur der italienischen – in unserer Zeit ist. Sie gaben mir die Möglichkeit, die erzieherischen Kriterien eurer Lebensform in der Kirche klar zu sehen, die eine lebendige und intensive Arbeit in den verschiedensten sozialen Zusammenhängen einschließen.
Für all das bin ich dem Herrn dankbar, der mich wieder einmal sein Geheimnis in euch bewundern ließ, das ihr mit dem demütigen Bewusstsein in euch tragt und immer tragen müsst, gefügige Tonerde in seinen Schöpferhänden zu sein.
Setzt diesen Weg mit Eifer fort, damit die Kirche auch durch euch immer stärker zum Umfeld des erlösten Daseins des Menschen wird, dem faszinierenden Umfeld, wo jeder Mensch die Antwort auf die Frage nach Sinn und Bedeutung seines Lebens findet: Christus, das Zentrum des Kosmos und der Geschichte.
2. Jesus Christus, in dem alles geschaffen ist und in dem alles Bestand hat, ist also Ursprung und erklärendes Prinzip des Menschen und seiner Geschichte.
Christus als Prinzip und Leitmotiv des Lebens und des Arbeitens, des Bewusstseins und des Handelns zu bejahen, bedeutet daher ihm anzuhängen, um seinen Sieg über die Welt in angemessener Weise gegenwärtig zu machen.
Darauf hinzuwirken, dass der Inhalt des Glaubens zum Verständnis und zur Pädagogik des Lebens wird, ist die tägliche Aufgabe des Christen, in jeder Situation und in jedem Umfeld, in dem zu leben er berufen ist. Genau darin besteht der Reichtum eurer Teilhabe am kirchlichen Leben: eine Methode der Erziehung zum Glauben, so dass dieser das Leben des Menschen und die Geschichte prägt; zu den Sakramenten, so dass sie zu einer Begegnung mit dem Herrn und in ihm mit den Brüdern führen; zum Gebet, so dass es Anrufung und Lob Gottes sei; zur Autorität, so dass sie Hüterin und Garant der Authentizität des kirchlichen Weges sei.
Die so aufgefasste und gelebte christliche Erfahrung schafft eine Präsenz, die die Kirche in jedes menschliche Umfeld hineinträgt als einen Ort, an dem das Ereignis Christi, „für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit“ (1 Kor 1, 23–24), für den Menschen lebendig wird als ein Horizont voller Wahrheit.
3. Wir glauben an Christus, der gestorben und auferstanden ist, an Christus, der hier und jetzt gegenwärtig ist, der allein den Menschen und die Welt ändern kann und tatsächlich ändert, indem er sie verwandelt.
Eure immer stärkere und bedeutendere Gegenwart im Leben der Kirche in Italien und den verschiedenen Nationen, in denen sich eure Erfahrung auszubreiten beginnt, beruht auf dieser Gewissheit, die ihr vertiefen und mitteilen müsst, weil es diese Gewissheit ist, die den Menschen berührt. In diesem Zusammenhang ist es bedeutsam und muss hervorgehoben werden, dass der Heilige Geist, um mit dem heutigen Menschen den Dialog weiterzuführen, der von Gott in Christus begonnen und im Laufe der ganzen christlichen Geschichte fortgesetzt wurde, in der Kirche von heute vielfältige kirchliche Bewegungen zum Leben erweckt hat. Sie sind ein Zeichen für die Freiheit der Formen, in denen sich die eine Kirche verwirklicht, und sicher eine Neuheit, die noch darauf wartet, in ihrer ganzen positiven Wirkung für das Reich Gottes, das in unserer heutigen Geschichte am Werk ist, entsprechend verstanden zu werden.
Bereits mein verehrter Vorgänger, Papst Paul VI., sagte vor Mitgliedern der Florentiner Gemeinschaft von Comunione e Liberazione am 28. Dezember 1977: „Wir danken euch für das mutige, starke und treue Zeugnis, das ihr ablegt in diesem besonders unruhigen, ein bisschen verwirrenden Moment aufgrund bestimmter Schikanen und Missverständnisse, von denen ihr umgeben seid. Seid glücklich, seid treu, seid stark und freut euch, dass ihr den Menschen um euch herum bezeugen könnt, dass der christliche Glaube stark ist, froh, schön und wirklich die Gesellschaft, in der er lebt, verwandeln kann.“
4. Christus ist für den Menschen die Gegenwart Gottes, Christus ist das Erbarmen Gottes gegenüber den Sündern. Die Kirche, der mystische Leib Christi und das neue Gottesvolk, bringt der Welt das freundliche Wohlwollen des Herrn, indem sie dem Menschen in jeder Situation, in jedem Umfeld, in jeder Lage begegnet und ihm beisteht.
Dadurch trägt die Kirche zur Schaffung jener Kultur der Wahrheit und der Liebe bei, die den Menschen mit sich selbst und mit seinem Schicksal versöhnen kann. Auf diese Weise wird die Kirche zum Zeichen des Heils für den Menschen, dessen ganze Sehnsucht nach Freiheit sie aufnimmt und wertschätzt. Die Erfahrung dieses Erbarmens macht uns fähig, diejenigen anzunehmen, die anders sind als wir, neue Beziehungen herzustellen, die Kirche in der ganzen Fülle und Tiefe ihres Geheimnisses als unbegrenzte Leidenschaft zum Dialog mit dem Menschen, wo immer man ihm begegnet, zu erleben.
„Geht zu allen Völkern!“ (Mt 28, 19) hat Christus zu seinen Jüngern gesagt. Und ich wiederhole euch: „Geht zu allen Völkern, um ihnen die Wahrheit, die Schönheit und den Frieden zu bringen, dem man in Christus, dem Erlöser, begegnet!“ Diese Aufforderung, die Christus an alle die Seinen gerichtet hat und die ununterbrochen zu erneuern Aufgabe des Petrus ist, hat eure Geschichte schon geprägt. Ihr wart in diesen 30 Jahren für die verschiedensten Situationen offen und habt die Samen der Präsenz eurer Bewegung ausgesät. Ich weiß, dass ihr schon in 18 Nationen Wurzeln geschlagen habt: in Europa, in Afrika, in Amerika. Ich weiß auch, mit welcher Beharrlichkeit eure Präsenz in anderen Ländern wächst. Nehmt euch dieses kirchlichen Bedürfnisses an: Das ist der Auftrag, den ich euch heute gebe.
5. Ich weiß, dass ihr die unumgängliche Bedeutung einer wahren und vollen Gemeinschaft zwischen den verschiedenen Bestandteilen der kirchlichen Gemeinschaft wohl versteht. Ich bin darum sicher, dass ihr es nicht versäumen werdet, mit neuem Eifer nach geeigneteren Möglichkeiten zu suchen, eure Tätigkeit in Übereinstimmung und Zusammenarbeit mit den Bischöfen, den Pfarrern und allen anderen kirchlichen Bewegungen zu entfalten.
Tragt in die ganze Welt das einfache und klare Zeichen des Ereignisses Kirche. Die authentische Glaubensverkündigung versteht die Bedürfnisse des konkreten Menschen und antwortet auf sie, weil sie zur Begegnung mit Christus in der christlichen Gemeinschaft führt. Der heutige Mensch hat ein besonderes Bedürfnis, Christus klar und offenkundig vor Augen zu haben, als tiefes Zeichen seines Geborenwerdens, Lebens und Sterbens, seines Leidens und seiner Freude.
Maria, die Mutter Gottes und Mutter der Kirche, geleite euch ständig auf dem Weg des Lebens. Da ich eure Verehrung für die Jungfrau kenne, wünsche ich euch, dass sie für euch alle der „Morgenstern“ sei, der euer hochherziges Engagement für das christliche Zeugnis in der modernen Welt erleuchten und stärken möge.
Und nun erteile ich euch von Herzen meinen Apostolischen Segen.
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