Die SWAP-Gruppe mit Wael Farouq (in der Mitte).

DIALOG - DIE GRUPPE SWAP

Eine Gruppe muslimischer Studentinnen der Katholischen Universität Mailand ist betroffen vom Leiden der Christen in Ägypten. Gemeinsam mit ihrem Professor und ein paar christlichen Freunden organisieren sie eine Ausstellung.
Stefano Filippi

Diese Initiative erzählt die Geschichten einer gelebter Einheit.
Randaist 21 Jahre alt, Muslimin, und studiert Kulturwissenschaften an der Katholischen Universität Mailand. Ihre Wurzeln liegen in Ägypten, wo ihre Eltern herkommen. Aber ihre Heimat ist Italien, hier ist sie geboren. Randa ist sehr wissbegierig. In der Oberstufe ging sie oft in das Nachhilfezentrum „Portofranco“. Eines Tages fiel ihr dort eine Zeitschrift in die Hände, in der über das Meeting in Kairo berichtet wurde. Drei Tage, an denen Muslime, Christen, Araber und Europäer ernsthaft und ohne Schranken in Dialog traten. So etwas wünscht sie sich auch: in Freiheit als Muslimin unter Christen zu leben. Das Kairo-Meeting, das sie durch Zufall entdeckt, berührt sie wie ein weit entfernter Traum.

Im Kreuzgang der Universität trifft Randa in einem Schaukasten auf den Namen eines Dozenten: Wael Farouq. Auch im Zusammenhang mit dem Meeting in Kairo hatte sie diesen Namen gelesen. Wael Farouq war Vizepräsident des Meetings, ein Professor mit Lehrstühlen in Ägypten, Italien, den USA und Spanien. Randa sucht ihn auf, und ein paar Tage später kommt sie mit einer Gruppe Freundinnen wieder. Fast alle sind Ägypterinnen, nur eine Tunesierin und eine Marokkanerin sind dabei, alle wie Randa Einwanderer der zweiten Generation. Ihre Bitte an den verwunderten Dozenten ist: „Wir würden hier gerne so etwas wie das Kairo-Meeting machen.“

Zwei Jahre später kann man die Früchte dieser Erfahrung, die sich den Namen Share with all people (SWAP) gegeben hat, in Form der großen Tafeln einer Ausstellung bewundern. Sie trägt den Titel: „Wenn Werte lebendig werden“ und wird erst an der Katholischen Universität und dann im Kulturzentrum in Mailand zu sehen sein. In wenigen Tagen Ende März, Anfang April 2014 haben tausende Besucher die Ausstellung gesehen, davon auch viele aus dem Nahen Osten. Bei der Eröffnung anwesend waren auch der Konsul des Libanon, der ägyptische Konsul und ein Vertreter des Erzbischofs von Mailand. Der Tag war nicht zufällig gewählt: der 25. März. Die Katholiken feiern an diesem Tag die Verkündigung des Herrn, aber auch im Libanon ist dieser Tag seit 2010 nationaler Feiertag, auf Initiative eines Imam.



„Diese Ausstellung spiegelt die Erfahrung unseres gemeinsamen Aufwachsens“, sagt Randa. „Wir wollten die Revolution aus der Sicht der Menschen erzählen, nicht aus der Sicht der Politik. Mit Geschichten, von denen die Medien nicht berichten, die es aber trotzdem gibt und die uns Hoffnung machen.“ Was für eine Hoffnung? „Die Hoffnung erwächst aus der Erfahrung, aus Tatsachen“, antwortet Farouq. „Nach den ersten Gesprächen habe ich mich ein Jahr lang jede Woche mit den muslimischen Studentinnen getroffen, zum Mittag- oder Abendessen. Nach und nach kamen auch christliche Studenten dazu. Diese Begegnung zwischen Christen und Muslimen war etwas Neues für uns. Die jungen Leute wollten das Kairo-Meeting an der Katholischen Universität vorstellen, als Einladung an alle, sich auf solch eine Erfahrung einzulassen. Es wurde ein sehr interessantes Event, mit den Italienern, die als freiwillige Helfer in Kairo dabei gewesen waren.

Raum für den Dialog. Nach dieser Vorstellung unter dem Titel „Die Schönheit, Raum für den Dialog“, folgte eine weitere Veranstaltung mit Don Ambrogio Pisoni zum Thema „Erziehung zur Vielfalt“. Die Beziehung zwischen Christen und Muslimen wurde aus einer ganz anderen Perspektive dargestellt, nämlich aus der Erfahrung heraus. Das ist neu für Ägypten, aber auch für den Westen, „wo man oft in Stereotypen denkt“, sagt Farouq. „Auch der Dialog kann zu einem gefährlichen Klischee werden, wenn man zum Beispiel um des vermeintlichen Dialogs willen Gewalt gegen Frauen akzeptiert, ‚weil es zu ihrer Kultur gehört‘. Da ist ein Streit besser, denn dann merkt man wenigstens, dass es ein Problem gibt. Unsere Studenten haben einen anderen Weg des Dialogs gefunden, eine echte Begegnung, bei der niemand irgendetwas von sich selbst aufgibt, von seinem kulturellen Reichtum und seiner Tradition. Keine Theorie, sondern Gesichter, Personen: Eltern, Verwandte, Leute, die man gut kennt.“

Im August 2013 begannen in Ägypten die Anschläge auf die Kopten. Farouq erinnert sich: „Einige muslimische Studentinnen sind zu mir gekommen mit Tränen in den Augen: ‚Das ist ein großes Unrecht, wir wollen etwas tun, das Leid unserer christlichen Brüder bekannt machen.‘ So begannen sie, koptische Studenten zu suchen, die Verwandte in Ägypten haben, und baten sie, von deren Leid zu berichten. Nicht um den Schmerz zur Schau zu stellen, sondern um zu beweisen, dass auch diese Vorkommnisse eine Gelegenheit zu gegenseitiger Liebe sein können, und nicht zu Streit und Hass. Die Idee einer Ausstellung darüber, wie schön es ist, gemeinsam das Leid zu tragen, entstand in diesem Zusammenhang.“

Europäischer Islam. Eine Arbeit, die sieben bis acht Monate dauerte. „Die Studenten haben alles alleine gemacht, ich habe nur Fragen gestellt“, sagt Farouq. „Zum Beispiel: Wie viele Menschen wurden umgebracht? Wer hat sie getötet? Wonach sehnt sich das Herz des Menschen inmitten der Gewalt? So ist deutlich geworden, dass das Wichtigste der Mensch ist, nicht das System, die Macht.“ Ein paar Fakten: 2011 stellten sich in Alexandria Kopten schützend vor Muslime, die Richtung Mekka beteten. 2013 beschützte eine Gruppe Muslime die christlichen Kirchen. Oder das gemeinsame Fasten von Christen und Muslimen gegen den Terror, dessen Ende die Glocken der Kirchen und die Muezzine von ihren Minaretten gemeinsam verkündeten. Die Mutter von Mina el Sharkawy, einer der Studentinnen von SWAP, die Christin ist, berichtete: „Meine Schwester ist von einer muslimischen Nachbarin großgezogen worden. Als sie begann, die islamischen Gebete nachzusprechen, verbot diese ihr das und brachte ihr das Vaterunser bei.“



Nicht ein Islam, der nach Europa verpflanzt wurde, sondern ein europäischer Islam: So definiert Farouq diesen Keim in Mailand, bei dem „die Tradition in jedem Menschen eine neue Form annimmt“. Ein Aspekt, den auch der Jesuit Samir Khalil Samir betont. Er ist Professor an der Sankt-Joseph-Universität in Beirut und ein hervorragender Kenner des Islam. Samir war bei der Eröffnung der Ausstellung dabei: „Die Gruppe ist von Professor Farouq gut vorbereitet worden, der eine kulturelle Arbeit mit ihnen gemacht hat. Das Risiko bei diesen jungen muslimischen Gruppen ist, dass sie von religiösen Grundsätzen bestimmt werden, wo doch die Religion zunächst eine Sache jedes einzelnen ist. Eine junge Muslimin hat über Leben und Tod eines jungen Christen berichtet, und umgekehrt. Die Botschaft, die dabei herauskam, war, dass wir alle Ägypter sind, ein Volk, und gemeinsam für Freiheit und Demokratie kämpfen. Sie haben eine sehr lobenswerte und seriöse Arbeit gemacht, gut dokumentiert, detailliert, gut geschrieben und frei von jedem Fanatismus.“

Die Familien. „Vor allem hat mir der Geist gefallen, der diese jungen Leute beseelt“, fährt Samir fort. „Viele Mädchen trugen Kopftuch, aber ein diskretes Kopftuch, keinen Schleier, der das ganze Gesicht bedeckt. Und sie trugen kein Gewand, das den ganzen Körper verhüllt, sondern Röcke, die bis unter die Knie gingen. Anständig und elegant zugleich, der Tradition ihrer Herkunft entsprechend und mit Respekt gegenüber ihrer Umgebung.“

An der Eröffnung nahmen auch die Familien der Studenten teil. „Ein Zeichen, dass auch bei den Eltern die beiden Traditionen im Gleichgewicht stehen. Diese Achtung spiegelt sich in der äußeren Haltung wider.“ Samir hat Farouq gesagt, diese Ausstellung müsse im ganzen Land gezeigt werden: „Man muss diese Art Projekte vertiefen. Das ist es, was wir brauchen: Gleichgewicht und Harmonie zwischen muslimischer und christlicher Tradition. Jeder von seiner eigenen Religion überzeugt, aber trotzdem offen für die Argumente der anderen. Das versuchen wir in der Universität aufzubauen. Das ist die christliche Sicht: Nicht die Muslime zu Christen zu machen, sondern dass jeder für sich selbst Verantwortung übernimmt. Du bist das, was du bist; Gott segne dich. Ich bin das, was ich bin; Gott segne mich. Und zusammen, Hand in Hand können wir die Gesellschaft aufbauen.“