Ein syrischer Junge, der mit seiner Familie vor der IS fliehen musste und sich nun im Flüchtlingslager in Erbil befindet.   ©Benjamin Hiller/Corbis

GEBETSTAG FÜR
VERFOLGTE CHRISTEN

Ein neues Zuhause im eigenen Land. Als besonderer Gebetstag für verfolgte Christen wurde der 23. Mai 2015 in Eichstätt gefeiert.
Maria Groos

Das Referat Weltkirche lud gemeinsam mit der Gemeinschaft Comunione e Liberazione am Pfingstsamstag zu einer heiligen Messe im Dom ein.

Ein Stand des Vereins Support International informierte über die Christenverfolgung in aller Welt und sammelte Spenden für die Vertriebenen im Irak. Der Titel der Initiative „Ein neues Zuhause im eigenen Land“ drückt aus, was Support International in Zusammenarbeit mit dem Chaldäischen Erzbistum von Erbil erreichen will: den Vertriebenen zu helfen, eine neue Bleibe im Irak zu finden, also dort, wo sie ihre Familie und Verwandten haben und in ihrer Kultur leben können.

Dafür sollen Wohnungen beschafft, Schulen und Kindergärten eingerichtet und eine Gesundheitsfürsorge aufgebaut werden, woran Support International mitwirken will. Vor allem die Saint-Joseph-Charity-Clinic in Erbil soll dabei unterstützt werden, chronisch Kranke mit lebenswichtigen Arzneimitteln zu versorgen. Monatlich werden dazu 25.000 € benötigt, von denen der Verein in diesem Jahr 5.000 € bereitstellen will.

Petersdom, 24. Mai 2105, Pfingstvigil mit Papst Franziskus ©ANDREAS SOLARO/AFP/Getty Images

Der persönliche Draht nach Erbil kam durch ein Gespräch mit Father Douglas Al-Bazi bei einer Tagung von Kirche in Not in Würzburg zustande. Er vermittelte uns dann den direkten Kontakt zu einem Arzt der Klinik in Erbil.

Beim Spendensammeln auf dem Marktplatz von Eichstätt, mitten im Trubel des Wochenmarktes, kam es zu unerwarteten Begegnungen. Eine Frau suchte gezielt den Stand, weil sie die Vorankündigung in der Lokalzeitung gelesen hatte. Sie erzählte, sie habe eine jahrelange persönliche Krise durch die Gemeinschaft in der Kirche überwunden. Aus Dankbarkeit unterstütze sie seitdem Christen in Not. Trotz ihrer kleinen Rente spendete sie großzügig. Sie dankte uns dafür, dass wir die Christenverfolgung ins Bewusstsein rücken. Das taten auch etliche andere Passanten an diesem Vormittag. Eine Frau war zu Tränen gerührt und meinte: „Schön, dass ihr das macht. Tut immer wieder Gutes, so wie jetzt!“ Eine andere war in großer Eile, wollte aber doch helfen und warf uns einen Geldschein zu: „Steckt ihr ihn in die Sammelbüchse!“ Dann kam jemand auf dem Fahrrad vorbei, der ein Gespräch schroff verweigerte, aber trotzdem den Flyer mitnahm. Nach einiger Zeit kam er zurück und gab uns Geld. Das Anliegen hatte ihn überzeugt.

Gebet und Hilfe, Eichstätt 23. Mai 2015

Eine junge Frau überlegte, wie sie eine größere Spende ermöglichen könne. Sie versprach uns, ihre Facebook-Gruppe mit hundert Teilnehmern zum Spenden aufzurufen. Auch Gäste in den umliegenden Cafés ließen sich bei Eisbecher und Kuchen unser Vorhaben erklären und spendeten. Ein konfessionsloses Paar aus Ostdeutschland war zunächst skeptisch. Doch dann meinten sie: „Hier geht es um die Menschen, die unschuldig in Not geraten sind. Da tun wir auch etwas dazu. Wenn alle nur auf ihren eigenen Vorteil schauen würden, könnten wir nicht existieren!“

Wir trafen auch Menschen, die sich selbst um Flüchtlinge kümmern. Einer hat eine Familie in sein Haus aufgenommen, ein anderer betreut einen Mann, der durch die Flucht traumatisiert ist. Wieder andere machen regelmäßige Besuche in Flüchtlingsheimen oder schließen die Bewohner in ihr Gebet ein. Ein Syrer erzählte uns die Geschichte seiner eigenen Familie, die schon vor vielen Jahren nach Deutschland geflohen ist.

Natürlich trafen wir auch Nachbarn, Arbeitskollegen, Bekannte. Sabina freute sich darüber, „dass man so zu einem persönlicheren Gespräch kommt. Man spricht nicht nur über das Wetter, sondern rührt an etwas tiefere Schichten.“ Mirvanas Deutschlehrerin war gekommen, nachdem Mirvana ihr erzählt hatte, dass sie am Wochenende freiwillig arbeitet. Dem anfänglichen „Du spinnst!“ folgte der Besuch am Stand. Die Lehrerin zeigte sich beeindruckt von dem, was hier gemeinsam angestoßen wird.

Zum Aufbau des Standes hatten wir uns mit einiger Verspätung getroffen, nahmen uns aber doch die Zeit für ein kurzes Gebet. Das Regina Coeli half uns, den Blick auf das Wesentliche zu richten und uns bewusst zu machen, warum wir an dieser Aktion teilnahmen. Die Liturgie der Heiligen Messe und die eigens zu diesem Anlass formulierten Fürbitten machten ebenfalls deutlich, dass alles aus der Gegenwart Christi hervorgeht.

Wartende Patienten

Charles hatte sich schon ein paar Wochen vorher bereiterklärt, bei den Vorbereitungen zu helfen. „Doch dann erhielt ich eine Flut von Mails mit allen möglichen Aufgaben. Und genau solche, die nicht meine Stärke sind!“, bekennt er. „Aber irgendwann kam mir der Erzbischof von Lyon wieder in den Sinn, der mit einigen Mitbrüdern kürzlich den Irak besucht hat, um den Christen dort seine Solidarität zu bekunden. Zwei Dinge haben mich dabei besonders beeindruckt: Erstens, dass er nicht kam, um die Menschen dort zu bemitleiden, sondern um ihnen zu zeigen: Wir vergessen euch nicht und beten für euch. Und zweitens, dass er versprach, täglich das Vaterunser in der Sprache der Vertriebenen zu beten, bis sie in ihre Heimatorte zurückkehren können. Das hat mich dann auch wieder angetrieben, bei den Vorbereitungen für den Gebetstag zu helfen.“

Mirvana kostete es am Anfang viel Überwindung, auf die Menschen zuzugehen und sie anzusprechen. „Aber ich bin froh, wenn jemand etwas spendet“, meinte sie. „Es ist ja nicht für mich, sondern für unsere Brüder und Schwestern in Christus!“

Auch Sabina zögerte zunächst, mit der Sammeldose loszuziehen. „Doch dann stand mir der frühere Bischof von Mossul, Amel Nona, vor Augen“, berichtet sie, „der gesagt hat: ‚Was wir brauchen, ist euer Zeugnis, dass ihr froh seid, Christen zu sein.‘ Und ich war froh, an diesem einfachen Gestus teilnehmen und Zeugnis ablegen zu können, indem ich mich zu den Christen im Irak bekenne.“

Ein Mann will nur kurz vorbeischauen und uns für eine Stunde helfen. Dann bleibt er doch den ganzen Vormittag. „Es ist einfach schön, wenn man gemeinsam für eine gute Sache arbeitet.“ So haben wir in diesen Tagen noch öfter unerwartet Hilfe erhalten: Ein Graphiker reparierte mitten in der Nacht unsere Datei für den Flyer. Ein Techniker lud uns ein, in seine Werkstatt zu kommen, damit das Plakat noch rechtzeitig fertig werden konnte. Die Wirtin eines Cafés stellte uns den Strom für unseren Stand zur Verfügung. Auf die Frage, was wir ihr schulden, antwortete sie: „Dass ihr beim nächsten Mal wiederkommt!“ Und auch Daria, eine Schülerin aus der Nachbarstadt, die uns die ganze Zeit geholfen hat, meinte: „Das müssen wir unbedingt nochmal machen!“

Charles fasst die Erfahrung so zusammen: „Es gibt so viel Elend in der Welt. Die Versuchung besteht für mich darin, mit ein bisschen Geld ‚meine Pflicht zu tun‘. Aber die Christen im Irak haben mich wachgerüttelt. Ich habe den Eindruck, sie zeigen mir in besonderer Weise, was es heute bedeutet, seinen Glauben zu leben. Durch die Arbeit der letzten Wochen sind sie mir jetzt viel näher. Nicht zuletzt durch das Glaubenszeugnis der zehnjährigen Myriam, das als Video ständig an unserem Stand zu sehen war, und durch den persönlichen Bericht eines Syrers. Es ist unglaublich, wie diese Menschen glauben und vergeben können. Dadurch stellt sich mir die Frage: Wie steht es mit meiner Freundschaft zu Christus? Auch wenn man den Glauben nicht messen darf, fühle ich mich doch ganz klein, wenn ich diese Menschen höre. Man schwankt zwischen dem Wunsch, von ihnen zu lernen, und der Angst, das könnte die eigene Bequemlichkeit stören. Das ist für mich die eigentliche Herausforderung dieser Tage. Ich würde gerne nach Erbil fliegen, um von den Christen dort zu lernen.“



Als Zeichen unserer Verbundenheit schickten wir ein Foto von uns an Dr. Saveen Jawhar, unseren Ansprechpartner in der St.-Joseph-Charity-Clinic. Seine Antwort kam sofort: „Ich hoffe, dass wir eines Tages eure Gruppe treffen und gemeinsam beten werden!“ Das berührte uns sehr. Durch den Gebetstag und unsere kleine Geste ist über Tausende von Kilometern hinweg auf beiden Seiten der gleiche Wunsch wachgerufen worden, nämlich zusammenzukommen um zu beten. Es ist eine Nähe entstanden, die uns die Menschen in Erbil wirklich als Brüder und Schwester wahrnehmen lässt – ein ganz unerwartetes Geschenk.

Spenden für die Arzneimittelversorgung der
St.-Joseph-Charity-Clinic

sind möglich über:
Support International e.V.
Kontonummer 3502511
Volksbank Freiburg
BLZ 78090000
IBAN: DE32680900000003502511