Nur die Barmherzigkeit ist die wahre Reaktion auf das Böse

Der Brief von Julián Carrón an die Zeitung Corriere della Sera nach den Attentaten in Bruxelles.
Julián Carrón

Sehr geehrter Herr Chefredakteur,

erneut trifft uns ein entsetzlicher und bestürzender Schmerz. In Spanien endet das Einnicken eines Busfahrers in einer Tragödie. In Belgien zeigt die Leere erneut ihr gewaltsames und gnadenloses Gesicht, ihre „blinde Gewalt“, wie Papst Franziskus sagte.
Wie können wir als aufrichtige Menschen auf diese Tatsachen schauen, ohne der Niedergeschlagenheit oder Wut zu unterliegen? Nur wenn wir nicht den ganzen inneren Drang nach einer Bedeutung blockieren, nach einem Warum, welches diese Ereignisse in jedem von uns hervorrufen. Je tiefer der Schmerz, desto grenzenloser ist die Frage, die wir zumindest für einen Augenblick empfinden, bevor wir einen Fluchtweg in der Zerstreuung und dem Verdrängen suchen, aufgrund des Empfindens der Ohnmacht, das uns angesichts einer solchen Frage befällt. Hinter der Fassade, mit der wir bindungslose Menschen Sicherheit vorspielen, tritt uns die ganze Tiefe unserer Bedürftigkeit vor Augen; das Bedürfnis nach einer Person, die sich um unsere Wunden sorgt, die uns in unserer Niedergeschlagenheit wieder aufrichtet.
Die Liturgie der Karwoche kommt unserem Unvermögen entgegen, das Drama zu lösen: „Allmächtiger Gott, in unserer Schwachheit versagen wir und sind anfällig für das Böse. Schau hin auf das Leiden deines Sohnes, richte uns wieder auf und schenke uns neues Leben“ (Oration der Laudes vom Montag der Karwoche aus dem Stundengebet nach dem römischen Ritus). „Es ist ein Anstoß zum Leben, mit dem er unsere Endlichkeit und unsere tödliche Schwäche überwindet: Er erneuert das Leben durch das Opfer, den Schmerz und den Tod (seines eingeborenen Sohnes)“ (Don Giussani). So bietet sich Christus als Antwort auf der Höhe der grenzenlosen Frage nach einem Warum an. Und zugleich schenkt er uns die Kraft, ohne die wir uns nicht mehr fangen können, noch den einzigen Weg einschlagen können, der die Gewalt besiegt. Die Barmherzigkeit, der wir selbst am meisten bedürfen, brauchen auch die anderen.
Vor kurzem hat Papst Benedikt XVI. an den Grund erinnert, weshalb Papst Franziskus einen so großen Wert auf das Jahr der Barmherzigkeit legt: „Die Barmherzigkeit ist die einzige wahre und endgültige wirksame Reaktion auf die Macht des Bösen. Nur dort, wo die Barmherzigkeit ist, endet die Grausamkeit, enden das Böse und die Gewalt.“

Julián Carrón
Präsident der Fraternität von Comunione e Liberazione.