Castelluccio, in der Nähe von Nursia. ©Filippo MONTEFORTE /Getty Images

HILFE AUS DEM IRAK

10.000 Dollar von den Flüchtlingen aus Erbil: Sie leben selber unter schwierigsten Umständen, aber sie sammeln Geld für die Erdbebenopfer in Italien. „Weil sie wissen, dass die ihnen geholfen haben.“ (Nuntius Ortega)
Luca Fiore

ALBERTO ORTEGA, Nuntius im Irak, erzählt, was er von den Christen dort lernt.
Menschen im Irak, die vor dem IS fliehen mussten, sammeln Geld für die Erdbebenopfer in Italien? Ja, in der Tat. Im Oktober fand an zwei aufeinanderfolgenden Sonntagen in den Kirchen von Erbil in der irakischen Kurdenregion eine Kollekte für die Opfer des Erdbebens in den Marken statt. Im Sommer 2014 mussten fast 125.000 Christen aus Mossul, Karakosh und anderen Dörfern im Norden des Irak vor dem IS fliehen. Seitdem leben sie in Erbil, der Hauptstadt der Kurdenregion, zumeist in Flüchtlingslagern. Sie haben keine Arbeit, manche nicht einmal ein festes Dach über dem Kopf und nur das Allernötigste zum Leben. Ausländische Hilfsorganisationen, darunter auch viele aus Italien, unterstützen sie mit Geld und Sachspenden. Als sie nun im Fernsehen die Bilder von Amatrice und den anderen vom Erdbeben betroffenen Orten sahen, waren die Menschen in Erbil bewegt. Daher veranstalteten sie eine Kollekte und können der italienischen Caritas nun 10.000 Dollar überweisen. „Die Leute waren sehr großzügig“, sagt Erzbischof Alberto Ortega Martin, der Apostolische Nuntius in Jordanien und im Irak. „Vielen von ihnen fehlt es nach wie vor an fast allem. Aber ich glaube, das ‚schöne Gefühl‘, anderen helfen zu können, hat hier überwogen.“

Was war da los in Erbil?
Es war eine Initiative des „Barmherzigkeits-Komitees“, so nennt es sich, der Diözese Erbil.
Die Nachrichten über das Erdbeben in Italien haben die Leute sehr bewegt. Und vor allem den Christen war bewusst, dass Italien ihnen in den letzten beiden Jahren viel geholfen hat. Außerdem waren in letzter Zeit viele Delegationen von unterschiedlichen Hilfswerken hier, auch aus Italien. Dadurch sind die Beziehungen mit Ihrem Land noch konkreter geworden.

So entstand der Wunsch, denen zu helfen, die jetzt in Not sind. Ich finde, das ist eine sehr schöne Geste. Und angesichts der finanziellen Möglichkeiten, die die Leute hier haben, ist überraschend viel zusammengekommen.

Viele sind geflohen und haben alles verloren. Wie bestreiten die ihren Lebensunterhalt?
Einige durch Gelegenheitsarbeiten, andere haben keine Möglichkeit. Die Kirche zahlt für viele die Miete. Es werden Lebensmittel und andere Hilfsgüter verteilt. Außerdem leben in Erbil nicht nur Flüchtlinge. Da gibt es auch Leute, denen es wirtschaftlich gut geht. Wer nur wenig hat, hat wahrscheinlich auch nur wenig gegeben. Aber die Leute waren glücklich, sich dieser Geste anschließen zu können. Ich habe mit Erzbischof Bashar Warda gesprochen. Ihm war die erzieherische Dimension dieser Aktion besonders wichtig.

Was denken die Menschen in Erbil über das, was jetzt in Mossul geschieht?
Einerseits sind sie froh und glücklich, dass ihre Dörfer wieder befreit werden. Ich glaube, besonders im Bezug auf Karakosh. Nach mehr als zwei Jahren konnte in der dortigen Kirche zum ersten Mal wieder die Heilige Messe gefeiert werden, auch wenn sie halb abgebrannt ist. Vorläufig können die Menschen aber noch nicht zurückkehren, da das Gebiet noch nicht befriedet ist. Andererseits sind sie auch traurig und enttäuscht, wenn sie sehen, wie zerstört ihre Dörfer sind. Viele sind sofort hingefahren und haben gesehen, dass alles zerstört worden ist, die Häuser und die Kirchen. Es gab eigentlich gar keinen Grund, das alles zu zerstören.

Werden die Leute zurückgehen?
Da muss man erst einmal schauen, wie sich die Situation weiterentwickelt. Aber ich glaube, viele wollen in ihre alten Dörfer zurück. Und ich finde, man sollte sie dazu ermutigen. Doch der irakische Staat, die internationale Gemeinschaft und die Kirche müssen beim Wiederaufbau helfen.

Was beeindruckt sie an diesen Leuten?
Mich beeindruckt, wie sie beten. In der Fastenzeit habe ich einmal an einem Kreuzweg in einem der Flüchtlingslager teilgenommen. Das war wirklich bewegend. So viele Menschen, Alte, Jugendliche, Kinder, beten und das Kreuz tragen zu sehen ... Und mit so viel Ernsthaftigkeit ... Damals habe ich gesagt: Jetzt gehen wir den Kreuzweg. Aber vergessen wir nicht, dass das letzte Wort der Sieg über den Tod ist, die Auferstehung Christi. Hoffen wir, dass sie auch weiterhin diesen Sieg Christi erleben dürfen.

Was haben Sie für sich gelernt, seit Sie Nuntius sind?
Wenn man die Christen hier sieht, lernt man, welchen Wert der Glaube hat. Man versteht besser, was es bedeutet, wenn Christus einem das Liebste ist. Viele von diesen Leuten haben ja alles verloren, weil sie ihren Glauben nicht aufgeben wollten. Und sie beklagen sich überhaupt nicht. Sie sind traurig, sie leiden. Aber sie beklagen sich nicht. Mich beeindruckt ihre Mentalität, die viel ganzheitlicher ist als bei uns in Europa. Sie leben ihre Religion und ihren Glauben wie man sie in Spanien und Italien vor vielen, vielen Jahren gelebt hat. Sie haben eine sehr religiöse Grundhaltung, auch die jungen Leute. Der Glaube ist ein Element, das ihrem Leben Gestalt gibt. Sie haben einen wacheren religiösen Sinn als wir. Wirklich. Und wenn ich sehe, wie diese einfachen Leute kommen und mein Kreuz oder meinen Ring küssen ... Das erinnert mich daran, wer ich bin und Wen ich bringe. Wir müssen diese Menschen unterstützen. Wir müssen sie mit unserem Gebet begleiten und ihnen materielle Hilfe leisten.