Rigopiano (Permission: Youtube - CC-BY- Autor: TVSEI - Source: https://www.youtube.com/watch?v=6La91fbpbbg)

Verschüttetes Hotel in Rigopiano (Abruzzen)

So war Alessandro - In dem verschütteten Hotel in den Abruzzen ist auch ein Freund von CL, Alessandro Riccetti, ums Leben gekommen.
den Freunden aus Terni

Einen Monat zuvor hatte er beim Seminar der Gemeinschaft gefragt: „Wie kann ich bereit sein, wenn der Herr mich unvorhergesehen ruft?“ Diese Frage ist den Freunden in Terni ins Herz gefallen.

Unter den Opfern im Hotel Rigopiano war auch unser Freund Alessandro. Seit etwas mehr als einem Jahr arbeitete er dort am Empfang. Vorher hatte er im Ausland Erfahrungen gesammelt, eine Zeit lang auch in Deutschland. In Terni besuchte er verschiedene Seminare der Gemeinschaft, je nachdem, an welchem Tag er gerade frei hatte. An einem Abend im Dezember stieß er zu einer Gruppe, von denen noch niemand ihn kannte. Er erzählte, dass er in der Arbeit keine besonders engen Freunde habe und dass ihm das fehle. Er wolle das, wovon beim Seminar immer die Rede sei, in Fülle erfahren und leben. „Wie kann ich bereit sein, wenn der Herr mich unvorhergesehen ruft? Wie schaffe ich das ohne euch? Wie schaffe ich es, nicht vergesslich und zerstreut zu leben?“ Angesichts dieser Fragen waren wir zunächst einmal alle perplex, fühlten uns aber auch herausgefordert. Das Seminar dauerte länger als gewöhnlich. Durch Alessandros Fragen entzündete sich ein Gespräch, bei dem jeder erzählte, wie und wo er im Alltag überraschend Christus begegnet ist: in dem Blick eines Kindes, beim Gespräch mit einem Kunden. Am Ende war zu spüren, dass Alessandro anders wegging, als er gekommen war. Er wirkte froher, irgendwie gestärkt, auch weil er einige Umstände der letzten Tage in einem neuen Licht gesehen hatte.

Einige bedankten sich bei ihm, weil er sie an Dinge erinnert habe, die sie allzu oft für selbstverständlich nähmen. Andere rieten ihm, wenn er sich einsam fühle, den Text des Seminars zur Hand zu nehmen oder jemanden von uns anzurufen. Dabei hätte dieses Treffen beinahe gar nicht stattgefunden. Denn das Grüppchen besteht nur aus zehn Leuten und einige hatte schon mitgeteilt, dass sie krank seien und nicht kommen könnten. Daraufhin wurden SMS ausgetauscht, ob man es nicht absagen solle. Doch dann beschlossen wir, uns trotzdem zu treffen. Sonst hätten wir Alessandro nie kennengelernt. Er wäre vor verschlossener Tür gestanden. Es sollte wohl so sein. Alessandro sollte an diesem Abend kommen und diese Handvoll Freunde treffen, da sein Weg auf die entscheidende Begegnung seines Lebens zulief.

Alessandro
Es stimmt: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen. Ohne es zu ahnen, waren die Leute zu diesem Treffen gerufen worden, um Alessandro auf seinem Weg zur Bestimmung zu begleiten. Dafür wurde ihnen das Geschenk zuteil, das zu hören, was einige nun als sein geistiges Testament betrachten. Dass er von Mal zu Mal immer wieder zu einem anderen Seminar der Gemeinschaft ging, ist wohl auch ein Zeichen dafür, dass es ihm um die Einheit mit Christus ging, den diese Menschen ihm bezeugten. Auf welche Gruppe auch immer er traf, es war für Alessandro eine Heimkehr an den Ort, an den er ein Stück seines Herzens verloren hatte und wo er immer wieder Christus begegnen konnte.

Für den folgenden Tag hatten die Studenten ihn zu einem Treffen eingeladen. Er kam pünktlich, schlief aber – wohl übernächtigt – die meiste Zeit. Aber er war da und wollte da sein, um an dieser Freundschaft, die für sein Leben so wichtig war, dran zu bleiben. Am nächsten Tag verschob er sogar noch eine Verabredung, um an der Messe der Gemeinschaft teilnehmen zu können. Das war das letzte Mal, das wir ihn gesehen haben.

Am frühen Nachmittag des Tages, an dem das Unglück geschah, schickte Alessandro einer anderen Seminargruppe via Whatsapp ein paar Fotos aus dem verschütteten Hotel. Dazu schrieb er folgende Nachricht: „Freunde, ich bin im Hotel, von Schnee begraben. Betet. Betet.“ Diese Worte sind uns nun ins Herz gemeißelt. Und wenn man sie heute liest, sind sie wie eine Aufforderung, auch weiter für ihn zu beten.

Uns haben in diesem Zusammenhang die Worte beeindruckt, die Papst Franziskus bei der Audienz am 25. Januar gesagt hat, also genau an dem Tag, da wir erfuhren, dass Alessandro nicht überlebt hat: „Liebe Brüder und Schwestern, wir dürfen Gott niemals Bedingungen stellen und müssen vielmehr unsere Ängste durch die Hoffnung überwinden. Auf Gott vertrauen heißt, in seine Pläne einzutreten, ohne etwas zu verlangen, sondern anzunehmen, dass sein Heil und seine Hilfe anders zu uns kommen können, als wir es erwarten. Wir bitten den Herrn um Leben, Gesundheit, Liebe, Glück: Es ist richtig, das zu tun, aber im Bewusstsein, dass Gott Leben aus dem Tod hervorbringen kann, dass man Frieden auch in der Krankheit erfahren kann, und dass es innere Ruhe auch in der Einsamkeit und Glückseligkeit in der Trauer geben kann. Wir können Gott nicht lehren, was er tun soll, was wir brauchen. Er weiß es besser als wir, und wir müssen darauf vertrauen, denn seine Wege und seine Gedanken sind anders als unsere.“

Bei der Trauerfeier dankte Alessandros Mutter einigen seiner Freunde besonders. Sie forderte sie auf, nicht zu verzagen und immer ihre Pflicht zu tun. Denn, so sagte sie, „das Leben ist trotzdem schön.“ Dank eines so reifen und gewissen Glaubens schien ihr Schmerz gedämpft und keinesfalls verzweifelt. Die ganze Atmosphäre war eigenartig leicht.

Schon als wir vom Friedhof kamen, schlug jemand vor, sich bald zu treffen um über diese Erfahrung zu sprechen. „Treffen wir uns morgen bei uns, nach dem Abendessen?“ „Warum nicht bei mir, gleich zum Abendessen?“ Wir einigten uns auf das Abendessen. So haben wir vor zwei Tagen im Andenken an Alessandro und im Schmerz über seinen Tod versucht, wieder neu zu beginnen. Vereint in Christi Namen, wie es auch Alessandro gefallen hätte.

„Ich würde mir Alessandro gerne vorstellen, vereint mit Christus, wie er in der Empfangshalle des Paradieses seinen freundlichen und kompetenten Service in mehreren Sprachen fortsetzt“, sagte der Bischof von Terni, Giuseppe Piemontese, bei der Begräbnismesse. In der großen Herberge, in der für jeden von uns ein Platz bereitet ist, damit wir das große Geheimnis Gottes betrachten können. In Ewigkeit.