Man kann alles darbringen, nicht nur Gebete

Robertas Ehemann ist Arzt und arbeitet jetzt in der Abteilung für die am Coronavirus Erkrankten. Sie ist zu Hause mit den Kindern und fragt sich: Was ist mein Nutzen in dieser Zeit?
Roberta, Monza

Normalerweise arbeite ich auch im Krankenhaus. Aber zurzeit bin ich in Elternzeit und betreue zu Hause unsere Kinder. Mein Mann ist Anästhesist und arbeitet jetzt auf der Intensivstation, wo die an Covid-19 Erkrankten liegen. Mich beschäftigt das den ganzen Tag. Doch er kommt abends zufrieden nach Hause. Nicht etwa, weil die Lage nicht dramatisch wäre, sondern weil er auf das antworten kann, was die Wirklichkeit von ihm verlangt. Daher frage ich mich: Was kann ich beitragen? Wie kann ich nützlich sein für die Welt, für meine Freunde? Wie kann ich mich dem stellen, was geschieht, während ich im Haus eingesperrt bin mit meinen Kindern, die mir keinen Augenblick Ruhe lassen. Was ist jetzt meine Aufgabe?

Neulich musste ich an ein Buch von Bruce Marshall denken, wo er schreibt: „Man könne Radfahrer werden oder Fußballspieler nur, indem man Rad fahre oder einem Fußball einen Fußtritt gebe. Aber Heiliger könne man werden, indem man alle möglichen unheiligen Dinge auf eine heilige Art verrichte, sagte der Abbé Gaston. Zur höheren Ehre Gottes könne man alles darbringen, nicht nur Gebete. Wie tief einer einen Graben aussteche oder wie hoch er zu springen vermöge oder die Art, wie ein Mensch ein hübsches Kleid trüge, alles das könne der Verehrung Gottes dienen; denn wenn Beten Arbeit sei, dann sei Arbeit auch Gebet.“ (Keiner kommt zu kurz, Stuttgart o. J., S. 92 f.)

Dann liegt mein Nutzen in dieser schwierigen Situation also nicht dort, wo ich jetzt vielleicht lieber wäre, sondern darin, dass ich das, was ich jeden Tag tue, darbringe für die Menschen, die erkrankt sind, für meinen Mann, für diejenigen, die im Krankenhaus arbeiten ... Dadurch erhält alles einen neuen Sinn und macht viel mehr Freude – eigentlich unvorstellbar in dieser dramatischen Lage. Normale Dinge, die ich oft widerwillig tue, wie Putzen, Waschen, Kochen, mich mit den Kindern zu beschäftigen, sind viel wertvoller als früher. Ich denke an Menschen, die das jetzt vielleicht gerne tun würden, aber es nicht mehr können, weil es ihnen nicht gut geht. Mein ganzes Klagen ist wie weggefegt durch das Bewusstsein, dass ich jetzt, nicht früher einmal oder später irgendwann, sondern jetzt, genau dazu berufen bin.

Dieses neue Bewusstsein meiner selbst kann ich nicht trennen von der Begegnung, die ich gemacht habe. Diese „Begegnung, die ihrer Natur nach mit allem zu tun hat, wird mit der Zeit zur wahren Form aller Beziehungen, zur wahren Form, mit der ich die Natur, mich selbst, die anderen und die Dinge betrachte“, wie uns Don Carrón in seinem Brief an die Fraternität in Erinnerung gerufen hat. Im Moment ist es die „virtuelle“ Gemeinschaft meiner Fraternitätsgruppe (wir machen unsere Treffen per Videoschaltung), die mich dazu aufruft, „stets intensiv das Wirkliche zu leben“.