Don Pigi Bernareggi

Bernareggi: „Gott tut alles, um uns zu erobern“

Am 22. Januar 2021 ist in Belo Horizonte Don Pigi Bernareggi gestorben. Er war einer der ersten Schüler von Don Giussani, die in den 60er-Jahren in die Mission nach Brasilien gingen.

Wir veröffentlichen hier einen Brief, den er im Mai 2020 an Rosetta Brambilla geschrieben hat, eine Freundin, die wie er in den 60er-Jahren aus Italien nach Belo Horizonte gekommen war. Beide waren Schüler von Don Giussani am Liceo Berchet in Mailand gewesen. Rosetta hatte ihm ein paar Fragen gestellt zu den Herausforderungen der letzten Monate.

Wie hilft unser Ja zum Aufbau der Welt?
Wir leben nicht in der Vergangenheit, die ist schon vorbei. Wir leben nicht in der Zukunft, die ist noch nicht da. Wir leben im gegenwärtigen Augenblick, der in einem Wimpernschlag schon wieder vorbei sein wird (wie Sören Kierkegaard sagt). In diesem Augenblick vollzieht sich das Leben und wird die Welt geschaffen.
Und wer baut nun etwas auf in diesem Augenblick? Ist es meine Fähigkeit, meine Genialität, meine Leistung? Nein. Ich bin nicht Herr über das, was in diesem Augenblick geschieht. Denn es „vergeht“ und entzieht sich damit jedem Versuch, es selber in der Hand zu haben. Nur die unendliche Macht Gottes baut etwas auf, nur er schafft alles. Daher sprechen wir von „Geschenk“, von seinem unvorhergesehenen und bewunderungswürdigen „Geschenk“.
Und warum tut der Gott des Lebens und der Welt all dies im gegenwärtigen Augenblick? Um bei uns Staunen, Verwunderung, Kontemplation, Dankbarkeit, Liebe zu wecken, also unsere Gemeinschaft mit ihm, unser Ja.
Daraus wird deutlich, dass unser Ja nicht nur eine Hilfe ist zum Aufbau der Welt. Unser Ja ist der eigentliche Zweck, zu dem die Welt existiert, es ist die Essenz unserer täglichen Erfahrung als Menschen.

Der Brief von Don Pigi

Oft scheint unser tägliches Ja nichts zu bewirken ...
Aus dem gerade Gesagten wird deutlich, dass die Wirkung unserer Beteiligung am schöpferischen Handeln Gottes im gegenwärtigen Augenblick (also unser Ja) wichtig ist, ja sogar entscheidend für die Existenz seines schöpferischen Handelns selbst. In diesem flüchtigen Augenblick unserer Existenz tut Gott alles, um uns zu „erobern“, damit wir staunen, dankbar sind, im Einklang mit ihm. Gott tut alles für uns. Unser Ja ist alles für ihn im gegenwärtigen Augenblick (das heißt in dem Akt, mit dem er uns alles schenkt). Der Nutzen unseres Ja für Gott besteht nicht in dem, was wir tun. Er besteht in unserer Hingabe an ihn, darin, dass wir uns seiner schöpferischen Liebe anvertrauen.
Das Gefühl der Nutzlosigkeit, das manchmal aufsteigt, entsteht nicht dadurch, dass man nichts zu tun hätte oder nur nichtssagende Dinge tut. Es entsteht dadurch, dass man (allein oder in der Gemeinschaft) ohne Staunen, ohne Bewunderung und Dankbarkeit lebt, also ohne das „Gedächtnis“ an sein schöpferisches Handeln in diesem Augenblick, der so schnell vergeht. Das wäre dann ein „weltliches“ Leben, mit tausend Dingen, die man „zu tun hat“, allein oder gemeinsam, aber ohne jedes Staunen.

Nützlich zu sein für Menschen, für die Welt, scheint zu bedeuten, dass man etwas „tut“. Was ist dann in dieser Zeit der Isolation der Nutzen, wenn wir zu Hause sind, in den ganz alltäglichen Aufgaben?
Im negativen Sinne geht es darum, nicht dem Missverständnis zu erliegen, dass „die Welt vor allem durch unser Tun aufgebaut wird“. Denn in Wirklichkeit entsteht die Welt jeden Augenblick neu und unvorhersehbar aus dem schöpferischen Handeln Gottes. Dieser ist in sich schon [trinitarische] Gemeinschaft und lädt uns ein, jeden Augenblick mit unserem Ja zu erfüllen und selbst in diese göttliche Gemeinschaft einzutauchen, als Menschen, die seiner eingedenk sind: Memores Domini.
Im positiven Sinne bedeutet es, alles als unerwartete Gelegenheit zu sehen, das Klima unseres individuellen und unseres gemeinschaftlichen Lebens miteinander in Einklang zu bringen. Wir dürfen uns dabei nicht an Äußerlichkeiten festhalten (so beeindruckend sie manchmal sein mögen), sondern müssen uns stützen auf das tiefste Geheimnis der Gegenwart Gottes in allem und jedem.

Belo Horizonte, 15. Mai 2020