Silvia Simoncini

„Aus Liebe, einer Liebe, die ich immer in mir trug“

Silvia Simoncini ist mit 28 Jahren an Krebs gestorben. Nur gut ein Jahr zuvor hatte sie geheiratet. Die Predigt, die Don Ignacio Carbajosa bei ihrer Beerdigung hielt, lässt erkennen, was das Besondere an Silvia war.
Ignacio Carbajosa

Lieber Matteo, liebe Familie von Silvia, liebe Freunde,

es ist bewegend, wenn man bedenkt, dass wir vor anderthalb Jahren in genau dieser Kirche versammelt waren, um die Hochzeit von Silvia und Matteo zu feiern. Damals wurden dieselben Schrifttexte gelesen, die wir heute gehört haben. Das sagt sehr viel über diese Hochzeit, die du, lieber Matteo, und Silvia im vollen Bewusstsein für die Bedeutung und den Wert des Lebens gefeiert habt, gereift durch den Weg der Krankheit, die ihr damals für überwunden hieltet. Und es sagt viel über diese Exequien aus, die wir heute feiern als Silvias definitive Vermählung mit dem, der sie erschaffen und all die Jahre getragen hat. Ihr habt euch in Christus das Jawort gegeben und heute nehmt ihr Abschied in Christus. Das Bewusstsein, mit dem ihr geheiratet habt, ermöglicht es, diesen Moment anders zu leben, als er zunächst scheint. Die Erinnerung an diese Freude hilft euch, lieber Matteo und liebe Familie von Silvia, auf die Wahrheit dessen zu schauen, was heute geschieht: ihre neue und endgültige Vermählung mit dem himmlischen Bräutigam, zu der wir alle eines Tages gerufen sind.

„Gott hat den Tod nicht gemacht und hat keine Freude am Untergang der Lebenden. Zum Dasein hat er alles geschaffen und heilbringend sind die Geschöpfe der Welt. Kein Gift des Verderbens ist in ihnen, das Reich der Unterwelt hat keine Macht auf der Erde.“ Mit diesem Zitat aus dem Buch der Weisheit (1,13-14), das wir als erste Lesung gehört haben, begann auch meine Predigt bei eurer Hochzeit vor anderthalb Jahren. Und wir haben uns damals gefragt, wie man so etwas behaupten könne, nach der langen Reihe von Toten, die die Pandemie gefordert hatte, und vor allem für euch nach der Erfahrung eines monatelangen Krankenhausaufenthaltes.

Heute könnte mit noch viel größerem Recht jemand hier aus der Bank aufspringen und ausrufen: „Wie kann man so etwas sagen, wenn eine junge Frau von 28 Jahren, erst seit Kurzem verheiratet, an einem Tumor stirbt, der sie so sehr hat leiden lassen?“ Da könnten wir alle, die wir hier sind, nur auf das verweisen, was wir in den letzten Monaten, in den letzten Tagen und Stunden gesehen haben, nämlich das Zeugnis, das Silvia und Matteo ablegten vom Wert jedes Augenblicks und jeder Geste, die sie vollzogen im Horizont der Bestimmung zum Guten. „Unsere Berufung ist die Gegenwart“, habt ihr mir vor zwei Monaten gesagt, wobei ihr schon wusstet, wie es ausgehen würde. Wie hat mich dieses euer Bewusstsein begleitet! „Es ist sinnlos, dass wir in der Zukunft verweilen, bei unseren Plänen. Es ist traurig, sich in die Vergangenheit zu flüchten, in die Erinnerung an andere Zeiten. Nur in der Gegenwart stehen wir in Beziehung zum Geheimnis Gottes, der in Christus Fleisch geworden ist und der wahrhaft unser Leben liebt“, dachte ich mir in den letzten Wochen, eingedenk unserer letzten Begegnung.

Silvia selbst hat vor ein paar Monaten geschrieben: „Das göttliche Geheimnis hat mich durch die Krankheit verstehen lassen, dass ich zu Großem geschaffen bin, und es hat mir ein Herz gegeben, damit ich erkenne, wie ich sie verwirklichen kann, nach seinem Plan und nicht nach meinem. Mein Plan ist begrenzt und hängt von den Umständen ab (der Krankheit, dem Coronavirus, usw.). Sein Plan dagegen vermag alles. Das bezeugen uns Jesus und seine Jünger. Und das Bewusstsein, dass in meinem Leben nicht alles von mir abhängt, erlaubt es mir, auf mein Herz zu setzen und damit auf seinen Plan.“ Die Wahrheit und das Bewusstsein, das in diesen Worten zum Ausdruck kommt, zeigt sich auch in dem, was Silvia ihrem Vater Andrea schrieb nach einem Gespräch mit ihrem Arzt, und in dem schon „von Ferne zu erkennen“, was dann geschehen sollte: „Ich wollte dir sagen, dass ich gelassen bin. Natürlich auch sehr traurig, weil ich merke, dass Jesus mich immer mehr will in einer Weise, die ich mir nie vorgestellt hätte. Aber ich gehöre ihm und deshalb kann ich nicht anders, als ihm zu vertrauen.“

In Tagen wie solchen kann man sich nichts vormachen. Es tritt alles zutage. Es ist eine Zeit des Realismus: Welchen Wert hat der gegenwärtige Augenblick? Welchen Wert hat meine Arbeit, die Liebe zu meiner Frau, meinem Mann, meinen Kindern? Wenn wir Realisten sein wollen, dann müssen wir uns fragen: Wie ist so etwas möglich, wie Silvia und Matteo es uns bezeugt haben und weiter bezeugen? Wer vorhin vielleicht aufspringen und herausschreien wollte, das könne nicht sein, der muss sich mit dem auseinandersetzen, was Silvia selbst und Matteo uns bezeugen, hier und heute. Dann wird der Schmerz zu einer Frage: Wie ist das möglich?

Dieser Kreuzungspunkt zwischen der Natur (mit ihren Widersprüchen, dem Schmerz und der Wut, die sie mit sich bringt) und der Geschichte (dieses Unmöglichen, das möglich wurde, wie Silvia und Matteo uns zeigen) hat einen Namen: Jesus von Nazareth, der vor 2000 Jahren in Bethlehem geboren wurde, der getötet wurde und auferstanden ist und so die Ketten des Todes gesprengt hat für uns alle. Nur, ich wiederhole es, nur im Horizont dieses Menschen, der in die Geschichte eingetreten ist, der unter uns gegenwärtig ist, können wir dem Geheimnis des Todes und des Leides ins Auge sehen. Das bestätigt auch die Frau, von der das Evangelium berichtet, „die schon zwölf Jahre an Blutfluss litt und von vielen Ärzten behandelt worden“ war, „dabei sehr viel zu leiden“ hatte und dann das Gewand Jesu berührte.

Gestern dachte ich an den von euch geliebten Giacomo Leopardi, als ich vor dem Leichnam der wunderschönen Silvia stand, gekleidet wie eine Prinzessin für ihre endgültige Hochzeit. Nur wenige haben den Anstoß der Wirklichkeit, die Natur, die Schönheit der Begegnung mit seiner Silvia und den Schmerz über das Verschwinden ihres geliebten Gesichts durch den Tod so erlebt und besungen wie Leopardi.

„So warst du: in der Erde / Bist Staub du und Gerippe nun. Ob Staub / Und Knochen steht, vergebens aufgerichtet, / In stummer Starrheit, schauend immerfort / Den Flug der Zeit, als Hort / Nur des Gedenkens und des Grams, das Bild / Vergangener Schöne. [...] So wandelt das Geschick, / Was uns das Bild des Himmels auf der Erde / Lebendigst darstellt. Urewiges / Geheimnis unseres Seins.“ (G. Leopardi, Auf das Bildnis einer schönen Frau, gemeißelt in ihr Grabdenkmal)

„Erscheint die Wahrheit nur, / Gehst, schnöde Hoffnung, du: und mit den Händen / Zeigst du von fern den kalten Tod, das Grab, / In dem wir alle enden.“ (G. Leopardi, An Silvia)

Lieber Leopardi, hättest du Matteo, Silvias Ehemann, gesehen, ihre liebe Mama Carla, die die Tochter verloren hat, den starken Papa, Andrea, der angesichts seiner Tochter zum Kind wurde! Hättest du gesehen, wie sie ihre geliebte Silvia ansahen, gekleidet wie eine Prinzessin! Das, was du „Geschick“ nennst, ist das Geheimnis des guten Gottes, das in Jesus sein Gesicht gezeigt hat. Diese schöne Silvia, die du als lebendigstes „Bild des Himmels“ besungen hast, hat sich als solches erwiesen: Matteo kann bezeugen, dass Silvia das mächtigste Zeichen der Liebe Gottes in seinem Leben war. Und jetzt kann er (ist euch klar, dass wir hier über eine völlig andere Welt in dieser Welt sprechen?!) mit letzter und unvorstellbarer Gelassenheit und Freude auf „das Bild vergangener Schönheit“ schauen.

Noch einmal: nur im Horizont dieses Menschen, Jesus von Nazareth, der in die Geschichte eingetreten ist, kann man mit Zuversicht auf das Geheimnis des Todes schauen ... Aber auch auf das Leiden, das Silvia in den letzten Jahren durchlebt hat. Dieses Antlitz Gottes in der Geschichte, Jesus, hat am Kreuz gelitten und alles Leid der Welt auf sich genommen, das physische wie das moralische, einschließlich all unseres Bösen, das, leider, das Böse in die Welt bringt. Doch dieses Leiden war nichts anderes als die Morgenröte seiner Auferstehung, ohne die unser Leben tragisch wäre. Geheimnisvollerweise wollte Jesus Silvia Anteil geben an seinem Kreuz, zum Heil der Welt. Zusammen mit dem Leid hat er ihr durch die Kraft seiner Auferstehung auch eine erstaunliche Fähigkeit verliehen, sich mit ihm zu identifizieren, so dass sie inmitten ihres Leidens für ihn Zeugnis ablegen konnte. So können wir ihr die folgenden Worte von Don Giussani, ihrem Meister des Lebens, in den Mund legen, Worte, die nun sie uns allen sagt:

„Meine Beziehung zu dem Geheimnis, das alle Dinge schafft, zu dem Geheimnis, das Fleisch, Mensch geworden ist, zu Jesus, ist so viel menschlicher, mir gemäßer, unmittelbarer, so viel enger und zärtlicher, so viel unausweichlicher als meine Beziehung zu irgendjemand anderem – sei es Mutter oder Vater, Verlobter oder Ehefrau oder Kinder – und zu allem.“ (L. Giussani, Spuren christlicher Erfahrung in der Geschichte).

Lieber Matteo, liebe Eltern und Geschwister von Silvia, vergesst nie diese Worte, die Silvia heute der ganzen Welt zuruft und die die Möglichkeit eröffnen, wahrhaft, intensiv zu lieben und auf das Angesicht geliebter Menschen, die diese Welt verlassen, zu schauen ohne die Bitterkeit derer, die das nicht kennen. Ändert die Methode nicht. „Aus der Natur kommt die Angst vor dem Tod, aus der Gnade der Mut“, sagt Thomas von Aquin.

Silvia hat eine Fruchtbarkeit entwickelt, die über die elf Kinder, die sie haben wollte, weit hinausging. Schau heute, Silvia, wie viele Kinder dein Ja zu dieser geheimnisvollen Form von Fruchtbarkeit, die Jesus von dir verlangt hat, hervorgebracht hat! Das Hohelied der Liebe aus dem 1. Korintherbrief des heiligen Paulus, das sich Silvia auch für ihre Hochzeit gewünscht hatte, ist heute wieder erklungen als Zeugnis für die Berufung derer, die in der Geschichte dem in Jesus fleischgewordenen Geheimnis begegnet sind, also für die Berufung zur Liebe. In den an ihren Vater gerichteten Worten (die Matteo euch am Ende der Feier ganz vorlesen wird) legt Silvia Zeugnis ab von ihrer Berufung:

„Wenn ich an mein ganzes Leben zurückdenke, wird mir klar, dass ich alles, was ich getan habe, aus Liebe getan habe, einer Liebe, die ich immer in mir trug und die ich anderen schenken musste (auch wenn ich mich dabei manchmal geirrt habe, aber es waren alles Versuche, dieser Aufgabe, die ich in mir spürte, gerecht zu werden). Und wenn ich die Früchte dessen sehe, erkenne ich, dass mein Leben einen Sinn hatte und hat, nämlich diese Liebe zu weiterzugeben.“

Sie hat ihr Leben für Christus hingegeben, den Geliebten ihres Lebens, für den Matteo das mächtige Zeichen war, indem sie diese Liebe anderen weiterschenkte. So wie du, Matteo, dann auf einmal deine Tage damit zubrachtest, in einer ganz anderen Art von Liebe Silvia kleinste Dienste zu leisten. Die Nächstenliebe ist ein untrügliches Zeichen für das Göttliche in dieser Welt.

Lasst uns alle um ein solches Leben und ein solches Sterben beten. Heute ist ein Tag zum Feiern. Ein Hochzeitstag.

Florenz, Santa Maria Novella, 1. März 2023