„Die Grundlage unseres Glaubens ist ein Faktum: Christus ist Auferstanden!“
Predigt von Kardinal Kevin Farrell bei den Exerzitien der Fraternität von CL (Video und Text). Dazu das Video mit der Danksagung von Davide Prosperi und den Schlussworten des Präfekten des Dikasteriums für die Laien, die Familie und das Leben.Liebe Brüder und Schwestern, in dieser Osteroktav leben wir wieder aus der Fülle des Lichts, des Friedens und der Freude, das ausströmt vom Sieg Jesu Christi über den Tod. Das Evangelium, das wir gehört haben, ist dem so genannten „kanonischen Schluss“ des Markusevangeliums entnommen, der in den ältesten Handschriften dieses Evangeliums fehlt, aber einen wichtigen Gehalt hat für unseren Glauben. Das Thema des Unglaubens der Apostel kehrt mehrmals wieder: Sie glauben nicht dem Zeugnis der Maria Magdalena, die ihnen sagt, sie habe Jesus lebend gesehen, sie glauben auch nicht dem Zeugnis von zwei anderen Jüngern, die Jesus begegnet sind, „als sie unterwegs waren und aufs Land gehen wollten“. Schließlich erscheint Jesus ihnen selbst, „als sie bei Tisch waren“ und tadelt „ihren Unglauben und ihre Verstocktheit“.
Dieser hartnäckige, geradezu sture Unglaube der Apostel ist ein wichtiger Aspekt, den uns die neutestamentliche Offenbarung überliefert hat, ohne ihn auszuschalten oder abzumildern. In der Geschichte wurde oft versucht, das christliche Glaubensbekenntnis anzugreifen, indem man behauptete, die Auferstehung Jesu sei ein Mythos, den die Gemeinschaft seiner ersten Jünger erfunden habe, Ergebnis einer kollektiven Überhöhung oder posthumen Verherrlichung des Meisters, wie es bei vielen anderen religiösen Überzeugungen in der Vergangenheit der Fall war.
In Wirklichkeit widerspricht genau dieses überraschende Zeugnis der Evangelien all diesen Hypothesen. Die Gruppe der Jünger Jesu befand sich keineswegs in einem Zustand „kollektiver Hochstimmung“. Im Gegenteil. Die Evangelien berichten, dass sie Angst hatten, verzweifelt und niedergeschlagen waren. Wir finden bei ihnen auch keine leichtgläubige Haltung oder Neigung zu religiösem Mystizismus. Wie wir im heutigen Evangelium gehört haben, schien den Aposteln die Vorstellung, Jesus sei noch am Leben, sogar eindeutig unglaubwürdig. Es fiel ihnen äußerst schwer, sich davon zu überzeugen, dass Jesus den Tod besiegt hatte!
Deshalb ist gerade der Unglaube der Apostel ein starkes Indiz für die Glaubwürdigkeit des Evangeliums. Im Kern unseres Glaubens steht kein Mythos, keine kollektive Illusion, keine Legende, die von einer Gemeinschaft geschaffen worden wäre, um sich zu trösten. Nein! Die Grundlage unseres Glaubens ist ein Faktum: Christus ist auferstanden! Christus hat den Tod wirklich besiegt! Durch seine Auferstehung ist Christus mit seinem heiligen Menschsein in die Dimension Gottes und der Ewigkeit eingetreten! Dieses unerwartete und erstaunliche Ereignis wurde von vielen Augenzeugen bezeugt, wie wir in diesen Tagen in den Berichten über die Erscheinungen des Auferstandenen hören, die uns die Liturgie vorlegt.
Ich bin überzeugt, dass auch ihr den auferstandenen Christus in eurem Leben erfahren habt. Deshalb seid ihr hier, deshalb seid ihr in der Kirche, deshalb versucht ihr als Christen in der heutigen Welt zu leben. Ihr seid dem auferstandenen Christus begegnet in der christlichen Gemeinschaft, die euch sein Wort glaubwürdig überliefert hat: Im Wort der Kirche erkennen wir nämlich die Stimme des lebendigen Christus selbst, die zum tiefsten Grund unseres Herzens spricht. In der christlichen Gemeinschaft habt ihr den auferstandenen Christus erkannt „beim Brechen des Brotes“, wie es den Emmaus-Jüngern geschehen ist. In der christlichen Gemeinschaft seid ihr dem barmherzigen Antlitz des auferstandenen Jesus begegnet, der mit Vergebung auf unsere Sünde, unsere Gleichgültigkeit und unseren Hochmut reagiert hat, wie dem heiligen Paulus auf dem Weg nach Damaskus. In der christlichen Gemeinschaft seid ihr dem auferstandenen Christus begegnet, der uns seinen Heiligen Geist geschenkt hat, welcher in uns zu einer Quelle der Erneuerung, der Wiedergeburt, der Erleuchtung und unendlicher schöpferischer Energie geworden ist, die wir in den Dienst unserer Brüder und Schwestern stellen können, wie die Jünger an Pfingsten.
Liebe Freunde, die christliche Gemeinschaft, in der ihr dem auferstandenen Christus begegnet seid, hat für euch das konkrete Gesicht der Fraternität von Comunione e Liberazione angenommen. Hier seid ihr vielleicht einer „Maria Magdalena“ begegnet, die euch voll Dankbarkeit und Begeisterung von Jesus erzählt hat. Hier seid ihr vielleicht den beiden Jüngern begegnet, die „vom Land zurückkehrten“ und euch begeistert berichteten, sie hätten eine aufwühlende Begegnung gemacht.
Vielleicht habt auch ihr zunächst „ungläubig“ und „verstockt“ reagiert. Aber nach und nach hat euch die heitere Gelassenheit, die Vernünftigkeit im Glauben und die Freude derer, die euch diese Botschaft brachten, überzeugt. Diese Christen waren gewiss, dass es eine gute Bestimmung gibt, die am Ursprung und am Ziel unseres Lebens steht, eine Bestimmung, die zu uns gekommen ist und sich uns offenbart hat. Das hat euch fasziniert. Die Art, wie die, die euch sagten, sie seien Christus begegnet, lebten und miteinander umgingen, ihr leidenschaftlicher Einsatz im Leben, der nichts ausschloss und sich für alles interessierte, all das hat euch überrascht und in euch die Sehnsucht entstehen lassen, auch so zu leben. Ihr dachtet, wenn Christus derjenige ist, der den Menschen hilft, so erfüllt und glücklich und so wahrhaft menschlich zu leben, dann lohnt es sich, dass man ihn annimmt und ihm nachfolgt.
Und in der Tat, als ihr begannt, Jesus zu folgen und in der Gemeinschaft seiner Jünger zu leben, habt ihr einen großen Frieden erfahren, habt ihr mit Erstaunen entdeckt, dass in Christus die Antworten auf eure tiefsten Fragen und Sehnsüchte zu finden waren und dass euer Blick auf das Leben, eure Menschlichkeit, eure Arbeit, eure Freundschaften, eure Fähigkeit zu lieben, eine neue Tiefe und größere „Wahrheit“ bekamen. Das bedeutet in der Tat, dem auferstandenen Christus zu begegnen. Es ist ein Ereignis der Wiedergeburt, der Verwandlung, der inneren und äußeren Aussöhnung.
Bleibt dem Herrn immer dankbar für diese große Gnade und auch für die konkreten „Werkzeuge“, derer er sich bedient hat: die Menschen, das Charisma, die Gemeinschaft. Bewahrt euch auch die Klarsichtigkeit und Freiheit, sie als Werkzeuge zu betrachten für die eigentliche Begegnung, nämlich die mit dem auferstandenen Christus.
Im Bericht des Markusevangeliums haben wir gehört, dass Jesus genau den Jüngern, die so „ungläubig und verstockt“ waren, die Aufgabe anvertraut, „das Evangelium der ganzen Schöpfung“ zu verkünden. Uns allen, auch wenn wir schwach sind und unser Glaube oft schwankt, vertraut Jesus große Aufgaben an. Mich hat eine Passage eines Briefes beeindruckt, den ich vor kurzem zufällig gelesen habe und den Don Giussani 1960 geschrieben hat, als er davon träumte, mit einer Gruppe junger Leute als Missionar nach Brasilien aufzubrechen. Darin schreibt er: „Nicht weniger als die ganze Welt ist der Horizont des Christen. Wer ohne dieses Ideal arbeitet, mag vollkommen ehrlich, asketisch, vielleicht sogar heroisch sein, aber er ist kein echter Christ“ (vgl. Osservatore Romano, 8. März 2023, Beilage „Religio“). Diese Worte von Don Giussani sind wahr! Ebenso wie viele andere seiner Worte, die es noch ganz wertzuschätzen und zu verinnerlichen gilt. Ich lade euch daher ein, die Gesamtheit der Lehre Don Giussanis wieder aufzunehmen, die einen großen Reichtum für die Kirche heute darstellt.
Die Begegnung mit dem auferstandenen Christus erweitert wirklich unseren Horizont und öffnet uns für die „ganze Welt“, indem sie uns die Sehnsucht ins Herz legt, jeden Menschen zu erreichen und allen die Freude der Frohen Botschaft zu überbringen. Verliert auch ihr nie diese universale Perspektive, diesen missionarischen Impuls und diese große Liebe zu allen Menschen, wie Jesus sie seinen Jüngern weist und die Don Giussani immer in sich brennen fühlte.
Diese universale Mission der Kirche wird, auch wenn sie mit Schwung und Enthusiasmus vorangetrieben wird, nie leicht sein. Ja, sie wird auf Widerstand stoßen, wie wir in der ersten Lesung gehört haben. Die Apostelgeschichte bezeugt jedoch, dass Petrus und Johannes angesichts der Verbote, „im Namen Jesu zu verkünden“ und zu heilen, mit großer Offenheit und mit Freimut bekräftigen: „Wir können unmöglich schweigen über das, was wir gesehen und gehört haben.“
Dieses Zeugnis der Apostel ist uns eine große Hilfe. Darin zeigt sich, dass das „Charisma“ des Petrus und der anderen Apostel gerade darin besteht, das Evangelium auch weiter zu verkündigen, auch wenn es von der Welt mit Gleichgültigkeit oder gar Ablehnung aufgenommen wird. Daher werden wir nur, wenn unsere Gemeinschaft mit Petrus und der Kirche stark ist, auch die Kraft haben zu erklären: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ Unsere Verbundenheit mit den Nachfolgern der Apostel garantiert unserer Verkündigung die Kirchlichkeit und die Glaubwürdigkeit. Und sie wird uns helfen, nicht „uns selbst zu verkünden“, sondern Menschen zu sein, die vom Geheimnis ergriffen wurden, die mit Christus auferstanden sind und seinen Sieg über den Tod verkünden. Das ist der kostbare Dienst, den wir Christen zu leisten berufen sind, aus Liebe zu den Menschen unserer Zeit: die Welt für das Geheimnis Gottes offen zu halten und mit unserem Leben das unbestreitbare „Faktum“ der Auferstehung Christi zu verkündigen, mit all dem Licht und all der Hoffnung, die von ihm ausgehen.
Möge die Jungfrau Maria euch auf eurem Weg als Christen und bei der Sendung unterstützen, die der Herr eurer Fraternität und jedem einzelnen von euch anvertraut. Amen.
*Kardinalpräfekt des Dikasteriums für die Laien, die Familie und das Leben