Die Caritativa – eine Öffnung für den Alltag
Im vergangenen Jahr ist bei vielen in der Kölner Gemeinschaft der Wunsch entstanden, wieder mit der Caritativa zu beginnen.Seit einiger Zeit geht eine Gruppe einmal monatlich zu einer Messe, die einer der Kölner Weihbischöfe für Obdachlose feiert, und hilft anschließend beim Servieren des Abendessens und abschließendem Aufräumen.
Zeitgleich haben wir mit der Caritativa in einem Altenheim begonnen. Eine unserer Freundinnen arbeitet dort, und ich gehe schon seit einigen Jahren immer wieder zum Besuch bei verschiedenen alten Menschen, allerdings unregelmäßig und meist alleine. Das Altenheim ist in katholischer Trägerschaft und bis letzten Sommer fanden an Sonn- und Feiertagen dort Heilige Messen statt, die aufgrund verschiedener Umstände auf eine Messe pro Monat plus die Feiertage reduziert wurden. Unsere Freundin schlug vor, einen uns bekannten älteren Pater zu fragen, ob er nicht zusätzlich einmal im Monat dort eine Heilige Messe feiern könnte. Er sagte sofort zu. Für viele Bewohner sind die Messen ein großes Bedürfnis. Wir sind eine kleine Gruppe, die sich dort jetzt sonntags vormittags zur Caritativa trifft, drei Erwachsene und eine Familie. Wir bereiten alles für die Messe vor, holen die Bewohner von den einzelnen Stockwerken, ein Mädchen verteilt die Gesangbücher, eine von uns übernimmt den Lektorendienst, wir versuchen, beim Gesang einigermaßen die Stimmen zu halten, und nach der Messe bringen wir die Bewohner wieder zurück auf ihre Wohneinheiten. Viele sitzen im Rollstuhl oder gehen am Rollator.
Es ist schön zu sehen, wie sehr die alten Menschen sich freuen. Nach Kölsche Art sagte kürzlich eine zu mir: „För mich gehürd de Mess zom Sonndag“. Jedes Mal bei der Kommunion denke ich, es ist der Herr, der zu ihnen kommt, was gibt es Größeres, was brauchen diese Menschen mehr, was brauche ich mehr als Ihn. Wenn ich diese alten Menschen vor mir sehe, mit ihren Gebrechen, ihrer Not, sehe ich auch meine eigene Bedürftigkeit und gehe mit einem viel größeren Bewusstsein zur Kommunion.
Als beim letzten Mal einer unserer Familienväter mit seinen beiden kleinen Kindern nach der Messe eine Bewohnerin nach oben gebracht hatte, schenkte eine Frau den Kindern selbstgestrickte Teddybären, für das Mädchen einen rot-weiß gestreiften (vielleicht ist die alte Dame ein FC-Köln Fan), für den Jungen einen braun-rot-weiß gestreiften. Die Kinder kamen stolz und überfroh mit ihren neuen Teddybären aus dem Aufzug.
Ich ging am Ende nochmals auf die Stockwerke um zu prüfen, ob wir auch niemanden unterwegs verloren hatten, da sah ich durch eine offenstehende Tür einen Mann im Bett liegen. Er war bis vor einigen Wochen regelmäßig zur Messe gekommen. Ich eilte zur Schwester, da ich den Eindruck hatte, der Mann sei gestorben. Aber sie versicherte mir, dass er nur sehr schwach sei. Spontan rannte ich wieder nach unten und fragte den Pater, ob er ihm nicht einen Segen geben könnte. Das tat er auch und der Mann versuchte, sich irgendwie verständlich zu machen. Ich dachte hinterher, dies war vielleicht der wichtigste Moment an diesem Morgen.
Zwei Dinge sind mir bei der Caritativa noch aufgefallen: Es ist ein Unterschied, ob ich alleine zu den Besuchen ins Altenheim gehe (was ich sehr gerne fortsetze) oder ob wir als Gemeinschaft dort hingehen. Ich erlebe eine große Verbundenheit mit den Freunden, jeder tut das Kleine, das er tun kann, ohne Anspruch, die Welt retten zu wollen.
Und ein zweites: Vor einigen Tagen habe ich eine ukrainische Frau mit ihren beiden Kindern zur monatlichen Messe und dem anschließenden Abendessen unserer Kölner Gemeinschaft eingeladen. Sie flüchteten vor einem Jahr mit der Familie aus Kiew. Wenn ich jemanden einlade, habe ich immer den Wunsch, dass etwas Besonderes für die Person geschieht, dass sie etwas Schönes sieht. Als wir dann im Auto zurückfuhren, kam mir plötzlich die Caritativa in den Sinn. Und ich konnte den Anspruch ad acta legen, dass ich etwas stemmen muss, es ist ein Anderer, der sie rettet, genau wie die alten Menschen im Seniorenheim, genau wie mich auch. Ich kann nur in Einfachheit darum bitten.