Lebensende. „Verliert nie die Hoffnung“
Dulce, Fachärztin für Geriatrie und Palliativmedizin an der Johns Hopkins University in Maryland, teilt ihre Erfahrungen angesichts der Beihilfe zur Selbsttötung, die in vielen US-Bundesstaaten zur Debatte stehtIm Januar war ich mit einer Freundin in der Pfarrei Sante Jane de Chantal, um über den Gesetzesentwurf zur Legalisierung des ärztlich assistierten Suizids zu sprechen, über den die Gesetzgeber in Maryland derzeit beraten. Es geht dabei um die ärztliche Verschreibung tödlicher Mittel an Menschen, die sich das Leben nehmen wollen. Diese Praxis unterscheidet sich von der aktiven Sterbehilfe, bei der der Arzt oder die Ärztin selbst dem Patienten das tödliche Mittel verabreicht.
Mich überraschte, wie wenig über das Thema und den Gesetzentwurf bekannt war. Das beunruhigte mich sehr. Denn wenn dieser Vorschlag Gesetz wird, würde er nicht nur meine Patienten betreffen, sondern auch mich. Obwohl ich mich normalerweise nicht gerne in die Politik einmische, schrieb ich deshalb Abgeordnete an und organisierte eine Veranstaltung, um meinen Freunden davon zu berichten und ihnen den Dokumentarfilm Shining the Light on Assisted Suicide [Aufklärung über den assistierten Suizid] von Laura Jones, der Gründerin der Dignity Mandate Stiftung, zu zeigen.
Der Dokumentarfilm berichtet nicht nur die Wahrheit über das geplante Gesetz, sondern zeigt auch die zwingenden menschlichen (nicht religiösen) Argumente auf, die man den Abgeordneten schreiben kann, um sich gegen das Gesetz auszusprechen.
Ich bin Fachärztin für Geriatrie und Palliativmedizin am Johns Hopkins Krankenhaus und betreue in meiner Arbeit Patienten und Familien mit unterschiedlichen Anliegen. Ich möchte euch die Geschichte eines meiner Patienten erzählen, denn sie macht deutlich, warum ich die Beihilfe zur Selbsttötung nicht unterstütze.
Herr Elk ist ein 74-jähriger Afroamerikaner, der allein in Baltimore lebt. Er weigerte sich, sich wegen Prostatakrebs behandeln zu lassen, weil er sterben wollte. Dann nahm ihn sein Sohn zu sich nach Hause und pflegte ihn. Er brachte Herrn Elk in meine Palliativklinik, um ihm bei der Linderung seiner Schmerzen zu helfen, was uns auch gelang. Zu diesem Zeitpunkt wollte Herr Elk leben, weil er nicht mehr allein war. Also versuchte er, die Symptome des Prostatakrebses zu behandeln. Mit der Zeit sah ich, dass Herr Elk und sein Sohn sich näherkamen und einen großen Respekt füreinander entwickelten. Nach zwei Jahren verschlechterte sich der Zustand von Herrn Elk. Als er nicht mehr in die Klinik gehen konnte, übergab ich ihn an den häuslichen Pflegedienst. Er starb zu Hause, von der Zuneigung seiner Familie und der häuslichen Pflege unterstützt. Diese Bindung zwischen Vater und Sohn wäre nicht gewachsen, wenn Herr Elk sich für die Sterbehilfe entschieden hätte.
Es lohnt sich zu fragen: „Warum eine Krankheit und ihr Leiden ertragen?“. Vor dem Hintergrund der Erfahrung mit Herrn Elk lautet meine Antwort, dass die Art und Weise, wie wir mit dem Leid umgehen, unserem Leben und der Welt gut tun kann. Im Fall dieses Mannes war es die Wiederherstellung seiner Beziehung zu seinem Sohn.
Ich habe Kollegen innerhalb und außerhalb der Bewegung, die in Staaten oder Ländern leben, in denen assistierter Suizid oder aktive Sterbehilfe legal sind. Viele von ihnen haben eine Haltung der Niederlage, sind resigniert, oder sie äußern sich offen dagegen. Ein Freund von mir, ein Pro-Life-Aktivist, der mir geholfen hat, dieses Thema mit unseren Freunden der Gemeinschaft zu teilen, sagte uns: „Verliert niemals die Hoffnung“. Ich finde, er hat Recht, denn ich möchte mich nicht auf die Seite derer stellen, die „kämpfen“ oder sich mit den „Resignierten“ identifizieren. Ich möchte auf der Seite der Hoffnung stehen, derjenigen, die ihren Glauben auf Christus setzen; nicht auf das Gesetz oder auf den Gesetzentwurf, sondern auf diese Person, die mich in diesen besonderen geschichtlichen Moment gestellt hat, in dem der Wert des Lebens in Frage gestellt wird, in dem Freiheit und Unabhängigkeit der höchste Wert sind und Abhängigkeit und Tod die Feinde.
Ich frage mich: Was will mir das Geheimnis sagen? Warum hat es mich dazu berufen, in dieser besonderen Zeit und an diesem Ort zu leben? Dieser Dialog ist sehr interessant, und obgleich er keinen meiner Bemühungen gegen den Gesetzentwurf zunichtemacht, gibt er ihnen einen Sinn. Einer meiner Freunde, der an der Debatte teilnahmen, sagte etwas sehr Klärendes: Wir müssen zu Hause damit anfangen, über diese Dinge zu reden und schauen, wie wir mit uns selbst umgehen und uns behandeln. Ich habe das Gefühl, dass das auch auf mich zutrifft, weil ich nicht nur in meiner Familie, sondern auch bei meiner täglichen Arbeit mit diesen Themen zu tun habe. Zuallererst müssen wir selbst verstehen und es dann mit anderen teilen, denn das Leben hat einen Wert und ist wichtig, auch wenn wir leiden.
Jone, Don Giussanis Physiotherapeutin, der am Ende seines Lebens an der Parkinson-Krankheit litt, sagte damals über ihn: „Die Krankheit nahm ihren Lauf, und das am meisten gefürchtete Symptom trat auf: Schmerzen. Damals sagte er: ‚Gott lässt das Leiden zu, damit das Leben mehr Leben ist. Leben ohne Leiden schrumpft, es schließt sich in sich selbst ein‘. [...] Ich war traurig, weil ich nicht wusste, wie ich ihm helfen sollte, aber er sagte mir: ‚Sei nicht traurig, denn das ist auch positiv, ich glaube, es ist der Weg, an Christi Leiden teilzuhaben. Er war auch ein Mensch wie ich‘“.
Abschließend möchte ich sagen, dass ich nicht für ärztlich assistierten Suizid bin, weil ich nicht möchte, dass meine Patienten ihren menschlichen Weg unterbrechen. Wir können diesen Menschen, die leiden, Palliativmedizin anbieten, anstatt sie 90 Pillen schlucken zu lassen, die sie bis zu 104 Stunden lang an Übelkeit leiden lassen. Palliativmedizin ist ein Weg, der Patienten und Familien auf ihrem Weg begleitet, anstatt ihnen den Sinn ihres Lebens zu verweigern.
Ich befürchte, dass die Beihilfe zum Suizid vor allem jungen Menschen die Botschaft vermitteln wird, dass man das Leben nicht ertragen sollte, wenn es Leiden verursacht. Leiden wird als „Todesurteil“ angesehen und nicht als Grund, andere um Hilfe zu bitten. Wenn wir diesen Weg weitergehen, wird der assistierte Suizid schließlich zur Euthanasie von Menschen mit degenerativen Krankheiten und Demenz führen.
Als Fachärztin für Geriatrie und Palliativmedizinerin ist es meine Aufgabe, Patienten zu helfen, so lange wie möglich selbstständig zu bleiben. Zu diesem Zweck gibt es bereits verschiedene häusliche Pflegedienste (etwa geriatrische, palliative, häusliche Gesundheits- oder Hospizpflege). Immer wieder habe ich erlebt, wie die Mühe des Pflegens zu einer Wiederherstellung der Familienbeziehungen geführt hat. Die Tochter einer Patientin sagte mir: „Ich hätte nie gedacht, dass ich so mit meiner Mutter zusammen sein kann. Ich bin dankbar für die Zeit, die ich mit ihr verbracht habe und die es mir ermöglicht hat, viele Dinge wiederzuerlangen“.
Dulce, Bethesda (Maryland-USA)