(Foto Meeting in Rimini)

Meeting 2023. Die Grußworte von Papst Franziskus

Botschaft des Heiligen Vaters, unterzeichnet von Kardinal Parolin, anlässlich des 44. Meetings in Rimini. Davide Prosperi: „Es liegt uns nichts anderes am Herzen, als dies

Aus dem Vatikan, den 29. Juli 2023
An Seine Exzellenz dem Hochwürdigsten
Herrn Bischof von Rimini
Nicolò Anselmi

Hochwürdigster Herr Bischof,
der Heilige Vater betraut Sie auch in diesem Jahr wieder mit Seiner Botschaft an die Organisatoren und Teilnehmer des Meetings für die Freundschaft unter den Völkern. Leider säen Krieg und Spaltungen zu selben Zeit Ressentiments und Angst in die Herzen; und der andere, der sich von mir unterscheidet, wird oft als Rivale wahrgenommen. Durch die globale und allgegenwärtige Kommunikation wird diese weit verbreitete Einstellung zu einer Mentalität, Unterschiede erscheinen als Symptome von Feindseligkeit und es entsteht eine Art Epidemie der Feindschaft.
In diesem Zusammenhang klingt der Titel des Meetings kühn: ‚Die menschliche Existenz ist eine unausschöpfliche Freundschaft‘. Kühn deshalb, weil er in einer von Individualismus und Gleichgültigkeit geprägten Zeit, die Einsamkeit und viele Formen des Wegwerfens hervorbringt, eindeutig gegen den Trend geht.

Es ist eine Situation, aus der man sich nicht aus eigner Kraft befreien kann. Die Menschheit hat das schon immer erfahren: Niemand kann sich selbst retten. Deshalb hat Gott in einem bestimmten Augenblick der Geschichte die Initiative ergriffen: „Er sendet uns seinen Sohn, schenkt ihn, gibt ihn hin, teilt ihn mit uns, damit wir den Weg der Geschwisterlichkeit, den Weg der Hingabe lernen. Es ist ein entschieden neuer Horizont, es ist ein neues Wort für so viele Situationen der Ausschließung, der Spaltung, der Verschlossenheit, der Isolierung. Es ist ein Wort, welches das Schweigen der Einsamkeit durchbricht.“ (Predigt in Asuncion, Paraguay, 12. Juli 2015).

Jesus selbst stellt sich als Freund vor: „Ich nenne euch nicht mehr Knechte, vielmehr habe ich euch Freunde genannt“ (Joh 15:15). Der Geist des auferstandenen Christus durchbricht die Einsamkeit, indem er dem Menschen seine Freundschaft als reine Gnade schenkt. Don Giussani erinnerte daran mit Worten, die den Titel des diesjährigen Meetings vorgaben: „Im Ereignis dieser Gabe ist die menschliche Einsamkeit aufgebrochen. Hier ist die menschliche Erfahrung nicht mehr von einer zermürbenden Ohnmacht bestimmt, sondern vielmehr von einem Bewusstsein und einer kraftvollen Fähigkeit [...]. Die Kraft des Menschen ist ein Anderer, die Gewissheit des Menschen ist ein Anderer: Die Existenz wird zu einem tiefen Dialog und die Einsamkeit ist an den Wurzeln eines jeden Moments im Leben abgeschafft. [...] Die menschliche Existenz ist eine unausschöpfliche Freundschaft“ (Der Weg zur Wahrheit ist eine Erfahrung, St. Ottilien 2006, 90).

In seiner Ansprache an die Jugendlichen hob der Heilige Vater den Wert echter Freundschaft hervor, die das Herz erweitert: „Die treuen Freunde [...] sind ein Wiederschein der Liebe des Herrn, seines Trostes und seiner liebevollen Gegenwart. Freunde zu haben hilft uns, uns zu öffnen, zu verstehen, uns um andere zu kümmern, aus unserer Bequemlichkeit und Isolation herauszugehen, das Leben zu teilen.“ (Christus vivit, 151). Und wir können uns dieser anderen Überlegung von Don Giussani nähern: „Das wahre Wesen der Freundschaft besteht darin, frei gemeinsam für die Bestimmung zu leben. Es kann keine Freundschaft zwischen uns geben, wir können uns nicht Freunde nennen, wenn wir nicht die Bestimmung des anderen über alles lieben, über jeden Gewinn hinaus“ (Attraverso la compagnia dei credenti, Milano 2021, 184).

Die Haltung der Offenheit gegenüber dem anderen als Bruder ist eines der Kennzeichen des Pontifikats von Papst Franziskus, seines Zeugnisses und seines Lehramtes: „Die Liebe zum anderen, drängt uns aufgrund ihrer Natur, das Beste für sein Leben zu wollen. Nur wenn wir diese Art gegenseitiger Bezogenheit entwickeln, wird ein gesellschaftlicher Zusammenhalt möglich sein, der niemanden ausschließt, und eine Geschwisterlichkeit, die für alle offen ist.“ (Enz. Fratelli tutti, 94). Es ist gerade die soziale Freundschaft, die der Papst auch in den dramatischsten Situationen – selbst im Angesicht des Krieges – als einzige Chance empfiehlt, „Wenn dieser freundschaftliche Umgang in der Gesellschaft authentisch ist, ergibt er eine Bedingung der Möglichkeit von wirklicher universaler Offenheit.“ (ebd., 99).

Das Gesetz der Freundschaft wurde von Jesus mit den Worten formuliert: ‚Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.‘ (Joh 15,13). Deshalb bittet der Heilige Vater die Christen und alle Männer und Frauen guten Willens, nicht taub zu bleiben gegenüber dem Schrei, der aus dieser unserer Welt zu Gott emporsteigt. Es reicht nicht, davon zu reden. Stattdessen braucht es „konkrete Vorschläge“ und „gemeinsame Entscheidungen“, die eine Kultur des Friedens aufbauen, an jedem Ort wo wir leben: „uns in der Familie, mit Freunden oder Nachbarn versöhnen; für die beten, die uns verletzt haben; die erkennen und denen helfen, die in Not sind; ein Wort des Friedens in die Schule, die Universität oder das gesellschaftliche Leben hineintragen; jemanden, der sich allein fühlt, mit Nähe salben...“ (Welttreffen für Geschwisterlichkeit unter den Menschen „Not alone“, 10. Juni 2023). Es ist ein Weg, den jeder gehen kann. Und die Kirche wird nicht müde, uns zu ermutigen, ihn zu beschreiten, indem sie fast mit Hartnäckigkeit diese höchste menschliche und christliche Tugend praktiziert.

Liebe Freunde, ist dies nicht vielleicht der Beitrag, den das Meeting für die Freundschaft unter den Völkern in seiner nunmehr über vierzigjährigen Geschichte zu leisten versucht? Ein Ort der Freundschaft zwischen Menschen und Völkern zu sein, der Wege der Begegnung und des Dialogs eröffnet. In dieser unruhigen Stunde der Geschichte ermutigt der Papst Sie, in der Bereitschaft zu einer „unausschöpflichen Freundschaft“ – nicht nachzulassen. Denn gegründet in Christus und auf dem Felsen Petri – ist sie bereit, das Gute zu erfassen, das jeder in das Leben eines jeden einbringen kann, denn „andere Kulturen sind keine Feinde, gegen die man sich verteidigen muss, sondern spiegeln auf verschiedene Weise den unerschöpflichen Reichtum menschlichen Lebens wider.“ (Enz. Fratelli tutti, 147).

Es ist unsere menschliche Erfahrung, die wir mit jedem Menschen teilen, ganz gleich, welcher kulturellen und religiösen Tradition er angehört. Sie ist der Boden, auf dem die Erfahrung der Freundschaft, die die Geschichte aufbaut, verwurzelt werden kann, wie Papst Benedikt XVI. sagte:
„Die Begegnung der Kulturen ist möglich, weil der Mensch, trotz aller Unterschiede in seiner Geschichte und seinen gemeinschaftlichen Schöpfungen, ein in sich identisches und einzigartiges Wesen ist. Dieses einzigartige Wesen, das der Mensch ist, wird in den Tiefen seiner Existenz von der Wahrheit selbst durchdrungen“ (Glaube – Wahrheit – Toleranz: Das Christentum und die Weltreligionen, Herder 2003).

Wie viele Freundschaften sind während des Meetings in den Hallen der Messe von Rimini entstanden! Wie der Heilige Vater sagt, „wahre Freundschaften [...] entstehen, und dann ist es, als ob man sie gepflegt. Bis zu dem Punkt, dass dich die andere Person in mein Leben eintreten lasse“ (Interview mit FM Milenium 106. 7, September 2015). Das ist eine schöne Definition von Freundschaft, die immer mehr praktiziert werden sollte: den anderen in das eigene Leben eintreten lassen.

Papst Franziskus hofft, dass das Meeting für die Freundschaft unter den Völkern weiterhin die Kultur der Begegnung fördert, die für alle offen ist und niemanden ausschließt, denn in jedem spiegelt sich der Vater wider, der „allen das Leben, den Atem und alles gibt“ (Apg 17,25). Möge jeder Teilnehmer ein wenig lernen, auf andere zuzugehen, so wie Jesus, der „immer die Hand ausstreckt, er versucht immer, uns aufzurichten, dafür zu sorgen, dass die Menschen geheilt werden, dass sie glücklich sind, dass sie Gott begegnen.“ (Katechese, 7. August 2019). So dass die Freundschaft in der Gesellschaft und die Freundschaft zwischen den Völkern wächst.

Seine Heiligkeit bittet Sie, Eure Exzellenz, die Organisatoren, die freiwilligen Helfer und alle, die an dem Meeting teilnehmen werden, im Gebet zu gedenken und sendet von Herzen den Apostolischen Segen.

Ich schließe meine persönlichen, besten Wünschen für den Erfolg der Initiative an und nutze die Gelegenheit, mich mit dem Empfinden der Wertschätzung zu empfehlen
Eurer Hochwürdigen Exzellenz
Ihr sehr ergebener
Pietro Card. Parolin Staatssekretär