Das Geheimnis nutzt das Fremde, um anzuziehen
Ein gemeinsamer armenischer Abend mit Freunden in einem Dorf in Luxemburg. Armenische Gerichte, Kunst und Musik, um die "geheimnisvolle Anziehungskraft der Schönheit und der Wahrheit durch das Unbekannte" wiederzuentdecken.Im Haus duftet es unbekannt orientalisch, Hubert brät Leber an für das Tjvjik, Martins neun Laibe Matnakash sind gerade aus dem Ofen, Simons Quittensuppe köchelt nochmals auf und Maria stellt das Lobiov Paschtet in’s Kühle bis später ...
Die ersten Gäste kommen bei uns in Bourglinster (LU) an, jeder trägt ein anderes herzhaftes oder süßes armenisches Gericht auf dem Arm und versucht sich beim Abstellen bemüht an den Namen der Speise zu erinnern und auszusprechen. Ein fremdes armenisches Leben wird sichtbar unter 30 nicht-Armeniern unterschiedlichen Alters, Herkunft und Hintergrund von denen die meisten sich zum ersten Mal begegnen.
Eine alte, etwas eingeschlafene Sympathie für die Armenier hatte mein Mann Simon schon zu Schulzeiten vor 30 Jahren. Sie galt vor allem einem Volk, das mehr als zwei Jahrtausende überdauert hat. „Weil es zu wissen scheint was es ist, und es selbst bleiben will. Vor allem – aber nicht nur – durch die Begegnung mit Christus. Das berührt mich unheimlich. Immer wieder. Und nun ist diese Sympathie durch das Drama um Berg-Karabach wieder aufgeflammt und hat zuerst meine Frau, und dann die jugendlichen Kinder - vielleicht sogar stärker als es bei mir war – angesteckt“, so Simon bei der Begrüßung der Gäste. „Und dann, wie das wunderbar aber doch oft geschieht, hat sich diese Sympathie auch bei den Freunden Maria und Martin wieder anfachen lassen.“
Daraus ist der gemeinsame Vorschlag geworden zu einem armenischen Abend einzuladen, auf den dann kulturelle Beiträge und die armenisch-kulinarischen Mitbringsel Antwort waren.
Ein tiefes Eintauchen in die fremde aber faszinierende Kultur und die in ihrem Schrecken leider allzeit aktuelle Geschichte dieses Volkes. Angereichert wird die beeindruckende Begegnung durch den Beitrag Ludwigs – unseres ältesten Sohnes – über das Leben und Schaffen des Künstlers Martiros Saryan, Martins historisch und geopolitisch profunden Impuls sowie dem Beitrag dreier Jugendlicher über das Leben und ergreifend schönes Erbe von Armeniens „Vater der Musik“ Komitas Vardapet. Wir hörten den Chorgesang „De Yel“ sowie „Al aylughs“ gespielt vom Trio Sergey Khachatryan, Narek Hakhnazaryan und Lusine Khachatryan. Zum Abschluss gab es das Violinenduett eines armenischen Volkstanzes. Unsere Dankbarkeit, und die ausführlichen Danksagungen, die uns in den Tagen danach erreichten, waren Zeichen dieser bereichernden Begegnung.
Eine Musiklehrerin schrieb uns: „Wir sind ganz ergriffen von dieser Sympathie für das armenische Volk. Bis jetzt kannte ich nur Khachaturian. Nach dem Vortrag über die Geschichte seines Landes, die Ihr Freund so leidenschaftlich vorgetragen hat, betrachte ich seine Musik von einem ganz anderen Standpunkt aus.“ Eine andere Person beschrieb es morgens als „Bonus“, dass sie „den außergewöhnlich bereichernden Abend in der Nacht noch einmal nachträumen durfte“. Am meisten habe sie „die Schönheit und Zuneigung einiger Personen beeindruckt.“ Die Inhalte der Vorträge habe ihr einen neuen Blick auf die aktuelle Situation eröffnet. Sie wünsche sich mehr solcher Begegnungen.
Diese dramatische Geschichte des armenischen Volkes weckte in uns auch wieder den Wunsch, andere an dem teilhaben zu lassen, dem wir begegnen durften. So gewann das eigene Herz eine Weite. Dazu trugen natürlich die Musik, die Kunst und das schmackhafte Essen das ihre bei.