Christus und der Sieg des Bösen
Eine drängende Frage stellt sich für uns alle: Warum gewinnt das Böse? Pater Lepori schlägt einen einfachen und kraftvollen christlichen Blick auf das Drama der Welt vor. Wir veröffentlichen hier einen Beitrag von Pater Lepori aus "La nuova Europa"Eine Patina aus skeptischem Pessimismus trübt die traditionelle Freude, mit der wir üblicherweise die Weihnachtsfeiertage erleben. Wie schön und lieblich ist es, den Wechsel von einem Jahr zum anderen in der Gesellschaft glücklicher und dankbarer Hirten und Weisen zu verbringen, die mit Erstaunen entdecken, dass ihr ganzes Leben und ihre ganze Geschichte ihren Sinn und ihre Fülle in der Einfachheit eines Kindes finden - einer unvorstellbaren und bleibenden Theophanie eines Gottes, der seine Liebe nicht mehr verbergen kann!
Aber heute dringt das Böse nicht nur in die Staaten und Völker ein, sondern auch in die Informationen und damit in unser Denken, Reden und Fühlen, sodass es uns immer schwerer fällt, unseren Blick und unsere Herzen zu Horizonten heiterer Gelassenheit zu erheben.
Wir sind konfrontiert mit einem Wiederausbruch und einem scheinbaren Sieg des Bösen an vielen sozialen, politischen und kirchlichen Fronten.
Vielleicht war es schon immer so, aber manchmal hat man den Eindruck, dass der Sieg des Bösen mehr denn je in unsere Herzen eindringt, in das Bewusstsein, das wir von uns selbst und von allem haben; und dass der Sieg des Böses den Glauben, die Hoffnung und damit die Nächstenliebe in unserer Beziehung zu unserem Leben, zu den Anderen und zur Welt an der Wurzel besiegt.
Papst Franziskus spricht von der Weltlichkeit, die wir in uns absorbieren und die das Zeugnis Christi korrumpiert, das wir aufgerufen sind, der Welt anzubieten, damit das Evangelium sie durchdringt, wie eine Salbung des Guten, die langsam bis zum Kern des Menschlichen vordringt. Christus bedeutet in der Tat „Gesalbter“, gesalbt als König und Messias, vom Vater gesandt, um die Mission des Guten zu erfüllen, die das Böse in der Welt verwandelt, ausgehend von der Erlösung und dem Trost derer, die es erleiden. Im Lukasevangelium beginnt Jesus sein Wirken in Nazareth und identifiziert sich mit der von Jesaja prophezeiten messianischen Verkündigung: « Der Geist GOTTES, des Herrn, ruht auf mir. Denn der HERR hat mich gesalbt; er hat mich gesandt, um den Armen frohe Botschaft zu bringen, um die zu heilen, die gebrochenen Herzens sind, um den Gefangenen Freilassung auszurufen und den Gefesselten Befreiung, um ein Gnadenjahr des HERRN auszurufen, einen Tag der Vergeltung für unseren Gott, um alle Trauernden zu trösten, […] Dann bauen sie die uralten Trümmerstätten wieder auf / und richten die Ruinen der Vorfahren wieder her. Die verödeten Städte erbauen sie neu, / die Ruinen vergangener Generationen». (Jes 61,1-4; vgl. Lk 4,18-19).
Schon zu Beginn seines öffentlichen Wirkens verkündet Jesus also eine grundlegende Wahrheit über das Reich Gottes, um deren Annahme wir alle seit zweitausend Jahren ringen.
Der Messias kommt nicht so sehr, um das Böse zu verhindern, sondern vielmehr um es zu erlösen, er kommt nicht, um den Untergang abzuwenden, sondern um wieder aufzubauen, er kommt nicht, um den Fall aufzuhalten, sondern um aufzurichten, er kommt nicht, um die Wunde zu verhindern, sondern um sie zu heilen, er macht den Schmerz, die Tränen, die Verzweiflung nicht ungeschehen: Er kommt, um zu trösten.
Christus ist also nicht gekommen, um die Sünde auszulöschen, sondern um sie zu vergeben.
Jesus wurde nämlich nicht inkarniert, bevor Adam und Eva sündigten oder bevor Kain Abel tötete, um die Entscheidung für das Böse zu verhindern, die unsere Freiheit treffen konnte. Das Böse, die Schlange, die Lüge, der Hass, hatte bereits nicht nur die menschliche Schwäche besiegt, sondern auch das bedingungslose Angebot der Liebe Gottes, das totale Vertrauen, das Gott seinem Geschöpf entgegenbrachte, indem er ihm die Freiheit schenkte.
Christus wendet den Sieg des Bösen nicht ab: Er heilt ihn, er erlöst ihn, und das ist sein Ostersieg, der Sieg der Barmherzigkeit Gottes. Christus überwindet nicht nur das Böse, er ringt ihm den Sieg ab.
Diese christliche Perspektive bei der Betrachtung jedes Sieges des Bösen in uns und in der Welt, die die Perspektive des Glaubens ist, öffnet unsere Augen für die wahre Natur des Sieges des Guten über das Böse, den der Erlöser errungen hat.
Der Sieg des Bösen ist niemals endgültig, denn gerade dort, wo das Böse bereits gesiegt hat, kommt Christus, um alles neu zu machen (vgl. Offb 21,5). Das Böse, das getan oder erlitten wurde, kann alles ruiniert und vergeudet haben, wie es dem verlorenen Sohn widerfuhr, aber die Umarmung des Vaters, d.h. Christus, erneuert sofort sein Leben, sein Herz, seine Berufung als Sohn und Bruder (vgl. Lk 15,20-24).
Aber mehr noch: Man kann sich bis zum letzten Augenblick des Lebens vom Bösen besiegen lassen, wie der reumütige Dieb; doch durch die Begegnung mit Christus, indem er sich von seinem Blick umarmen lässt, findet sich dieser Verbrecher sofort aufgenommen und erlöst vom Sieg des gekreuzigten Königs (vgl. Lk 23,39-43).
Wir schauen auf die Welt und auch auf unser Leben wie Heiden, als Menschen, die Jesus Christus nicht kennengelernt haben. Werden wir uns bewusst, dass wir uns schon in unserem täglichen Leben nicht vertrauensvoll dem Sieg des Erlösers hingeben, vielleicht weil wir unterschwellig meinen, ihn nicht zu brauchen. Wir sind wie die Juden, die aus Christus einen König machen wollten, der das Böse verhindert, anstatt ihn als den guten Hirten zu begrüßen, der uns immer zu neuen Weiden und Quellen führen kann, oder als den Arzt, der immer zu versorgen weiß, , der all unsere Wunden und Infektionen heilen kann.
In diesem Licht müssen wir vielleicht erkennen, dass auch unser Gebet, unsere Bitte um Rettung für uns selbst und für die zerstörte Welt, noch nicht vollständig durch den Glauben, das heißt durch das Osterereignis Christi, bestimmt ist. Wir sollen nicht nur darum bitten, dass wir nicht sterben, dass wir überleben; wir sollen nicht nur darum bitten, dass nichts Schlechtes, nichts Negatives geschieht: Wir sollen um die Auferstehung bitten können, um die Erneuerung des Lebens und all dessen, was den Sieg des Todes überwindet, was den Sieg der Sünde überwindet, das heißt, den Sieg des Bösen in uns und damit in der Welt.
Was bedeutet das? Es bedeutet, dass auf den Sieg des Bösen vor unseren Augen zu blicken ohne Hoffnung auf die Kraft der Erlösung, Versöhnung und Erneuerung durch Christus, den Herrn, eine Haltung ist, die unseren grundlegenden Mangel an Glauben zeigt.
Beten mit Glauben bedeutet nicht in erster Linie beten mit der Gewissheit dessen, was geschehen kann, sondern mit der Gewissheit dessen, was bereits geschehen ist und jetzt in dem auferstandenen Christus und Erlöser geschieht, der jeden Tag bis zum Ende der Welt bei uns ist (vgl. Mt 28,20).
Dies ist das Gebet von Maria, als sie Jesus in Kana das menschliche Elend, das sie sieht, vor Augen führt: „Sie haben keinen Wein mehr“ (Joh 2,3). Jesus erwidert ihr tatsächlich, dass seine Stunde noch nicht gekommen sei! Gibt es denn eine andere Stunde der Erlösung durch Christus als den Augenblick seiner Gegenwart? In ihm ist alles gegenwärtig, die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. Wenn dem nicht so wäre, wie könnte die Jungfrau vor seinem Tod am Kreuz unbefleckt sein? Maria ist von dem Wissen durchdrungen, dass alles in dem gegenwärtigen Jesus gerettet und erlöst ist und dass alles von seiner ewigen Liebe, die in der Zeit brennt, erbeten und empfangen werden kann.
Wenn etwas Schlimmes geschieht, wie zum Beispiel ein Krieg, berechnen wir den Einfluss des Bösen auf die Menschheit und die Geschichte, und so projizieren wir das Böse in die Zukunft, wie schwarze Wolken, die sich auf den Horizont zubewegen und ihn verdecken. Der Glaube hingegen bleibt nicht stehen, um auf den Einfluss des Bösen zu starren, sondern sieht und verlangt in jeder Zeit, in jedem Umstand und in jeder Person das Strahlen der Gabe Christi, des Messias, der alle Sünden erlöst, der jedes zerbrochene Herz tröstet und all unsere Trümmer wieder aufbaut.
©La nuova Europa, 11.1.2024