HEILIGE UND VÄTER: HEILIGSPRECHUNG VON ZWEI PÄPSTEN

Das hat es in der Geschichte noch nicht gegeben: Am 27. April werden gleich zwei Päpste heiliggesprochen, Roncalli und Wojtyla. Ihre Pontifikate haben die Kirche und die Welt verändert und das Leben von Millionen Menschen beeinflusst.
Wlodzimierz Redzioch

Mitarbeiter und Freunde berichten hier über JOHANNES PAUL II. und JOHANNES XXIII. Wir veröffentlichen Ausschnitte aus dem soeben erschienenen Buch des polnischen Vatikanjournalisten Wlodzimierz Redzioch* Darin berichten enge Freunde und Mitarbeiter über die 27 Jahre seines Pontifikats von 1978 bis 2005.

BENEDIKT XVI.
Emeritierter Papst

Besonders wichtig war natürlich seine intensive Beziehung zu Gott, sein stetiges Eingetaucht-Sein in die Gemeinschaft mit dem Herrn. Daraus resultierte auch seine Heiterkeit, selbst in den großen Mühen, die er zu bestehen hatte, und der Mut, mit dem er seine Aufgabe in einer wirklich schweren Zeit wahrnahm.

Johannes Paul II. suchte keinen Beifall und sorgte sich nicht darum, ob seine Entscheidungen auf Wohlwollen stießen oder nicht. Er handelte gemäß seinem Glauben und seinen Überzeugungen und war bereit, dafür auch Kritik einzustecken. Der Mut zur Wahrheit ist in meinen Augen ein ganz wichtiges Kriterium für die Heiligkeit.

Nur aus seiner Beziehung zu Gott ist auch sein unermüdliches pastorales Engagement zu verstehen. Er hat sich mit einer Radikalität hingegeben, die sonst nicht zu erklären wäre. Sein Einsatz war wahrlich unermüdlich, nicht nur bei seinen großen Reisen, deren Terminkalender von Anfang bis Ende dicht mit Treffen gefüllt war, sondern auch Tag für Tag, von der heiligen Messe am Morgen bis spät in die Nacht.

Bei seinem ersten Besuch in Deutschland 1980 habe ich diesen ungeheuren Einsatz zum ersten Mal ganz konkret erlebt. So habe ich für seinen Aufenthalt in München entschieden, dass er eine längere Mittagspause haben müsse. In dieser Pause rief er mich in sein Zimmer. Ich fand ihn beim Beten des Stundengebets und sagte ihm: „Heiliger Vater, Sie sollten sich doch ausruhen.“ Darauf entgegnete er: „Das kann ich im Himmel tun.“ Nur wer zutiefst erfüllt ist von der Dringlichkeit seiner Sendung, kann so handeln.

Dann muss ich aber auch seine außerordentliche Güte und Nachsicht rühmen. Er hätte gewiss oft Grund gehabt, mich zu rügen oder meinen Auftrag als Präfekt zu beenden. Aber er stand mit einer ganz unbegreiflichen Treue und Güte zu mir. [...]

Johannes Paul II. und der damalige Kardinal Joseph Ratzinger, 1996.

Meine Erinnerung an Johannes Paul II. ist von Dankbarkeit erfüllt. Ich konnte und durfte nicht versuchen, ihn nachzuahmen, aber ich habe versucht, sein Erbe und seinen Auftrag, so gut ich konnte, weiterzutragen. Und so bin ich ganz sicher, dass seine Güte mich auch heute begleitet und sein Segen mich beschützt.

MERY KABONGO
Erzbischof, ehemaliger Privatsekretär

Er ist ein Vorbild, wie man die Barmherzigkeit leben kann. Er ging alle Probleme, auch die kompliziertesten, im Geiste der Barmherzigkeit Gottes an.

In einem seiner Gleichnisse erzählt Jesus von dem König, der ein Hochzeitsbankett für seinen Sohn ausrichtet, zu dem aber keiner kommt ... Also schickt er seine Diener aus, um die Leute von der Straße zu dem Fest einzuladen ... Der Vater im Himmel hat seit Anbeginn der Zeiten ein Festmahl für uns vorbereitet, weil er unser Glück will. Johannes Paul II. war wie ein Diener dieses Königs, der auf die Straßen der Welt ging, um alle an Gottes Tafel zu laden. Doch wir dürfen nicht vergessen, dass nur der teilnehmen darf, der ein „Festgewand“ trägt ... Und der Papst erklärte mit seinem Leben, dass dieses Kleid aus nichts anderem besteht als aus Liebe.

MIECZYSLAW MOKRZYCKI
Erzbischof von Lemberg, ehemaliger Privatsekretär

Ich denke, dass er menschlich sehr gelitten hat, dass er aber andererseits einen sehr starken Glauben hatte und grenzenloses Vertrauen in den Herrn. Er legte alle Probleme und Sorgen, ob es nun große oder kleine waren, im Gebet in die Hände des himmlischen Vaters. Er vertraute Gott und war überzeugt, dass dieser die beste Lösung für alles finden würde.

Als Vikar Christi schmerzten ihn die Versuche, die Kirche an den Rand zu drängen, und die Angriffe auf die christliche Moral, weil er überzeugt war, dass man den Menschen kein besseres Leben bieten könne als das, was Jesus im Evangelium vorschlägt.

Doch bleiben wir beim Thema Vertrauen: Mich beeindruckte sein großes Vertrauen darauf, dass sich die Wahrheit immer ihren Weg bahnen und am Ende siegen würde. Denn wenn der Mensch die Wahrheit nicht anerkennt, negiert er sich selbst und liefert sich dem Absurden aus. Dieses Festhalten an der Wahrheit, diese Verständnis des Lebens im Lichte der Wahrheit, die Überzeugung, dass seine Aufgabe (wie bei Jesus) darin bestehe, Zeugnis für die Wahrheit abzulegen, war die Perspektive, aus der heraus er allen Lebensumständen begegnete.

STANISŁAW GRYGIEL
Philosoph

Johannes Paul II. hat nie jemanden verurteilt, sondern immer den Glauben der Kirche bekannt und darauf gewartet, dass alle zur Reife gelangten, einschließlich seiner selbst. Für Wojtyla war die Freiheit des Menschen res sacra, etwas Heiliges. Diese Einstellung hatte er, weil er die Besetzung Polens durch die Deutschen und später durch die Russen selbst erlitten hatte [...]. Er wollte den Menschen nicht Texte übergeben, sondern er handelte in allem so, dass sein Leben selbst zum Wort wurde. So wie Gott ihn für die anderen hatte haben wollen, indem er ihn zum Hirten bestellte. Ich denke, die Seelsorge erstickt heutzutage oft unter dem Papierkram. Hirte zu sein, bedeutet aber, „auf die Weide zu gehen“, also bei der Herde zu sein. Christus selbst hat ja kein einziges Wort geschrieben. Er ist vielmehr ein lebender Hirtenbrief, der uns vom lebendigen Gott gesandt ist. Er, und nicht irgendein Schriftstück von ihm, bleibt bei uns. Gott schickt dem lebendigen Menschen lebendige Menschen. Er ist kein Gott der Toten (vgl. Mt 22,32). [...]

Johannes Paul betrachtete die Kirche als eine große Ur-Bewegung. Schon in Polen hatte er einige Bewegungen kennengelernt. Sie kamen heimlich aus dem Westen zu uns hinüber, besonders Comunione e Liberazione, Notre Dame de Vie und die Fokolare. Der Erzbischof von Krakau unterhielt enge Beziehungen zu ihnen. Ich kann mich noch besonders gut an Don Francesco Ricci aus Forlì erinnern, einen Schüler von Luigi Giussani. Drei Jahre nach dessen Tod sagte mir Johannes Paul II.: „Ich bete jeden Tag in der heiligen Messe für Don Francesco Ricci.“ Kardinal Wojtyla war der Meinung, jede Pfarrei solle eine Bewegung sein, sonst wäre sie keine lebendige Pfarrei. Für ihn war jede Gruppe von Menschen, die sich zu einer von einem Priester gefeierten Eucharistie zusammenfand, eine Bewegung. Ohne die Gegenwart der Eucharistie wären die Bewegungen nichts anderes als politische Parteien.

PAVEŁ PTASZNIK
Ehemaliger Leiter der polnischen Sektion im vatikanischen Staatssekretariat

Das Gebet war der Antrieb seiner Existenz. Er betete ununterbrochen, wo immer er sich befand. Vor allem pflegte er die traditionellen täglichen Gebete wie das Stundengebet, den Rosenkranz, Anbetung und Meditation. Darüber hinaus hielt er jeden Donnerstag die sogenannte „heilige Stunde“ (eine Stunde Anbetung vor dem Allerheiligsten), und jeden Freitag betete er den Kreuzweg. Da er dies auch bei seinen apostolischen Reisen so hielt, mussten die Organisatoren dem immer Rechnung tragen.

KARDINAL CAMILLO RUINI
Ehemaliger Kardinalvikar der Diözese Rom und Präsident der italienischen Bischofskonferenz

Man kann von jemandem sagen, er sei ein „Mann Gottes“, wenn Gott der Herr dieses Menschen ist, wenn er ihn in Besitz genommen, ihn sich zu eigen gemacht hat. Karol Wojtyla war ein „Mann Gottes“, denn Gott stand im Zentrum seines Lebens. Es spricht für sich, dass der Papst die heilige Messe als den Angelpunkt seines täglichen Lebens bezeichnete. Das sagt viel über seine Beziehung zu Gott. Auf der großen internationalen Bühne war es beeindruckend zu sehen, wie er die Geschichte immer aus der Perspektive Gottes betrachtete. (Man denke nur an die Enzyklika Centesimus annus.) Doch auch bei einfachen und alltäglichen Dingen ging er immer von diesem Standpunkt aus. Beten und Handeln waren für ihn eng miteinander verbunden. Er war ein Mann, der im Angesicht Gottes lebte und handelte und immer versuchte, Gottes Willen zu erkennen. [...]



Wenn wir einen tieferen Schlüssel für sein Pontifikat finden wollen, müssen wir auf seine Beziehung zu Gott verweisen und auf die Art und Weise, wie er diese in seine pastorale Sendung und seinen Einfluss auf die Geschichte umsetzte. Er hatte die feste Überzeugung, dass die Säkularisierung keine fatale und irreversible Tatsache sei, dass die Welt und die Geschichte sich nicht unbedingt weiter von ihrem Schöpfer entfernen würden. Schon als ich ihn kennenlernte, 1984, war er fest davon überzeugt, dass die Welt den Spieß irgendwie wieder umdrehen würde, dass der Scheitelpunkt der Säkularisierung schon überschritten sei. Seinem Ruf „Fürchtet euch nicht!“ lag bereits diese Überzeugung zugrunde.

* (eigene Übersetzung aus dem Italienischen, da die deutsche Übersetzung später veröffentlicht wurde): Wlodzimierz Redzioch, Johannes Paul II. Begegnung mit einem Heiligen, Katholisches Bibelwerk Juli 2014.