Seligsprechung von Kardinal Óscar Romero
Er wurde erschossen, als er die Messe las. Am 24. Mai wurde Bischof Óscar Romero seliggesprochen. Papst Franziskus hat ihn zum Märtyrer erklärt und bestätigt, dass er für den Glauben gestorben ist, als er sein unterdrücktes Volk verteidigte. „Warum wurde er getötet? Das ist als frage man, warum Jesus Christus getötet wurde.“
Er starb als Märtyrer. Aus Hass auf den Glauben wurde er am 24. März 1980 am Altar erschossen. Doch viele, zu viele Jahre lang wurde er auch in Rom mit Argwohn betrachtet und ideologisch instrumentalisiert. In Wirklichkeit war Óscar Arnulfo Romero ein Bischof, der nie die Pflichten seines Hirtenamtes vernachlässigte, wohlwissend, welchen Risiken er sich damit aussetzte. Dank seines unerschrockenen Zeugnisses in einer Zeit, in der es auch in der kirchlichen Hierarchie Leute gab, die die repressive Gewalt des salvadorianischen Regimes und die Tötung von Campesinos kleinredeten, haben viele arme und verfolgte Frauen und Männer ihren Glauben bewahrt. Er war das Gesicht einer Kirche, die zu Eintracht aufruft und Gewalt verurteilt, die auf der Seite der Unterdrückten, und nicht der Unterdrücker, steht. Deshalb wollte der Papst, dass er seliggesprochen wird. Am 24. Mai fand die Zeremonie in seiner Bischofsstadt San Salvador bei strahlendem Sonnenschein statt. Ein wichtiges, und lange erwartetes, Zeichen für Lateinamerika und die ganze Kirche.
Kardinal Angelo Amato, der Präfekt der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse, zelebrierte die Messe vor fast 30.000 Menschen. Papst Franziskus hatte dem derzeitigen Erzbischof von San Salvador einen Brief gesandt, in dem es heißt, die Seligsprechung sei „Anlass großer Freude für die Salvadorianer und für uns, die wir vom Vorbild der besten Kinder der Kirche profitieren“. „In schwierigen Zeiten hat Bischof Romero es verstanden, seine Herde zu führen, zu verteidigen und zu schützen“, und sich dabei immer „durch besondere Aufmerksamkeit für die Armen und Ausgegrenzten“ ausgezeichnet, bis er im Moment seines gewaltsamen Todes „vollends Dem ähnlich wurde, der Sein Leben für Seine Schafe hingegeben hat“. „Danken wir Gott, dass Er dem Märtyrerbischof die Fähigkeit gegeben hat, das Leiden seines Volkes zu sehen und zu hören, und sein Herz so geformt hat, dass er dieses Volk in Seinem Namen lenkte und erleuchtete“, schreibt Papst Franziskus, und unterstreicht dabei, dass Romero „uns zum gesunden Menschenverstand und zum Nachdenken einlädt, zur Ehrfurcht vor dem Leben und zur Eintracht“, dazu, „auf ‚die Gewalt des Schwertes und des Hasses‘ zu verzichten und ‚die Gewalt der Liebe zu leben, derentwegen Christus sich hat ans Kreuz schlagen lassen, und die jeder sich selbst antun soll, um seine Egoismen zu besiegen und damit es nicht solch grausame Ungleichheiten unter uns gebe‘“.
KRITISCHE STELLUNGNAHMEN. Am 15. August 1917 als zweites von acht Kindern einer einfachen Familie geboren, wurde er nach seinem Eintritt ins Priesterseminar von den Oberen nach Rom geschickt, wo er von 1937 bis 1942 an der Päpstlichen Universität Gregoriana studierte. Nach einigen Jahren als Pfarrer wurde er 1970 zum Weihbischof von San Salvador ernannt. Bereits 1968 hatte er an der Generalkonferenz des Lateinamerikanischen Bischofsrates in Medellín teilgenommen. 1974 wurde er Bischof von Santiago de María in einer der ärmsten Regionen des Landes. Hier stand Romero deutlich vor Augen, wie hart das Leben der Landbevölkerung war und wie sehr sie unter den Repressionen durch das Militär und die Großgrundbesitzer zu leiden hatte.
Als Óscar Romero 1977 Erzbischof von San Salvador wurde, schlug er das Angebot zum Bau eines Erzbischöflichen Palais aus und entschied sich, in einem kleinen Zimmer im Hospital Divina Providencia zu wohnen, in dem unheilbar Kranke gepflegt wurden. Einen Monat nach seinem Amtsantritt wurde sein Freund und Mitarbeiter, der Jesuitenpater Rutilio Grande, ermordet. Von da ab begann er, öffentlich gegen die Unterdrückung des Volkes Stellung zu beziehen. In jenen Jahren entweihte das Militär unter der Ägide der herrschenden Partei Kirchen und tötete Gläubige. Romero bat im Namen Gottes inständig, der Unterdrückung ein Ende zu setzen. Die regimetreue Presse konterte mit den Worten des neuen Papstes Johannes Paul II.: „Wehe den Priestern, die in der Kirche Politik machen, denn die Kirche gehört allen.“ Den Oligarchen an der Macht und ihrer verlängerten Hand, den Todesschwadronen, kam es gerade recht, einen Gegensatz zwischen dem polnischen Papst und dem mutigen Bischof zu konstruieren. Sie hielten ihm vor, er „mache Politik“, obwohl er nur die Wehrlosen in Schutz nahm.
„Der Glaube an Jesus Christus schafft, wenn er richtig verstanden und angenommen wird bis zu seinen äußersten Konsequenzen, Gemeinschaften, die Frieden stiften und Solidarität. Dazu ist heute die Kirche berufen.“ (Papst Franziskus)
Die Seligsprechung Romeros ist mit dem Fall einer Mauer verglichen worden. Die Kirche hat schon viele Opfer totalitärer kommunistischer oder faschistischer Regime heiliggesprochen. Aber die Feier in San Salvador, die den Weg zur Anerkennung des Martyriums vieler weiterer Priester und Laien bereiten könnte, warf ein Licht auf die Verfolgung, die die lateinamerikanische Kirche in den siebziger und achtziger Jahren erleiden musste. In diesem Fall waren die Verfolger Menschen, die sich selber zum Katholizismus bekannten und in einigen mutigen Priestern eine Gefahr für ihre eigene Macht sahen. Dabei taten diese Bischöfe, Priester und Katecheten, denen vorgeworfen wurde, sie „machten Politik“ und seien „Marxisten“, nichts anderes, als Ungerechtigkeit anzuprangern, Unterdrückte zu verteidigen und die „Option für die Armen“ in die Tat umzusetzen.
DIE LETZTE PREDIGT. „Warum wurde Romero ermordet?“, fragte Bischof Gregorio Rosa Chávez, einer seiner engsten Mitarbeiter, an dessen 20. Todestag. „Das ist ein bisschen so, als frage man, warum sie Jesus Christus umgebracht haben.“ Wenn man die letzten Sätze des neuen Seligen liest, aus seiner Predigt in der Messe, bei der er getötet wurde, könnte man fast den Eindruck bekommen, er wünsche sich, „zu sterben, wenn ich zum Altar gehe, um Brot und Wein darzubringen“. „Ein Bild, in dessen Licht man sein ganzes Leben und seinen Tod lesen kann. Er lebte und starb als Priester, als guter Hirte, er liebte Christus und sein Volk.“
„El Salvador“, schrieb Romero in einem Brief, „ist ein kleines, notleidendes und fleißiges Land. Hier erleben wir große Gegensätze im sozialen Bereich, wirtschaftliche, politische und kulturelle Ausgrenzung, und so weiter. Mit einem Wort: Ungerechtigkeit. Die Kirche kann angesichts solchen Elends nicht schweigen, weil sie damit das Evangelium verraten und zur Komplizin derjenigen würde, die die Menschenrechte mit Füßen treten. Dies war der Grund für die Verfolgung der Kirche: ihre Treue zum Evangelium.“
Die Entscheidung von Papst Franziskus anzuerkennen, dass dieser Mord vor dem Altar „aus Hass auf den Glauben“ geschah, stellt den Abschluss eines keineswegs leichten Seligsprechungsprozesses dar, der fast zwanzig Jahre lang immer wieder ins Stocken geriet und sogar Gefahr lief, eingestellt zu werden. Um zu verstehen, wie kontrovers der Fall Romero im Vatikan war, braucht man nur daran zu erinnern, dass Papst Benedikt XVI. 2007 bei seiner ersten Lateinamerikareise auf dem Flug nach Brasilien eine Frage zum Seligsprechungsprozess für den getöteten Bischof gestellt wurde. In seiner Antwort verteidigte er Romero und beschrieb ihn als einen „großen Glaubenszeugen“ und „Mann von großer christlicher Tugend“, der einen „wahrhaft ‚glaubwürdigen‘ Tod“ gestorben sei. Damit hatte er eigentlich deutlich gemacht, dass Romero der Seligsprechung würdig sei. Trotzdem wurden diese Worte des Papstes vor laufenden Kameras und eingeschalteten Mikrophonen in den offiziellen vatikanischen Versionen des Interviews zunächst nicht wiedergegeben.
„Danken wir Gott, dass Er dem Märtyrerbischof die Fähigkeit gegeben hat, das Leiden seines Volkes zu sehen und zu hören, und sein Herz so geformt hat, dass er dieses Volk in Seinem Namen lenkte und erleuchtete, so dass sein Handeln zu einer vollkommenen Übung christlicher Liebe wurde.“ (Papst Franziskus)
„Viele Jahre lang“, schrieb Romero im Oktober 1977, kurz nachdem er seinen Dienst als Erzbischof von San Salvador angetreten hatte, „waren wir Priester und Bischöfe dafür verantwortlich, dass viele Menschen in der Kirche eine Verbündete der Mächtigen in Wirtschaft und Politik sahen, die damit beitrug zur Ausprägung dieser Gesellschaft voller Ungerechtigkeiten, in der wir leben.“ Wenige Monate vor seinem Tod antwortete er einem Journalisten, der ihn nach seiner Bekehrung vom „Priester im Talar“ mit eher konservativen Vorstellungen zu einem kämpferischen Hirten fragte: „Meine einzige Bekehrung ist die zu Jesus Christus, mein ganzes Leben lang.“ Dass das stimmt, hat die Kirche jetzt mit der Seligsprechung besiegelt.