DON BOSCO

Ein Leben für junge Menschen. Jugendzentren, Schulen, Pfarreien ... Über 2.000 Werke haben die Salesianer Don Boscos in 132 Ländern aufgebaut.

Was bedeutet es heute, Jugendliche zu „rechtschaffenen Bürgern und guten Christen“ zu erziehen? Zum 200. Geburtstag des Gründers haben wir mit dem heutigen Generaloberen der Salesianer, Pater Ángel Fernández Artime, über das Charisma des Ordens gesprochen.

„Er kann nicht einmal das Kreuzzeichen machen. Man muss sofort etwas tun für diese armen Jugendlichen. Sie müssen Gott begegnen, damit sie ihre Würde entdecken und verwirklichen können.“ Das dachte Don Giovanni Bosco, als er dem in Lumpen gehüllten jungen Mann nachschaute, den er gerade kennengelernt hatte. Es war 1841. Aus dieser ersten Begegnung in der Kirche San Francesco in Turin ist ein riesiges Werk entstanden.

Der damals sechsundzwanzigjährige Don Bosco, dessen 200. Geburtstag am 16. August 2015 gefeiert wird, hätte sich nie vorstellen können, was der Heilige Geist durch ihn wirken würde. In 132 Ländern, von Nepal bis Patagonien, haben die Salesianer in den letzten 150 Jahren fast 3.000 Einrichtungen gegründet, darunter Schulen, Jugendzentren, Lehrwerkstätten und vieles mehr.

„Wo wir hingehen, antworten wir auf die Bedürfnisse, die wir vorfinden. Deswegen ist unser Werk so vielfältig“, erklärt  Pater Ángel Fernández Artime, Jahrgang 1960, seit 2014 Generaloberer der Kongregation. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, was es bedeutet, in der heutigen Welt Salesianer zu sein.

Pater Artime, seit 36 Jahren gehören Sie zur salesianischen Familie. Wie kam es zu Ihrer Berufung? 
Ich bin in Gozón-Luanco geboren, im spanischen Asturien. Mein Vater war Fischer, und für mich war damals klar, dass ich einmal seinen Platz einnehmen würde. Aber dann kam es doch anders ... Als ich noch ein kleiner Junge war, verbrachte eine Dame ihre Ferien in unserem Dorf und schloss Freundschaft mit meinen Eltern. Die sagte ihnen: „Ihr Sohn ist begabt. Er sollte studieren. Ich kenne ein paar Geistliche, die ihn dabei unterstützen könnten.“ Meine Eltern wussten nicht einmal, was Salesianer waren; aber sie haben ihnen vertraut. So begann mein Weg zum Salesianer. Mit 20 kam mir der Gedanke, das könnte meine Berufung sein. Ich sagte es meinen Eltern und sie antworteten: „Wenn es gut ist für dich, mach weiter.“ Ich bin überzeugt, dass der Herr im Leben durch menschliche Vermittler handelt. Die Begegnung mit dieser Frau, aber vor allem die Verfügbarkeit meiner Eltern, war entscheidend. Sie hätten auch nein sagen und mich nach Hause zurückholen können. Ich war damals noch nicht so gefestigt in meiner Entscheidung. Aber sie haben meine Freiheit respektiert.

2009 wurden Sie zum Provinzial für Argentinien mit Sitz in Buenos Aires ernannt. Dort lernten Sie den damaligen Kardinal Bergoglio kennen.
Wir haben ein paar Mal zusammen gebetet und die Eucharistie gefeiert. Was mich heute an Papst Franziskus beeindruckt, ist dasselbe wie damals als Kardinal: seine große Einfachheit und seine Vorliebe für die Ärmsten. Das war alles schon damals zu sehen. Heute findet es natürlich mehr Widerhall.

2014 kam Ihre Ernennung zum Generaloberen. Ihr Vorgänger, Pater Pascual Chávez, sagte bei Ihrer Wahl: „Lieber Pater Ángel, Gott hat dich durch die Mitbrüder gerufen, Nachfolger von Don Bosco zu werden.“ Was bedeutet es heute für Sie, der zehnte Nachfolger des Gründers zu sein und sein Charisma lebendig zu erhalten?
Aus einem gesunden Realismus heraus sage ich oft: Denkt daran, dass es Don Bosco nur einmal gab. Von uns Generaloberen wird verlangt, dass jeder mit seiner besonderen Persönlichkeit, seiner Herkunft und Geschichte die Kongregation so leitet und die salesianische Familie so begleitet, wie Don Bosco es heute tun würde. Wir versuchen voranzugehen, indem wir dem treu bleiben, was der Heilige Geist in ihm hervorgebracht hat.

Don Ángel Fernández Artime

Don Ángel Fernández Artime
Pater Ángel Fernández Artime wurde am 21. August 1960 in Gozón-Luanco in Spanien geboren. 1987 wurde er in León zum Priester geweiht, wo er seinen Abschluss in Pastoraltheologie und sein Lizenziat in Philosophie und Pädagogik machte. Zunächst wirkte er in der Jugendpastoral, danach wurde er Provinzial von Spanien, später leitete er die Provinz Südargentinien. Am 25. März 2014 wurde er zum Generaloberen der salesianischen Kongregation und damit zum zehnten Nachfolger des heiligen Don Bosco gewählt.

Was bedeutet das?
Don Bosco war Diözesanpriester, ein Gottesmann, den der Heilige Geist berufen hat, einen Raum der Begegnung mit den Jugendlichen und für die Jugendlichen zu schaffen, einen Raum des Heils. Für die Jugendlichen, die es am nötigsten hatten. In der Treue zum Charisma zu leben bedeutet, sehr menschlich zu sein. Wir sind Menschen unserer Zeit, dürfen aber nicht vergessen, dass wir Geistliche und damit Zeugen Gottes sind. Mit dem salesianischen Herzen hat man einen Sinn und eine Vorliebe für das Wohl der jungen Menschen. Bei ihnen zu sein heißt, mich zu fragen: Was würde Don Bosco in dieser Situation tun? Es heißt, die Wirklichkeit mit dem Herzen Don Boscos zu sehen.

In welchem Sinne?

Zuneigung und Liebe sind wichtig, das Grundlegende ist aber unsere salesianische Identität. Vor allem anderen kommt der Sinn für Gott in unserem Leben. Dann kommt der Einsatz für das Wohl der Jugendlichen. Das heißt konkret, nach dem Grundsatz von Don Bosco, aus ihnen rechtschaffene Bürger und gute Christen zu machen. Also sie zu erziehen, zur Freiheit und zu einem Sinn für Gott. 

Wie gelingt das?

Da gibt es unterschiedliche Formen: Schulen, Jugendzentren, in denen Straßenkinder aufgenommen werden, Lehrwerkstätten. Die erste Frage, die sich ein Salesianer stellen muss, ist: Was braucht dieser Jugendliche? In Afrika haben wir beispielsweise landwirtschaftliche und technische Schulen gebaut. In Argentinien, in den Anden, haben wir ein Zentrum für die jungen Mapuche-Indios, die nicht von zu Hause aus zur Schule gehen können. Die Wirklichkeit gibt den Weg vor. Aber bei all dem begegnen wir den Jugendlichen mit unserer Lebensoption, die besagt: Ich habe mein Leben Gott geweiht; das bin ich und das schenke ich dir. Ich bin Erzieher, mein Freund, mit der Lebensentscheidung, die ich getroffen habe, und die ist eine Entscheidung für euch Jugendliche.



Eine Ihrer Besonderheiten im Bereich der Erziehung sind die Berufsschulen und Berufsbildungszentren. 
Was hat Don Bosco getan? Seine jungen Leute waren Bauarbeiter und Maler. Er nahm sie auf, er verbrachte seine Zeit mit ihnen, er brachte ihnen das Beten bei. Aber ihm war klar, dass er ihnen die Möglichkeit bieten musste, einen Beruf zu erlernen, damit sie nicht auf die schiefe Bahn geraten. Dasselbe geschieht heute. Wir bieten den jungen Leuten die Möglichkeit, eine Berufsausbildung zu machen. Aber gleichzeitig zielen wir auf eine ganzheitliche Bildung des Menschen ab. Das bedeutet: Wir bemühen uns, ihnen Verantwortlichkeit und Ehrlichkeit beizubringen, sie zu freien Menschen zu erziehen, die fähig sind zu reflektieren und Gott in ihrem Leben zu entdecken. Das ist das Rüstzeug, mit dem sie ihre Zukunft anpacken können.

Und wie läuft diese Erziehung konkret ab?

Das Wichtigste für uns ist eine vertrauensvolle Beziehung. Wir sind Erzieher, aber gleichzeitig Freunde und oft auch Väter. Das Präventivsystem, das uns Don Bosco hinterlassen hat, steht auf drei Säulen, die auch heute noch gültig sind: Vernunft, Religion und Liebenswürdigkeit. Man muss immer vernünftig bleiben, bei dem, was man fordert. Man kann nicht sagen: Es ist so, weil ich es dir sage. Religion: Don Bosco war der Meinung, dass nur der Sinn für Gott es den Jugendlichen ermöglicht, sich weiterzuentwickeln. Liebenswürdigkeit: Nicht nur, dass wir die jungen Menschen lieben, sondern sie müssen sich auch von uns geliebt fühlen. Eine der drei Säulen vergessen hieße das salesianische Charisma zu verraten. Wenn wir zum Beispiel auf die Religiosität verzichten würden, um die Pluralität zu achten, würden wir nicht erziehen. Die Freiheit der jungen Menschen muss respektiert werden, aber gleichzeitig nutzen wir jede Gelegenheit, um Jesus zu verkündigen. 

Das scheint ein Wesenszug zu sein, der Ihren pädagogischen Ansatz von anderen unterscheidet.
Genau. Wir sind keine Sozialarbeiter, sondern Männer des Glaubens. Den wollen wir in aller Freiheit den anderen anbieten. Ich meine, wir müssen heute sehr respektvolle Zeugen sein, aber nicht ängstlich. Das macht den Unterschied aus. Nur so kann man fordern. Man vermittelt durch zahlreiche Instrumente den Sinn des Lebens. Und das geht vor allem, wenn man mit den Jugendlichen zusammen ist. Immer. Im Klassenzimmer oder außerhalb, auf dem Hof, in der Kirche, auf der Straße ...

Können Sie ein Beispiel geben?
In Spanien war ich Direktor einer großen Erziehungsanstalt und gleichzeitig Philosophielehrer. In der Pause ging ich auf den Hof und war mit den Jugendlichen zusammen. Meine Zeit, meine ganze Zeit widmete ich ihnen. Außerhalb des Klassenzimmers war die Beziehung manchmal einfacher. Als ich nach Argentinien ging, sagte mir eine Gruppe von Schülern zum Abschied: „Drei Dinge behalten wir im Herzen: Erstens, dass du uns alle mit unserem Namen angesprochen hast, vom Dreijährigen bis zum Achtzehnjährigen. Und wir waren sehr viele! Zweitens, dass du jeden Tag an der Tür standst und uns begrüßt und verabschiedet hast. Drittens, dass wir gespürt haben, dass du uns magst.“ Das Unterrichten war meine Arbeit. Von daher war es fast selbstverständlich, dass ich es interessant machen wollte. Aber das Ungeschuldete ist ihnen in Erinnerung geblieben, das war ein Mehr.



Haben die Jugendlichen sich als etwas Besonderes gefühlt?
Das ist der wesentliche Punkt, auf den Don Bosco immer wieder hingewiesen hat: Jeder Jugendliche soll sich besonders geliebt fühlen. Für mich ist das heute noch so, nach 35 Jahren, in denen ich Salesianer bin für die jungen Leute. Ja, heute vielleicht noch mehr. Zum Beispiel kann ich sagen, dass ich es nie als einen Nachteil empfunden habe, dass ich nicht im biologischen Sinn Vater geworden bin, weil ich hier im Vollsinn Vater bin.

Don Bosco und Don Giussani waren beide große Erzieher. Was verbindet die beiden Ihrer Ansicht nach?
Etwas, das vor der Erziehung kommt: der Sinn für Gott. Den bezeugen sie beide. Und das braucht die Kirche. Don Bosco ist als Person faszinierend, weil er gläubig ist. Er sah und spürte Gott im Alltäglichen, daraus entsprang sein ganzes Engagement. Ich wünsche mir immer, dass ein Jugendlicher, der mich kennenlernt, von mir sagen kann: Dieser Mensch hat mir für mein Leben etwas Wichtiges mitzugeben. Das ist der Widerschein des Guten, das Gott uns schenkt. Meinen Salesianern sage ich: Wir gehören Gott, wir sind Ihm geweiht. Dann können wir dies und jenes tun, und durch die Art und Weise, wie wir leben und handeln, werden die anderen sehen und begreifen, dass wir Zeugen Gottes sind.


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Salesianer Don Boscos
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