Bischof Pizzaballa - Auszüge aus seinem Vortrag in Rimini (2017)

Wir veröffentlichen Auszüge aus dem Vortrag vom Bischof Pierbattista Pizzaballa, dem Administrator des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem, den er am 22. August 2017 beim Meeting für die Freundschaft unter den Völkern in Rimini gehalten hat.
Bischof Pierbattista Pizzaballa

Das Thema des Meetings 2017 war: „Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen“. Hier sind Auszüge seines Vortrags (Übersetzung der Redaktion)
Wir müssen wieder von dem ausgehen, was uns neu und anders macht. Wir müssen den Sinn der Gemeinschaft wieder erkennen, der Gemeinschaft der Gläubigen. Man erkennt ihn, wenn man von seinem Glauben ausgeht. Das ist die Sehnsucht, die von Generation zu Generation weitergegeben wird. Sie wächst nicht durch Lamentieren, sondern durch Hoffnung. Diese Sehnsucht hat früher Kathedralen gebaut und ist heute vielleicht dazu berufen, etwas anderes aufzubauen. Was, das müssen wir mit der Zeit verstehen und definieren.

Dieses „Andere“ muss auf jeden Fall dem christlichen Stil entsprechen, der keine Forderungen an die Welt richten will, sondern einen Vorschlag, eine Verkündigung. Diese wird dann in den verschiedenen Bereichen des bürgerlichen und gesellschaftlichen Lebens, der Kultur, der Wirtschaft, der Politik und so weiter, ihren konkreten Ausdruck finden. Es ist die christliche Art zu verkünden, dass „Gott Mensch geworden ist, damit der Mensch Mensch bleibt ... Und die Menschen zu lehren, Seine Herrlichkeit zu erkennen, wo immer sie im Alltag aufblüht“ (wie Fabrice Hadjadj in seinem Buch Résurrection [Auferstehung] schreibt). So erleuchten wir mit unserer eigenen Erfahrung die verschiedenen Bereiche des Lebens, stecken sie mit unserer Hoffnung an und geben ihnen einen Sinn.

 Der christliche Stil. Im Johannes-Evangelium lesen wir: „Maria von Magdala ging zu den Jüngern und verkündete ihnen: Ich habe den Herrn gesehen. Und sie richtete aus, was er ihr gesagt hatte.“ (Joh 20,18) Der Christ ist jemand, der wie Maria Magdalena verkündet: „Ich habe den Herrn gesehen.“ Eine weitere christliche Weise, von Erben und Erwerben zu sprechen, hat mit Zeugnis und Evangelisierung zu tun. In dieser Zeit, in der zu leben wir berufen sind, müssen wir die Freude der Evangelisierung, das Bewusstsein, dass wir der Welt etwas Schönes zu sagen und zu geben haben, erst wieder erwerben. Erbe zu sein ist auch eine Frage des Bewusstseins. In der Frohen Botschaft, die wir empfangen haben, und in der Tradition, die uns übermittelt wurde, steckt so viel Schönes, Wahres und Gutes. Ohne dieses tief verwurzelte Bewusstsein (das nur eine sehr kurzsichtige Lesart mit Fundamentalismus und Integralismus verwechseln kann) verkommt die fruchtbare Dynamik des Ererbens im besseren Fall zu einer banalen und wirkungslosen Marketingstrategie, im schlechteren Fall zur Inbesitznahme und Verteidigung von Positionen. Die Verkündigung hat selbstverständlich im Stil des Reiches Gottes zu geschehen, welcher ein höflicher Stil ist und nichts ausschlägt, einladend, aber nicht indifferent. Das ist die konkrete und privilegierte Form, in der die Kirche den künftigen Generationen ihren wertvollsten Schatz anvertraut, die Perle, zu deren Erwerb sie in der Welt und unter den Menschen ist. Ich möchte in diesem Zusammenhang dazu einladen, die Abschnitte 21 und 22 von Evangelii Nuntiandi zu lesen. Sie könnten gestern geschrieben sein, so aktuell sind sie noch.

Es ist also abwegig, wenn wir uns darauf beschränken, Verlorenem nachzutrauern, statt uns bewusst zu machen, was aufzubauen wir berufen sind. Um das Gleichnis von den Talenten aufzugreifen: Wenn ich nicht investiere und mich nicht engagiere, dann werde ich nichts gewinnen. Am Ende werde ich auch nichts besitzen, nicht einmal das, was ich zu besitzen glaubte. Ich werde verlieren und sonst nichts. Es geht hier um unsere Zukunft. Darum, ob wir noch etwas vorzuschlagen haben, ob wir noch etwas zu verkündigen haben, verständlich, attraktiv und herausfordernd. Ein Erbe, das wir von unseren Vätern erhalten haben, das aber gleichzeitig neu und interessant ist, das etwas zu sagen hat in der Welt der Kultur, der Wissenschaft, der Technik, der Erziehung. Kein moralisierendes, unpersönliches Christentum. Es bringt nichts, von christlichen Werten zu sprechen, wenn man nicht gleichzeitig sagt, dass Christus das Beste ist, was einem im Leben begegnen kann.

 Garten und Stadt. Es geht also nicht darum, Mauern zu bauen, die trennen, oder eine Distanz zu schaffen zwischen uns und der Welt. Sondern es geht darum, die Realität der Welt als eine Instanz zu begreifen, die uns und unseren Glauben heute ebenso hinterfragt wie früher unsere Vorfahren. Es gibt in der menschlichen Erfahrung nichts, was nicht durch die Erfahrung des Evangeliums erhellt und aufgewertet werden könnte. Genau das ist unsere Aufgabe, und wir sind die einzigen, die sie erfüllen können. Wenn wir das tun, wird etwas Neues geschehen. Das, was wir uns durch den Prozess der Inkarnation des Evangeliums in unserer Geschichte neu erworben haben, wird nicht mehr nur unser Erbe, mein Erbe, dein Erbe sein, sondern das Erbe aller. Es wird zum Erbgut und Geschenk für alle werden.

Die biblischen Erzählungen beginnen in einem Garten und enden in einer Stadt. Alles beginnt an einem Ort, den Gott allein geschaffen hat, und endet an einem Ort, an dem sich das Werk Gottes notwendigermaßen mit dem Werk des Menschen verbindet. In der Bibel wird nie berichtet, dass Gott alleine eine Stadt gebaut hätte. Dazu brauchte er immer das Werk des Menschen. Auch das Jerusalem der Offenbarung, das vom Himmel herabkommen wird, ist eine neue Schöpfung, aber eine Schöpfung, die Gott nicht ohne die Hilfe des Menschen machen will. Deswegen teilt er jedem seine Talente zu, manchen fünf, manchen zwei, manchen eines. Unsere Aufgabe ist es, daraus Steine für das neue Jerusalem zu machen.

Den ganzen Vortrag auf Italienisch kann man hier anschauen oder lesen: