Carlo Acutis, geboren 1991, starb 2006 an Leukämie. Am 10. Oktober wird er seliggesprochen.

Ein Junge voller Wunder

Am 10. Oktober 2020 wird Carlo Acutis in Assisi seliggesprochen. Das kurze und intensive Leben des Jungen, der sich gleichzeitig für die Eucharistie und das Internet begeisterte, hat viele Menschen berührt und bekehrt.
Paola Ronconi

Antonio wacht eines Nachts auf und hat Durst. Viel zu hastig trinkt er eiskaltes Wasser. Alles Blut fließt in den Magen. Ihm wird schwindelig, er stürzt und verletzt sich am Kopf. Drei Monate muss er im Krankenhaus bleiben und alles wieder lernen, was sein Gehirn vergessen hat. Er ist 15 Jahre alt, mitten in der Pubertät. Aber eines Abends nimmt er in seinem Krankenhausbett den Rosenkranz zur Hand. Wer weiß, vielleicht hilft es ja. So schläft er ein und träumt: Ein Junge in einem roten Polohemd sagt ihm, er solle keine Angst haben, er werde bald gesund. Und er solle etwas weiterführen, was er begonnen habe. Vom Himmel aus werde er ihn begleiten. Ein seltsamer Traum! Aber innerhalb eines Tages funktioniert Antonios Körper wieder normal und kurz darauf wird er entlassen. Wer dieser Junge aus dem Traum war, wird ihm einen Monat später klar, als er per Post eine Werbesendung mit Material über das Leben eines gewissen Carlo Acutis erhält.

Flavio lebt in der Nähe von Todi. Aus beruflichen Gründen sucht er bei Facebook die Kontaktdaten einer Person. Es gibt eine ganze Reihe von Profilen mit dem gesuchten Namen. Während er seinen Kunden sucht, fällt ihm ein Profilfoto besonders auf: ein Junge im roten Poloshirt. Unter dem Foto steht: „Eucharistie, die Autobahn zum Himmel“. Doch das Profil gehört seltsamerweise einem 70-jährigen Mann ... Flavio sucht in den anderen Fotos und findet heraus, dass der Junge im roten Hemd in Assisi begraben ist, nicht weit von Todi. Zweimal fährt er an dem Friedhof vorbei, aber der ist jedesmal geschlossen. Dann hat auch er einen Traum: Papst Franziskus besucht genau dieses Grab. Am nächsten Tag ist der Papst tatsächlich in Assisi. Flavio verfolgt den Besuch im Fernsehen. Gegen Abend hat er plötzlich eine Eingebung und fährt noch einmal zu dem Friedhof. Bei Sonnenuntergang kommt er dort an. Am Himmel steht ein Regenbogen und führt ihn direkt zu dem Grab von Carlo Acutis. Flavio ist sechzig Jahre alt und hat schon seit dreißig Jahren nichts mehr mit dem Glauben zu tun. Doch am Grab dieses Jungen, der ihn auf Facebook so fasziniert hatte, bricht er in Tränen aus.

Carlo Acutis, der am 10. Oktober in Assisi seliggesprochen wird, „evangelisierte“ schon immer gerne über das Internet. Es war seine große Leidenschaft. Schon als Kind besorgte er sich Informatikbücher in der Buchhandlung der Technischen Universität, und mit elf Jahren begann er ein Online-Verzeichnis aller eucharistischen Wunder. Drei Jahre arbeitete er daran und schließlich wurde daraus eine Ausstellung mit 160 Tafeln. Carlo wollte allen Menschen vermitteln, wie lebendig Jesus im eucharistischen Brot ist, so dass schon oft in der Geschichte eine Hostie zu Fleisch geworden ist.

Seine Mutter hatte schon in frühester Kindheit gemerkt, dass ihr Sohn etwas Besonderes war. Schon im Alter von 4 oder 5 Jahren wollte Carlo immer in die Kirche gehen, um Jesus hallo zu sagen. Mit sieben Jahren äußerte er den Wunsch, möglichst bald zur Erstkommunion zu gehen, um „Jesus essen“ zu können. Danach hatte Carlo eine ganz besondere Beziehung zu Jesus. Fast täglich besuchte er die Messe, nahm an der eucharistischen Anbetung teil und betete den Rosenkranz. „Die Messe dauerte für ihn eigentlich den ganzen Tag“, sagt seine Mutter. „Er spürte zutiefst die Nähe Gottes und versuchte so zu handeln, dass es den Herrn nicht kränkte. Er hatte das starke Gefühl, dass es jemanden gibt, der immer über uns wacht.“ Und dem kann man in Fleisch und Blut begegnen, heute in der Kirche nebenan viel leichter als vor 2000 Jahren.



Im Oktober 2006, im Alter von 15 Jahren, erkrankte Carlo an akuter Leukämie und starb innerhalb weniger Tage. Seine Mutter Antonia erinnert sich noch gut, wie erstaunt sie war bei der Beerdigung: „Die Kirche war rammelvoll. Aber viele von den Leuten hatte ich noch nie gesehen. Darunter viele Ausländer, Arme, Obdachlose, obwohl wir im Zentrum von Mailand lebten.“ Carlo hielt oft an, um Leute zu begrüßen, plauderte mit den Pförtnern der großen Wohnblöcke. Viele von ihnen mussten weit weg von ihrer Heimat leben.

„Am Tag nach der Beerdigung“, erinnert sich die Mutter, „überbrachte man mir einen Brief. Es war ein Gedicht von einem jungen Mann aus Sri Lanka, einem Aushilfs-Mesner in Santa Maria Segreta. Ich staunte über die Tiefe und Schönheit dieser Zeilen. Es schien, als seien Carlo und er gute Freunde gewesen. ‚Haben Sie öfter mit Carlo gesprochen?‘, fragte ich ihn. ‚Nie‘, antwortete er. ‚Aber er grüßte mich immer mit einem Lächeln.‘ Carlo hatte den jungen Mann offenbar so tief berührt, dass er ihn in dem Gedicht ‚den schönsten Stern am Himmel‘ nannte.“

Tausende solcher Zeugnisse hat Antonia in den letzten Jahren gesammelt. „Es gab viele Bekehrungen und Heilungen, von Anfang an“, berichtet sie. Nicht zuletzt das Wunder, das sie selbst, wie sie sagt, von Carlo erhalten hat: die Zwillinge, die sie im hohen Alter und in nicht optimaler körperlicher Verfassung zur Welt brachte.



Ein Wunder hat die Kirche besonders untersucht: die plötzliche und unerklärliche Heilung eines Kindes aus Brasilien, das an einer schweren Missbildung der Bauchspeicheldrüse litt. Carlo wird am 10. Oktober in Assisi seliggesprochen, wo sein Grab in der Kirche Santa Maria Maggiore inzwischen zu einem regelrechten Wallfahrtsort geworden ist.
Über das kurze und intensive Leben von Carlo Acutis hat Spuren schon in der Februar-Ausgabe 2014 berichtet. Und auch nach seinem Tod evangelisiert und bekehrt er weiter. „Sein Herzenswunsch war es, die Liebe zu Gott und zur Eucharistie zu verbreiten“, sagt Antonia.

Seine Ausstellung über die 146 eucharistischen Wunder (man kann sie auch kostenlos herunterladen) ist inzwischen überall auf der Welt gezeigt worden. Allein in amerikanischen Pfarreien wurde sie mehr als 10.000 Mal ausgestellt. Und es gibt über 300 Websites in allen Sprachen, die sich mit Carlo beschäftigen. Papst Franziskus verweist in seinem an junge Menschen gerichteten Apostolischen Schreiben Christus vivit auf ihn als ein Beispiel, dem man in seiner „Modernität“ folgen sollte: „Es stimmt, beispielsweise, dass du in der digitalen Welt der Gefahr der Selbstverschlossenheit, Isolation oder des leeren Vergnügens ausgesetzt bist. Aber vergiss nicht, dass es junge Menschen gibt, die auch in diesen Bereichen kreativ und manchmal brillant sind – so wie der junge ehrwürdige Diener Gottes Carlo Acutis.“ Als Seliger könnte er nun vielleicht zum „Patron des Internets“ werden.

Am 24. November 2016 sagte der damalige Erzbischof von Mailand, Kardinal Angelo Scola: „‚Wer anders als Gott selbst, Jesus Christus, der sich dem Vater hingibt, könnte für uns eintreten?‘ Das sind Worte von Carlo.

„Sein Leben ermutigt einen“, meint Antonio, Verantwortlicher einer der vielen Vereinigungen der Freunde von Carlo Acutis, denen Zehntausende in aller Welt angehören. „Dank ihm haben viele von uns gelernt, dass Heiligkeit nichts Unerreichbares ist, sondern täglich gelebt werden kann. Die Liebe zur Eucharistie (mit der eucharistischen Anbetung), die Liebe zur Muttergottes (im Rosenkranzgebet), die Liebe zur Kirche und zum Papst (mit der Evangelisierung), das waren seine Säulen.“ Antonio folgt, gemeinsam mit vielen anderen Jugendlichen, dem Weg, den Carlo vorgezeichnet hat. Jede Woche versammeln sie sich zur Anbetung, begleitet von Liedern, und laden auch andere dazu ein.

Als die diözesane Phase des Seligsprechungsprozesses am 24. November 2016 beendet war, sagte der damalige Erzbischof von Mailand, Kardinal Angelo Scola: „‚Wer anders als Gott selbst, Jesus Christus, der sich dem Vater hingibt, könnte für uns eintreten?‘ Das sind Worte von Carlo. Unglaublich, dass ein Junge in diesem Alter eine so tiefe Intuition besitzt und so das Herz unseres Glaubens, die Eucharistie, erklären kann ... Sein Beispiel wird unseren jungen Menschen helfen, die schönsten Kräfte des Lebens erblühen zu lassen und mit Jesus in Beziehung zu treten als demjenigen, der es uns erlaubt, in Fülle der Schönheit, Güte und Wahrheit Gottes selbst zu begegnen.“