Papst Franziskus

Erziehung, ein neues kulturelles Modell

Die Botschaft von Papst Franziskus aus Anlass der Begegnung zur „Global compact on education“. Sieben Schritte für einen integralen Ansatz. Sie gründet auf der Soziallehre der Kirche.
Papst Franziskus

Liebe Brüder und Schwestern,

als ich euch zu diesem Prozess der Vorbereitung, Mitwirkung und Planung im Hinblick auf einen globalen Bildungspakt einlud, konnten wir keineswegs ahnen, unter welchen Bedingungen dieses Vorhaben durchgeführt werden sollte. Covid-19 hat viele der dringlichen Fälle und Notsituationen, die wir ausgemacht haben, beschleunigt und verstärkt sowie manch andere offenbart. Auf die schwierige gesundheitliche Lage folgten wirtschaftliche und soziale Probleme. Weltweit haben die Bildungssysteme auf schulischer wie akademischer Ebene unter der Pandemie gelitten.

Überall wurde versucht, mit digitalen Unterrichtsangeboten schnell darauf zu reagieren. Dies hat nicht nur eine ausgeprägte Ungleichheit zwischen den pädagogischen und technologischen Möglichkeiten ans Licht gebracht, sondern bei vielen Kindern und Jugendlichen aufgrund des Lockdowns und zahlreicher anderer bereits bestehender Mängel auch einen Rückstand im natürlichen pädagogischen Entwicklungsprozess ergeben. Einigen neueren Daten internationaler Agenturen zufolge spricht man von einer „Bildungskatastrophe“ – das klingt etwas drastisch, aber tatsächlich ist von einer „Bildungskatastrophe“ die Rede – angesichts der etwa zehn Millionen Kinder, die aufgrund der durch das Coronavirus ausgelösten Wirtschaftskrise gezwungen sein könnten, die Schule zu verlassen. Dies würde ein bereits alarmierendes Bildungsgefälle vergrößern (über 250 Millionen Kinder im Schulalter sind von jeder Bildungsaktivität ausgeschlossen).

Angesichts dieser dramatischen Lage ist offensichtlich, dass die notwendigen Gesundheitsmaßnahmen unzureichend sind, wenn sie nicht von einem neuen kulturellen Modell begleitet werden. Die gegenwärtige Situation hat das Bewusstsein dafür geschärft, dass unser Entwicklungsmodell eine Veränderung braucht. Denn damit dieses Modell die Würde der menschlichen Person achtet und wahrt, muss es von den Möglichkeiten der weltweiten Interdependenz der Gemeinschaft und den Völkern ausgehen und dabei Sorge für unser gemeinsames Haus tragen und den Frieden schützen. Wir erleben eine umfassende Krise, die nicht auf einen einzigen Bereich oder Sektor reduziert oder beschränkt werden kann. Sie ist umfassend. Die Covid-19-Pandemie ließ uns überall auf der Welt erkennen, dass unsere Art und Weise, die Realität zu verstehen und miteinander in Beziehung zu treten, selbst in der Krise steckt. (...)

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