Mann der Träume
Im Josefs-Monat März und in diesem Jahr, das besonders dem Nährvater Jesu gewidmet ist, wollen wir uns ein paar Kunstwerke anschauen, die den hl. Josef darstellen. Und zwar aus der Perspektive des Apostolischen Schreibens Patris corde von Papst FranziskusWir wissen nicht viel über ihn, aber eines wissen wir: Er hatte einen tiefen Schlaf und viele Träume. Josef, aus dem Stamme Davids, Sohn Jakobs, kam ursprünglich aus Bethlehem. Er war der Bräutigam Mariens und das offizielle „Oberhaupt“ der Familie Jesu. Der Evangelist Matthäus hat uns am meisten über ihn überliefert. Wie der italienische Exeget Giuseppe Ricciotti schreibt, „können wir vernünftigerweise annehmen, dass er sich dabei auf Informanten in Galiläa stützte, die in Beziehung zu Josef gestanden hatten“. Matthäus berichtet uns in den ersten beiden Kapiteln über nicht weniger als vier Träume des Nährvaters Jesu. Daher kann unsere Reise durch die schier unerschöpflichen Darstellungen des heiligen Josef in der Kunstgeschichte nur hier beginnen: beim Schlaf und bei den Träumen.
Den ersten Traum hatte er in Nazareth, als er sich, wenn auch mit bangem Herzen aufgrund der Schwangerschaft Mariens und seines Nachdenkens, ob er sie „entlassen“ solle, dem Schlaf des Gerechten überlassen hatte. So sehen wir ihn in Varallo im Piemont, in einer Kapelle des Sacro Monte. Er sitzt auf einem Stuhl, hat die Beine etwas von sich gestreckt und der Kopf ist zurückgesunken im Schlaf. Eine sehr menschliche Darstellung, die der Bildhauer Giovanni d’Enrico da aus Ton geformt hat. Wenn nicht das Gitter davor wäre, das die Kunstwerke schützt, wäre man versucht, ihn zu berühren, so anrührend schläft er da. Wir wissen alle, wie es ausging: Josef ließ sich von dem Engel überzeugen und nahm Maria als seine Frau zu sich. Auch wenn es wahrscheinlich nicht genau so ablief, wie viele Künstler es dargestellt haben, die sich an das Protoevangelium des Jakobus hielten, allen voran Raffael. Josef scheint sich nicht ganz wohl zu fühlen in dieser idealisierenden Sicht. Doch selbst in Raffaels Vermählung Mariens gibt es ein Detail, das uns den echten Josef zeigt: Er ist der einzige mit nackten Füßen. Vielleicht wollte der Maler andeuten: Er war der „Mann der Träume, aber er hatte seine Füße auf dem Boden“. So hat Papst Franziskus es formuliert, der für 2021 ein „Jahr des heiligen Josef“ ausrufen ließ, anlässlich des 150. Jahrestages der Erhebung des Nährvaters Jesu zum „Schutzpatron der ganzen Kirche“.
Es gibt unzählig viele Arten, den heiligen Josef darzustellen, in der Kunstgeschichte. Und jeder Traditionsstrang enthält eine spezifische Weisheit, die uns die Bedeutung dieser Gestalt innerhalb des großen Planes enthüllt, dessen demütiger und schweigsamer Protagonist er war. Die Tatsache, dass er offenbar einen so gesunden Schlaf hatte, zeigt uns zum Beispiel, dass er mehr auf Gott vertraute als auf seine eigenen Fähigkeiten. „Josef ist ‚Hüter‘, weil er auf Gott zu hören versteht, sich von seinem Willen leiten lässt“, sagte Papst Franziskus an seinem Festtag, dem 19. März 2013. Ein Heiliger, der auch im Schlaf aktiv ist. Vielleicht hat der Papst deswegen in seinem Arbeitszimmer eine kleine Statue des schlafenden Josef, unter die er Zettel mit den schwierigsten Angelegenheiten legt. Um uns eine Vorstellung vom Schlaf des heiligen Josef zu machen, sollten wir uns eines der Hauptwerke von Orazio Gentileschi anschauen, die Ruhe auf der Flucht nach Ägypten (1626). Josef nimmt darauf fast die ganze Breite der Leinwand ein. Er liegt auf den Säcken mit dem Hausrat, der Kopf ist ihm schwer geworden und nach hinten gefallen. Er schläft wie ein Stein. Obwohl er sich doch eigentlich Sorgen machen müsste wegen der Gefahr, in der dieses Kind schwebt, das aus seiner Heimat fliehen musste und noch kein Dach über dem Kopf hat. Nur die Gewissheit, dass er von einer höheren Macht geführt wird, kann wohl einen solch tiefen Schlaf erklären.
Natürlich ist der heilige Josef auch bekannt als ein hart arbeitender Mann, der nach seinen Träumen nicht zögert, die Initiative zu ergreifen. Es gibt ein Werk, das diesen Aspekt seines Charakters sehr schön darstellt: das sogenannte Mérode-Triptychon von 1427, das sich heute im Metropolitan Museum of Art in New York befindet. Robert Campin hat es wohl gemalt, der große flämische Porträtist. Im mittleren Teil des Triptychons ist die Verkündigung an Maria dargestellt. Auf dem rechten Flügel sehen wir, ganz offensichtlich in demselben Haus, Josef bei der Arbeit in seiner Zimmermanns-Werkstatt. Die linke Tafel zeigt die beiden Stifter, die vor der Tür des Hauses stehen. Campin nimmt also gewissermaßen das vorweg, was nach dem Bericht der Evangelien erst später eintrat, nämlich dass Maria und Josef in einem Haus zusammenlebten. Aber er will damit etwas ganz Bestimmtes zum Ausdruck bringen, wie einer der bedeutendsten Josefs-Forscher, Tarcisio Stramare, festgestellt hat. Die Gegenstände, die neben Josef auf der Werkbank liegen, weisen bereits auf die Passion Christi hin: Kreuz, Hammer, Zange und Nägel. Doch da gibt es auch noch eine Mausefalle. „Die Kommentatoren“, schreibt Stramare, „sehen darin einen Verweis auf den heiligen Augustinus, der die Inkarnation als muscipula diaboli, also eine Falle für den Teufel betrachtet. Indem er unter der menschlichen Natur die göttliche verbarg, habe Jesus den Teufel getäuscht, der so seine wahre Identität nicht erkannte. Der Teufel habe, indem er sich über die menschliche Natur Jesu erregte, de facto den Willen Gottes erfüllt, der die Menschheit durch den Tod Christi erlösen wollte.“ Josef, der einfache Mann, der Handwerker, hatte nicht nur ein tiefes Gespür für das Geheimnis, an dem er Anteil hatte, sondern war auch schlau genug, um den bösen Feind in die Irre zu leiten: Das Fenstergitter, an dem er gerade arbeitet, kann auch symbolisch verstanden werden als Vorrichtung, die die wahre Herkunft Jesu verschleiern und die Familie vor Klatsch und Skandalen bewahren soll. Das Gitter deutet außerdem an, dass „Maria und Josef ‚getrennt‘ zusammenlebten unter demselben Dach, aber vor den Leuten den Anschein gaben, als seien sie Eheleute wie alle anderen“, meint Stramare. Und auch Papst Franziskus betont: „Josef ist kein passiv resignierter Mann. Er ist ein mutiger und starker Protagonist.“
Der heilige Josef kümmert sich in den ersten, schwierigen Lebensjahren Jesu auch immer um die kleinen Dinge des Alltags und geht sehr liebevoll mit dem Kind um. Um es vor Kälte zu schützen, zögert er nicht, seine Strümpfe zu zerschneiden und Windeln daraus zu machen, wie man auf einer flämischen Tafel aus dem frühen 15. Jahrhundert im Museum Mayer van den Bergh in Antwerpen sehen kann. Ein Gemälde von Lucio Massari (1620), das sich in Florenz in den Uffizien befindet, zeigt, wie er Maria beim Wäscheaufhängen hilft. Und wie Josef sich mit Jesus beschäftigt, illustriert sehr gefühlvoll ein Bild von Murillo aus dem Jahr 1650, das im Prado in Madrid hängt: Man sieht, wie die beiden mit einem Hündchen spielen. Oft hält Josef auch das Kind auf dem Arm, wie zum Beispiel bei dem Altarbild von Pontormo in der Kirche San Michele Visdomini in Florenz. Oder in den verschiedenen Versionen, alle voller Zärtlichkeit, die Guido Reni gemalt hat. Auch Tiepolo stellt auf einem Gemälde von 1733 in der Kirche Santissimo Salvatore in Bergamo Josef wunderschön dar, wie er das Jesuskind im Arm hält. Sanft lehnt er seinen Kopf an die blonden Haare des Knaben. Sein Blick ist verschleiert wie von tiefer Traurigkeit, wohl in Vorahnung des Schicksals, das dieses Kind erwartet. Auf einem Bild, das er ein Jahr früher für die Basilika San Marco gemalt hat, positioniert Tiepolo das Kind zwischen den Armen des Vaters auf einem weißen Leinentuch – auch dies eine Vorankündigung der Passion. Josef handelt, er gehorcht, er folgt, aber er „weiß auch Bescheid“. „Er steht vor etwas, das ihn ganz und gar erschlagen würde, wenn er nicht erkannt hätte, was es in Wahrheit ist: das Geheimnis Gottes, das sich enthüllt, Gott, der beginnt, dem Menschen die Antwort auf seine Fragen nach dem Warum zu offenbaren, die Antwort auf seinen Schrei“, schreibt Don Giussani, der dem heiligen Josef sehr dichte Seiten gewidmet hat.
Auch als Jesus heranwächst und zum jungen Mann wird, kann er immer auf die diskrete, väterliche Gegenwart des heiligen Josef zählen. Bei jenem „Vorfall“, als die Eltern Jesus suchen und schließlich im Tempel wiederfinden, wo er mit den Gesetzeslehrern diskutiert, ist Josef natürlich auch dabei. Auf einer wunderschönen kleinen Tafel von Simone Martini (1324), die sich heute in der Walker Art Gallery in Liverpool befindet, sehen wir, wie er den mit verschränkten Armen dastehenden Sohn auffordert, sich die Ermahnungen seiner Mutter anzuhören. Josef hätte in dieser Situation leicht verunsichert sein können, da Jesus sich ja damit verteidigte, er müsse in dem sein, „was meinem Vater gehört“ (Lk 2,49). Aber er bleibt ganz ruhig und ist sich klar bewusst, was seine Rolle ist. Andererseits hat Jesus später bei seinem öffentlichen Auftreten mehrfach zugelassen, dass man ihn als den „Sohn des Josef“ bezeichnete. Auf ihrer Beziehung lag kein Schatten und es gab nichts Unausgesprochenes ...
Was nach diesen Ermahnungen kam, sieht man überraschenderweise in den Fresken von Giotto und seiner Schule in der Unterkirche der Basilika San Francesco von Assisi (1311): Die Heilige Familie hat Jerusalem hinter sich gelassen und geht wieder nach Nazareth. Josef führt die Gruppe an und diskutiert weiter lebhaft mit Jesus. Wie Papst Franziskus sagt: „Als Vater wird man nicht geboren, Vater wird man. Und man wird zum Vater nicht einfach dadurch, dass man ein Kind in die Welt setzt, sondern dadurch, dass man sich verantwortungsvoll um es kümmert. [...] Vater zu sein bedeutet, das Kind an die Erfahrung des Lebens, an die Wirklichkeit heranzuführen.“
Und das tut Josef, auch indem er Jesus mit in seine Werkstatt nimmt und ihm das Handwerk des Zimmermanns beibringt, wie ein sehr anschauliches Bild von Georges de la Tour zeigt: Der Junge hält die Kerze und beschirmt die Flamme mit seiner Hand, während der Vater mit einem großen Bohrer ein Loch in einen Balken bohrt. Auch das ist eine Vorausdeutung auf die Passion Christi. Josef „weiß“ es wirklich. In einem anderen berühmten Werk von de la Tour sehen wir ihn mit dem Engel, der ihm im Traum erscheint. Auf seinen Knien liegt ein großes offenes Buch – ein unerwartetes Attribut für einen einfachen, zupackenden, praktischen Mann. Der Engel weist ihn auf die Stelle Jesaja 7,14 hin, als Schlüssel zum Verständnis für das, was ihm geschehen ist. „Da hat er verstanden, was die Propheten gesagt hatten“, erklärt der heilige Johannes Chrysostomos. „Er verstand ihre Prophezeiungen. Weil er ein gerechter Mann war, hatte er die Gewohnheit, diese Texte zu meditieren.“ Als „Erforscher der Schriften“ wird Josef oft mit einem Buch in der Hand dargestellt, so zum Beispiel bei der Statue von Ambrogio Buonvicino (1612) in Santa Maria Maggiore.
Genauso leise, wie er in die Geschichte eingetreten ist, ist er auch wieder verschwunden: Über seinen Tod weiß man nichts. Die Tatsache, dass Jesus am Kreuz Maria seinem Jünger Johannes anvertraut, lässt darauf schließen, dass Josef zu diesem Zeitpunkt nicht mehr lebte. Auch wenn Lorenzo Lotto auf einem Altarbild in Sant’Alessandro in Colonna in Bergamo (1522) seiner Fantasie freien Lauf lässt und den heiligen Josef bei der Grablegung Jesu malt. Wir sehen ihn etwas abseits stehen, ganz gekrümmt vor Schmerz. Tatsächlich helfen uns im Bezug auf seinen Abschied aus dieser Welt die Worte mehr als die Bilder. Besonders das, was der heilige Franz von Sales schreibt, der von sich behauptete: „Ich gehöre ganz dem heiligen Josef“: „Wir dürfen keinesfalls Zweifel hegen, dass dieser glorreiche Heilige im Himmel sehr großen Kredit hat bei dem, der ihn stets so begünstigte, dass er ihn mit Leib und Seele zu sich erhob. Dies wird schon durch die Tatsache bestätigt, dass wir von seinem Leib keine Reliquien haben auf Erden. So scheint mir, niemand könne diese Wahrheit bezweifeln. Wie hätte derjenige dem heiligen Josef diese Gnade verweigern können, der ihm ein Leben lang gehorsam war?“