Wien, Stephansdom (Foto CS)

„Nur Christus nimmt sich mein ganzes Menschsein zu Herzen“

Predigt von Pater Christoph Matyssek bei der Messe zum 100. Geburtstag von Don Giussani. Wien, 23. Februar 2022
Christoph Matyssek

Die Kirche feiert heute den Heiligen Polykarp, Bischof und Märtyrer des 2. christlichen Jahrhunderts. Er galt als „Lehrer Asiens und Vater der Christen“. Der Heilige Polykarp konnte deshalb Vater von vielen sein, weil er selbst den Apostel Johannes zum geistigen Vater wusste, der ihn zum Bischof von Smyrna bestellt hatte.

Wenn wir uns heute nach 17 Jahren nach dem Heimgang des ehrwürdigen Dieners Gottes Luigi Giussani und in dem Jahr versammeln, in dem er seinen 100 Geburtstag feiert, drücken wir letztlich dasselbe aus: Wie die Christen in Kleinasien mit Bischof Polykarp wahrhaftig einen Vater hatten, nennen wir, die wir mit der Bewegung von Gemeinschaft und Befreiung verbunden sind, Don Luigi Giussani als Vater, der uns mit seinem Leben die Gegenwart Christi bezeugt und uns so als Christen mit einem bewussten Glauben hervorgebracht hat.

Der Heilige Polykarp hatte wiederum einen heiligen Schüler, Bischof Irenäus von Lyon. Dieser hatte seinen Glauben von Polykarp empfangen, dieser vom Apostel Johannes. Jetzt brachte er seinen Glauben aus der heutigen Türkei mit, um diesen im jetzigen Frankreich zu verkündigen.

Durch dieselbe Dynamik hat uns heute der Glaube erreicht, der von Generation zu Generation, von Jahrhundert zu Jahrhundert bis zu uns weitergeben wurde.
Ein Glied dieser Kette ist Papst Johannes Paul II., der 1984 die Mitglieder der Bewegung von Gemeinschaft und Befreiung anlässlich einer Audienz einlud: „Geht zu allen Völkern, um ihnen die Wahrheit, die Schönheit und den Frieden zu bringen, dem man in Christus, dem Erlöser, begegnet!“ Das war die Geburtsstunde unserer Priesterbruderschaft des Hl. Karl Borromäus, die dann tatsächlich mit dieser Botschaft in die Welt hinausging. Das war der Weg, über den ich als Student in Deutschland Don Giussani kennenlernte, und das ist der Grund warum ich heute hier in Wien bin.

Was war und ist das Faszinierende an Don Luigi Giussani?
Papst Emeritus Benedikt XVI. brachte es auf den Punkt, als er 2007 sagte: „Der Heilige Geist hat durch ihn in der Kirche eine Bewegung, eure Bewegung, erweckt, die von der Schönheit des Christseins Zeugnis geben sollte in einer Zeit, in der sich immer mehr die Meinung verbreitete, das Christentum sei etwas Anstrengendes und bedrückend zu leben. Don Giussani bemühte sich daher, in den jungen Menschen die Liebe zu Christus, der ‚Weg, Wahrheit und Leben‘ ist, wiederzuerwecken, indem er immer wieder darauf hinwies, dass allein Er der Weg zur Erfüllung der tiefsten Sehnsüchte des menschlichen Herzens ist und dass Christus uns nicht trotz unseres Menschseins rettet, sondern durch es.“
Luigi Giussani war fasziniert von Christus. Christus war sein Leben. Ihm galt seine Liebe und seine ganze Leidenschaft. Er wusste: „Allein Christus gibt allem in unserem Leben Sinn.“

Dabei stellte Christus für Giussani keine intellektuelle Beschäftigung, nicht ein geniales System an Lehren des guten Lebens oder eine praktische Lebensphilosophie dar, sondern war ein Ereignis, eine Begegnung mit dem auferstandenen Christus, der uns heute durch die Gemeinschaft der Kirche seine Gegenwart schenkt und unsere Herzen an sich ziehen möchte.

Für mich selbst stellte die Erfahrung der Gegenwart Christi in meinem Alltag die große Revolution meines Lebens dar, die ich zuerst durch die Freundschaft mit Schülern von Don Luigi Giussani erleben durfte. Sie war und ist wahrlich mein Motor, durch den ich leben, hoffen und lieben kann.

„Nur Christus nimmt sich mein ganzes Menschsein zu Herzen.“ Das war die Erkenntnis und die Gewissheit, die Don Giussani durch sein ganzes Leben begleitete. Bitten wir in dieser Heiligen Messe um diese Einfachheit des Herzens, die uns in derselben Weise Christus anerkennen und folgen lässt.

Amen.