Der Synodale Weg und Papst Franziskus

In seinem Brief an die Kirche in Deutschland von 2019 warnte Papst Franziskus davor zu glauben, die Lösung der Probleme liege in der „Reform von Strukturen“, und rief zur Neuevangelisierung als einem „Weg der Jüngerschaft“ auf.
Carlo Manara

Nach Abschluss des Synodalen Weges möchten wir allen empfehlen, das Schreiben noch einmal zu lesen, das der Heilige Vater 2019 „an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland“ gerichtet hat. Er ist heute aktueller denn je und wirft ein klares Licht auf all das, was in den letzten Jahren geschehen ist und dort beraten und gefordert wurde.

Hat das Christentum noch eine Anziehungskraft in der modernen Welt? Kann, wie Dostojewski fragte, „ein gebildeter Mensch, ein Europäer unserer Tage noch glauben, wirklich glauben an die Gottheit des Sohnes Gottes, Jesus Christus?“

Manchmal sind selbst wir Christen nicht sicher, ob wir da wirklich mit einem überzeugten, eindeutigen Ja antworten können. Wenn das aber nicht der Fall ist, laufen wir Gefahr, die christliche Botschaft zu verraten. Zum Beispiel, indem wir meinen, es reiche, Strukturen zu verändern:

Eine der ersten und größten Versuchungen im kirchlichen Bereich [besteht] darin [...] zu glauben, dass die Lösungen der derzeitigen und zukünftigen Probleme ausschließlich auf] dem Wege der Reform von Strukturen, Organisationen und Verwaltung zu erreichen sei, dass diese aber schlussendlich in keiner Weise die vitalen Punkte berühren, die eigentlich der Aufmerksamkeit bedürfen. (Franziskus, An das pilgernde Volk Gottes in Deutschland, Nr. 5).

Ein Beispiel dafür wäre die Forderung nach einer Abschaffung des priesterlichen Zölibats, weil man der Ansicht ist, so gäbe es mehr Berufungen. Eine weitere Versuchung besteht in einem bloßen Anpassen an den Zeitgeist (ebd., Nr. 8). Hat uns die Kirche nicht immer gemahnt: „Gleicht euch nicht dieser Welt an“ (Röm 12,2)?

Die Lösung muss viel mehr als ein struktureller, organisatorischer oder funktionaler Wandel sein, sagt Papst Franziskus. Und auch viel mehr, als sich der modernen Mentalität anzugleichen, um „offener“ zu wirken. Wir müssen das wiederentdecken, was uns am Christentum fasziniert hat und immer noch anzieht.

Unsere Sendung und unser Daseinsgrund wurzelt darin, dass „Gott die Welt so sehr geliebt hat, dass er seinen einzigen Sohn dahingab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben“ (Joh 3,16). „Ohne neues Leben und echten, vom Evangelium inspirierten Geist, ohne ‚Treue der Kirche gegenüber ihrer eigenen Berufung‘ wird jegliche neue Struktur in kurzer Zeit verderben.“ (Nr. 6)

Der Papst ruft uns immer wieder zur Neuevangelisierung auf. Dazu müssen wir aber vor allem die Bedeutung Christi wiederentdecken, für jeden von uns, jeden Tag, in jeder Lebenslage.

Die Evangelisierung ist ein Weg der Jüngerschaft in Antwort auf die Liebe zu Dem, der uns zuerst geliebt hat (vgl. 1 Joh 4,19); ein Weg also, der einen Glauben ermöglicht, der mit Freude gelebt, erfahren, gefeiert und bezeugt wird. (Nr. 7)

Das ist auch heute möglich, wenn man sich ansieht, was in dieser Kirche geschieht, selbst wenn sie zahlenmäßig kleiner wird.

Deshalb achtet aufmerksam auf jede Versuchung, die dazu führt, das Volk Gottes auf eine erleuchtete Gruppe reduzieren zu wollen, die nicht erlaubt, die unscheinbare, zerstreute Heiligkeit zu sehen, sich an ihr zu freuen und dafür zu danken. Diese Heiligkeit, die da lebt „im geduldigen Volk Gottes: in den Eltern, die ihre Kinder mit so viel Liebe erziehen, in den Männern und Frauen, die arbeiten, um das tägliche Brot nach Hause zu bringen, in den Kranken, in den älteren Ordensfrauen, die weiter lächeln. In dieser Beständigkeit eines tagtäglichen Voranschreitens sehe ich die Heiligkeit der streitenden Kirche. Oft ist das die Heiligkeit ‚von nebenan‘, derer, die in unserer Nähe wohnen und die ein Widerschein der Gegenwart Gottes sind“. (Nr. 10)

Folgen wir dem Papst, indem wir gemeinsam mit ihm beten und fasten in dieser österlichen Bußzeit. Beten wir um die Einheit unter uns, unter unseren Bischöfen, mit dem Papst. Beten wir, dass wir lernen, jeden Menschen zu lieben. Nur eine wahre Bekehrung, in Einheit und in Unterscheidung von der modernen Welt, kann die Christen weiterhin zum Salz der Erde machen. So können sie jedem Menschen unserer Zeit zeigen, dass es auch heute möglich ist, an Jesus Christus zu glauben, der geboren, gestorben und auferstanden ist für uns.