Erzbischof Pezzi bei der Bischofssynode (Alessia Giuliani/Catholic Press Photo)

Angelpunkte der Synode

Vom 4. bis 29. Oktober fand die Generalversammlung der Bischofssynode statt. Hier die Erfahrungen von Paolo Pezzi, Metropolit der Erzdiözese der Mutter Gottes in Moskau
Paolo Pezzi

Meine Erfahrung bei der Bischofssynode hat mir deutlich gemacht, dass die Gemeinschaft [Communio] selbst ein vollendeter Ausdruck des synodalen Weges ist. Sie ist in erster Linie ein Bedürfnis, das auftaucht; zugleich ist sie etwas zutiefst Erwünschtes.

Auch haben wir die Erfahrung gemacht, dass unsere Versuche, eine Synodalität „aufzubauen", die entgegengesetzte Wirkung haben können. Bei jedem Schritt auf diesem Weg müssen wir erkennen, dass die Initiative Gott gehört, Seinem Geist. Uns gehört die Mitverantwortung, eifrig um die Gnade der Gemeinschaft, der Einheit und des Friedens zu bitten und immer bereiter zu sein, umzukehren. Genau dies ist während der Bischofssynode geschehen und beginnt, sichtbare Früchte zu tragen.

Ein weiteres, wesentliches Merkmal [der Communio] ziehen wir aus dem Beginn des ersten Johannesbriefes. (Übrigens wird der Johannesbrief, interessanterweise, von mehreren Exegeten als gemeinschaftlicher, das heißt, als von der Gemeinde verfasster Brief betrachtet, wie auch einige der Paulusbriefe ein „gemeinschaftliches Ereignis“ sind). Wir verkünden euch die Gemeinschaft, die wir leben, die Gemeinschaft, die uns erzieht und die wir erfahren haben; eine Gemeinschaft, die uns unsere Bestimmung erkennen und lieben lässt [vgl. 1Joh 1,1-4]. Die Mission ist die Ausweitung einer Gemeinschaft, die „anzieht“. (Während der Synode habe ich mehrmals auf die Aussage von Benedikt XVI. in Aparecida verwiesen, dass die Kirche durch „Anziehung“ wächst). In den letzten Jahren meines Dienstes als Bischof habe ich entdeckt, dass die Gemeinschaft, gerade weil sie sowohl Ort als auch Mittel der Erziehung ist, das heißt [Ort] der „affektiven Erkenntnis“ – und zwar, einer Erkenntnis, die sich für diejenigen, die in sie eintauchen, immer wieder erneuert – ein hervorragender Ausdruck von Leitung und Verwaltung ist. Jesus führt eine neue Form der Leitung in die Geschichte ein: die Gemeinschaft, die Freundschaft. Die Gemeinschaft ist also eine neue Synthese, die sich immer wieder erneuert und sich niemals verschließt.

Mit der Communio habe ich die Notwendigkeit eines Weges erfahren, der im Leben die Gnade entfaltet, die wir in der Taufe empfangen haben und die in der eigenen Berufung bestätigt wird. Dieser Weg ist die „Erziehung“, beziehungsweise, wie wir heute lieber sagen würden, die „ständige Weiterbildung“. Es gibt nie den Zeitpunkt, an dem man sagen kann: „Das war's, wir sind angekommen, ich muss nichts mehr lernen“. Dies wäre eine „Zombifizierung“ unseres Lebens. Es hat mich immer wieder beeindruckt, wie Jesus im Gespräch mit den Juden in Kafarnaum sagt, dass wir ein bisschen wie Schuljungen zu Füßen des Vaters sein müssen, der uns wie ein guter Lehrer lehrt und alles mitteilt [vgl. Joh 6,45]; Jesus selbst sagt vor seinem Tod, dass der Geist uns alles lehren wird [vgl. Joh 16,12-15].

Als Hilfe für diese „Weiterbildung“ haben wir das Dokument Evangelii Gaudium wiederentdeckt. Ich habe überlegt, in der Diözese Treffen zu organisieren, um herauszufinden, auf welcher Art und Weise dieses Dokument in diesen zehn Jahren gelebt wurde und wie es Anwendung gefunden hat.


Oftmals erfolgt die Erziehung, die Katechese, als analytische Vermittlung von Begriffen, aber es fehlt eine Synthese, die auf der Mitteilung der Erfahrung von Einheit und Gemeinschaft beruht. Es ist notwendig, in die wirklichen Fragen der christlichen Gemeinschaft, in den Kontext, in dem man lebt und in eine echte missionarische Perspektive einzutauchen.

Eine weitere wichtige Hilfe für die Erziehung kann darin bestehen, das Abenteuer der Erkenntnis durch den Glauben als ein Ereignis, als eine Erfahrung der Gemeinschaft zu erleben. In diesem Zusammenhang haben wir den positiven Wert von „Krisen“ entdeckt. Wir haben einer „Krise“ eine neue Bedeutung zugeschrieben, die nicht mit derjenigen der vorherrschenden Mentalität übereinstimmt. Diese sieht nämlich in einer Krise höchstens eine negative, zerstörerische Dimension, die dem, was ist, kritisch gegenübertritt. Stattdessen kann die Krise als ein konstruktiver Moment erlebt werden, als eine „Revidierung des Lebens“, des eigenen Christseins und der Gemeinschaft.

Und schließlich die Mission. Das neue Volk Gottes, das von allen Getauften als Gemeinschaft aller Gläubigen auf ihrem Weg durch die Geschichte besteht, nimmt an der Mission Christi teil. Diese Haltung bringt eine Kultur der Begegnung hervor, die sich auf die Offenheit für den anderen stützt und in der Lage ist, jedem Aspekt der Wahrheit, der man begegnet, mehr Wert zu verleihen. Damit diese Haltung lebendig ist, bedarf es eines „ökumenischen“ Herzens, wie es der Apostel Paulus hatte: „die Liebe, die Christus uns gezeigt hat, drängt uns“, [vgl. 2 Kor 5,14-15], sie bewegt uns und wird zum anspornenden Faktor in unserem Leben.

Diese ökumenische Sehnsucht ermöglicht es uns, auf wirklich alles einen positiven Blick zu haben: „prüft alles und behaltet das Gute“ [vgl. 1Thess 5,21]. Das Leben wird traurig, eintönig, wenn es an diesem ökumenischen Streben fehlt: Mögen alle, die leben, nicht mehr für sich selbst leben, sondern für den, der für sie gestorben und auferstanden ist.

Eine echte ökumenische Haltung entspringt daher aus der Verbundenheit mit Christus, der „alles in allen“ ist [vgl. 1 Kor 12,6], der, „in dem alles besteht“ [vgl. Kol 1,16-17]. Eine erneuerte Ökumene gibt sich nicht damit zufrieden, den anderen „zu dulden“ – wobei er ohnehin ein Fremder bliebe – sondern bietet ihm Raum an. Deshalb ist die Vergebung, die dem anderen in mir selbst Raum schafft, die höchste Form der Ökumene. In der Nachfolge Christi [vgl. I,3,8] heißt es: „Ex uno Verbo omnia et unum loquuntur omnia, et hoc est Principium quod et loquitur nobis“, „Aus einem Worte ist alles, und alles gibt diesem Wort Zeugnis; und dieses Wort ist der Anfang und Ursprung, welcher zu uns redet.“.

Jesus hat zuerst zu sich gerufen und dann die Seinen in die Mission gesandt: die Dynamik des Bleibens und des Gehens, des Bleibens, um zu gehen, muss immer im Auge behalten werden; die Mission ist nicht eine Initiative von mir, sondern ein Gesandt-Sein durch die in Jesus gelebte Gemeinschaft in der christlichen Gemeinde. Die christliche Methode, durch die Christus verkündet wird, wird immer das „Komm und sieh“ bleiben. Aber manchmal weiß man nicht, zu was man die Menschen rufen soll, wohin man sie weiterleiten soll, weil es an einer gastfreundlichen Gemeinschaft fehlt. Manchmal ist sogar die Pfarre ein wenig „distanziert“. Deshalb kann es hilfreich sein, kleine Gemeinschaften in einem Umfeld (auf dem Arbeitsplatz, an der Universität, in der Schule und in der Nachbarschaft) zu schaffen, in denen Vertrautheit und Bereitschaft, andere aufzunehmen, gefördert werden können.
In kleinen Gemeinschaften ist es auch leichter, zur Mitverantwortung zu erziehen. Ein eindrucksvolles, positives und konstruktives Beispiel sind die Bewegungen innerhalb der Kirche.

Die Gemeinschaft, die die Kirche auf ihrem Weg durch die Geschichte ist, hat die Mission als eine Dimension ihres Wesens verloren. Die Mission ist bestenfalls eine Aktivität, aber keine Dimension. Es hat sich herausgestellt, dass die Rückkehr zu einer normalen Dimension des christlichen Lebens nur dann möglich ist, wenn jemand wieder eine missionarische Leidenschaft teilt. Missionarische Leidenschaft bedeutet, Zeugnis zu geben und zu verkünden. Wir sind keine Zeugen, weil wir Christus nicht kennen, und wir kennen Christus nicht, weil wir von so vielen anderen Dingen abgelenkt sind. Solowjew, der sich in seinem Kurze Erzählung vom Antichrist das Ende der Welt ausmalt, lässt dem Starets Johannes als Antwort auf die Frage des Herrn der Welt, der fragt, „Was kann ich für euch tun, ihr Christen?“, folgendermaßen antworten: „Großer Herrscher! Für uns ist das Wertvollste am Christentum Christus selbst – Er selbst und alles, was von Ihm kommt.“ Alles, was von Christus kommt, lässt sich in der Gemeinschaft mit ihm und untereinander zusammenfassen. Wir sind keine Zeugen, weil wir die Communio nicht leben. Gelebte Communio führt dazu, die Zeichen der Zeit zu erkennen, das heißt, sie macht unser Zeugnis erkennbar und glaubwürdig. Oft haben wir nichts zu verkünden, weil in uns eine individualistische und weltliche Haltung vorherrscht, wir haben die Botschaft von Paulus nicht verstanden: „Passt euch nicht der Mentalität dieser Welt an“ [vgl. Röm 12,1-2]; „Die Kirche darf sich ihre Agenda nicht von dieser Welt diktieren lassen“, sagte uns Papst Franziskus bei der Eröffnungsmesse der Synode. „Aber verwandelt euch“, wörtlich: „verklärt euch“, das heißt, [lasst] euer Leben zur Verkündigung werden. Die kleinen ersten Gemeinschaften, die sich um die Apostel scharten, teilten täglich die Mission, die jedes Mitglied erlebte. Christus selbst und die sich daraus ergebende Gemeinschaft waren der Sinn und der Inhalt ihres Lebens und damit der Inhalt ihrer Sendung. Da waren keine Dinge, die man tun musste, keine Initiativen, die man erfinden oder ergreifen musste, sondern alles wurde nach der schlussendlich gehörten Anregung des Geistes geboren und verwirklicht. Es ging ihnen nur darum, Gemeinschaft zu leben und sich in dieser selbst zu korrigieren, sich wortwörtlich gemeinsam auf dem Weg zu tragen, sich immer wieder zu Christus zu bekehren, demütig mit Gott zu wandeln: „Es ist dir gesagt worden, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir erwartet: Nichts anderes als dies: Recht tun, Güte lieben und achtsam mitgehen mit deinem Gott.“ [vgl. Micha 6,8].