Claudia und Giuseppe mit Papst Franziskus am Tag ihrer Hochzeit.

Peppe, Claudia und der Papst

Peppe und Claudia aus Sizilien waren mit Papst Franziskus befreundet. Er hat sie in schwierigen Zeiten begleitet, sie getraut und ihre Tochter Clarissa getauft.
Maria Acqua Simi

Über Papst Franziskus ist in den letzten Tagen viel gesagt und geschrieben worden. Aber die verborgenen Geschichten, die kleinen, diskreten Gesten, verraten oft noch mehr darüber, wer Jorge Mario Bergoglio wirklich war. Eine solche Geschichte ist die Freundschaft, die den Heiligen Vater mit Giuseppe Russo, genannt Peppe, und seiner Frau Claudia verband. Die beiden stammen aus Sizilien. Er ist Chemieingenieur, sie hat einen Abschluss in jüdischer Philosophie und Kultur. Kennengelernt haben sie sich in der Universität. Peppe, der schon im Alter von 12 Jahren seine Mutter verloren hatte, lernte in der Schule die Bewegung Comunione e Liberazione kennen. („Das war die Antwort auf meine Sehnsucht. Die Gemeinschaft hat mir geholfen zu verstehen, dass Gott mich nicht betrogen hatte.“) Später schloss sich auch Claudia der Bewegung an. 2010 verlobten die beiden sich, und irgendwann beschlossen sie zu heiraten.

Doch dann geschah etwas, das ihre Pläne völlig über den Haufen warf. Giuseppe erzählt: „Die Hochzeit war für den 7. Oktober 2017 in der wunderschönen Basilika San Francesco d‘Assisi in Palermo geplant. Ein paar Monate zuvor ging es mir nicht gut. Ich hatte Schmerzen in der Flanke, die man zunächst fälschlicherweise für eine Gallenblasenentzündung hielt. Aber sie wurden immer schlimmer. Im Dezember erhielt ich schließlich die Diagnose: angeborene dilatative Kardiomyopathie. Ich brauchte dringend eine Herztransplantation. Aber in Italien gibt es nur sehr wenige Spenderherzen. Daher wurde ich auf eine Warteliste gesetzt. In der Zwischenzeit wurde mir eine künstliche Pumpe implantiert als Ersatz für meine linke Herzkammer. Eigentlich sollte ich sie nur ein Jahr behalten, aber daraus wurden schließlich drei.“

Eine solche Pumpe ist kompliziert und lästig. Ein Teil der Maschine liegt außerhalb des Körpers, und sie hat einen Akku, so dass man nicht einmal duschen kann. Außerdem muss der Patient ständig mit Medikamenten versorgt werden. Aber sie ist die einzige Alternative, während er auf ein neues Herz wartet. Das bedeutet also einen unabsehbaren Schwebezustand. Die Hochzeit wurde daher erst einmal verschoben. Doch Claudia blieb an Giuseppes Seite und lernte in ihrer Freizeit akribisch, wie sie ihn am besten pflegen und unterstützen konnte, fast wie eine Krankenschwester. „Ich war wütend auf Gott“, sagt Giuseppe, „und beschloss auf Anraten eines transplantierten Patienten, der mit mir im Zimmer war, an Papst Franziskus zu schreiben.“

„Ich glaube fest, dass es Gott gibt, aber ich kann nicht anders, als zu denken, dass er mich betrogen hat. Ich würde ich gerne wissen, wie Sie darüber denken.“

Peppes Brief, der im Januar 2017 abgeschickt wurde, beginnt so: „Ich bin Giuseppe Russo (Peppe), Chemieingenieur aus Sizilien, und seit 2006 Mitglied von CL. [...] Ich glaube fest, dass es Gott gibt, aber ich kann nicht anders, als zu denken, dass er mich betrogen hat, trotz all der wunderbaren Menschen, die ich um mich herum habe. [...] Wenn Sie mögen oder Zeit haben, würde ich gerne wissen, wie Sie darüber denken.“ Darunter schreibt er seine E-Mail-Adresse und seine Handynummer. Doch dann vergisst er den Brief, bis er am Karsamstag einen Anruf mit unbekannter Nummer erhält. Am anderen Ende der Leitung ist der Heilige Vater! Er entschuldigt sich, dass er nicht früher angerufen habe, und erklärt, er habe den Brief verlegt und erst an jenem Morgen wiedergefunden. Nachdem sie kurz gesprochen haben, lädt er die beiden jungen Leute in den Vatikan ein. Doch bevor er das Gespräch beendet, sagt er Giuseppe noch: „Denk daran, dass auch Jesus nichts erspart geblieben ist.“

Am nächsten Tag beim Segen Urbi et Orbi zitiert er einen Teil des Telefongesprächs vor der ganzen auf dem Petersplatz versammelten Menge. „In der Woche darauf, am Sonntag der Göttlichen Barmherzigkeit, trafen wir ihn“, berichtet Giuseppe. „An dem Tag war das Evangelium vom ungläubigen Thomas, und ich fühlte mich genau so: Ich musste mit meiner Hand berühren und mit meinen Augen sehen, um zu glauben.“

Die Begegnung mit dem Papst dauerte drei Stunden. Diesmal ist es Claudia, die erzählt: „Er ließ uns in ein kleines, kahles Zimmer treten. Außer uns war niemand dabei. Wir sprachen über alles, über die Angst vor Schmerzen, das Warten auf die Transplantation und die Ungewissheit, auch in Bezug auf unsere Ehe. Aber auch über unser Studium, unsere Wünsche, die Zugehörigkeit zu CL, und dass es uns traurig mache, von manchen Freunden nicht verstanden zu werden. Franziskus erzählte uns vom Tod seines Vaters, der einen Herzinfarkt erlitt, weil er sich bei einem Spiel seiner Lieblingsmannschaft zu sehr aufregte. Und von seiner Großmutter, die ihm den Glauben vermittelt habe, von seinem Alltag als Papst. Doch vor allem waren es seine Gesten, die alles sagten. Peppe musste zum Beispiel um 18 Uhr eine Tablette für sein Herz nehmen, das hatten wir ihm zu Beginn unseres Treffens gesagt, und dann war er es, der uns daran erinnerte! Wir haben auch viel gelacht, er war sehr lustig. Und er wusste alles zu schätzen, was wir ihm erzählten. Sogar unsere Wut. Er sagte uns, Wut sei ein Zeichen dafür, dass man im Dialog mit Gott stehe. Auch Wut habe einen Sinn, wenn man im Gespräch mit dem Herrn sei.

Bei der Taufe von Clarissa in Santa Marta.

Bei allen Treffen und Telefonaten in den folgenden Jahren war Franziskus immer ebenso aufmerksam, nachdenklich, humorvoll. Wie ein Vater. „Er rief uns zu den großen Festtagen an, aber auch spontan, vielleicht zur Abendessenszeit, nur um zu fragen, wie es uns geht. Und er versicherte uns immer, für Peppe werde ein 1A-Herz kommen. Wie ein Freund meldete er sich, ohne Zeitpläne oder Berechnungen, versicherte uns, wir würden eine schöne Zukunft haben. Und in einem Telefonat am 11. Februar 2018, dem Gedenktag Unserer Lieben Frau von Lourdes und dem Jahrestag der Anerkennung der Fraternität, sagte er uns, seiner Meinung nach brauche Giuseppe nicht auf die Transplantation zu warten, um zu heiraten. Und noch bei zwei anderen Gelegenheiten wiederholte er das. Wir wünschten uns sehr, Mann und Frau zu werden, aber die Krankheit machte uns Angst. Der Papst stand uns auch darin zur Seite, und so beschlossen wir, alles zu riskieren und auf seinen Rat zu vertrauen. Wir wagten es, ihm zu schreiben und ihn zu bitten, dass er unsere Brautmesse feiert. Er antwortete sofort und machte uns Terminvorschläge.“

Am 3. November 2018 traut Papst Franziskus Claudia und Peppe im Vatikan, in Anwesenheit von Familie und Freunden. „Er hat alles organisiert: Er rief an, um zu fragen, welche Blumen und welche Musik wir uns wünschten, wie viele Freunde wir einladen wollten. Er machte sich sogar die Mühe, eine Kirche zu finden, die groß genug war. Denn wir hatten ihm lachend gestanden, dass Hochzeiten in Süditalien und vor allem bei CL nicht mit weniger als 130 Gäste auskommen könnten. Er kümmerte sich um alles, wie ein guter Freund. Und am Hochzeitstag kam er auch noch mit zwei Geschenken für uns: eine Muttergottes-Ikone und ein Geschenk, das zwei seiner jüdischen Freunde aus Buenos Aires uns machen wollten.“

Nach der Hochzeit ging die Kommunikation fleißig weiter, mit Telefonanrufen, E-Mails und Briefen. Die beiden jungen Leute hatten damals beschlossen, diese besondere Beziehung nicht öffentlich zu machen, aber sie schrieben alles auf, um es nicht zu vergessen. Und vor allem betete der Papst mit ihnen, dass bald ein Herz für Peppe gefunden würde. Denn in jenen Jahren verschlimmerten zwei schwere Schlaganfälle seine ohnehin schon prekäre gesundheitliche Situation.

Am 4. Juni 2020, während der unsicheren Monate der Pandemie, kommt endlich ein passendes Organ für Peppe. Er wird operiert, und Papst Franziskus ruft Claudia jeden Tag an, um zu erfahren, wie es ihm geht. Das folgende Jahr ist schwierig: Eine teilweise Abstoßung des fremden Organs belastet das junge Paar sehr. Besonders schmerzt sie, dass sie noch keine Kinder haben. Aber Franziskus ist immer für sie da, und jedes Jahr im Juni, zum Jahrestag der Transplantation, trifft er die beiden jungen Menschen im Vatikan. Sie unterhalten sich, er nimmt ihnen die Beichte ab, und Claudia vertraut ihm ihren Traum an, Mutter zu werden. Franziskus empfiehlt ihr, zum heiligen Josef und zur heiligen Therese von Lisieux zu beten. Sie folgt ihm auch in dieser Hinsicht und betet die „Schutzmantel-Novene“ zum heiligen Josef.

„Er hat uns immer wieder ermahnt, die Hoffnung nicht zu verlieren, und wir sind ihm darin gefolgt. Jetzt vermissen wir ihn sehr, auch wenn wir neugierig sind, wie der Herr uns zeigen wird, dass er uns liebt.“

2023 nehmen zwei ihrer Freunde, Cristiana und Luca, ebenfalls von CL, mit anderen Neuvermählten an einer Papstaudienz teil. Als Papst Franziskus mit dem Papamobil durch die Reihen fährt, können sie ihm zurufen, dass sie Freunde von Peppe und Claudia sind. Er lässt das Auto umkehren und anhalten, erkundigt sich nach Peppes Gesundheit und sagt: „Wir müssen beten, dass Gott ihnen ein Kind schenkt.“ Im Juni desselben Jahres wird Claudia schwanger und neun Monate später wird Clarissa geboren. Papst Franziskus tauft sie am 3. Juni 2024 in Santa Marta.

„Das war das letzte Mal, dass wir ihn gesehen haben. Wir haben Fotos von diesem Tag, mit unserer Tochter auf dem Arm des Papstes, wie sie an seinem Finger nuckelt. Er hat uns immer wieder ermahnt, die Hoffnung nicht zu verlieren, Vertrauen zu haben, und wir sind ihm darin gefolgt. Jetzt vermissen wir ihn sehr und sind traurig. Aber dieses Mal denken wir nicht mehr, dass Gott uns betrogen hat! Auch wenn wir neugierig sind, wie der Herr uns noch überraschen und uns zeigen wird, dass er uns liebt. Wir haben ja schon erlebt, dass es in unserem Leben geschehen ist. Gott hat uns den Weg gewiesen, indem er uns zuerst als Jugendliche hat CL begegnen lassen und dann mit dieser unwahrscheinlichen und ganz besonderen Freundschaft mit dem Papst beschenkt hat. Dieser Weg geht jetzt weiter mit unserer Familie, mit Clarissa und mit den Freunden in der Bewegung.“