Die Audienz vom 15. Oktober 2022 (©Fraternità CL/Roberto Masi)

Prosperi: „Gemeinsam für eine Botschaft der Hoffnung”

In der italienischen Tageszeitung Avvenire äußert sich der Präsident der Fraternität von CL zum Pfingsten der Bewegungen mit dem Papst.
Davide Prosperi

„Die Einladung von Leo XIV. hat in der gegenwärtigen geschichtlichen Situation eine entscheidende Bedeutung, in der gerade die Einheit der Kirche eine Verheißung des Friedens ist, als Zeichen der leiblichen Gegenwart Gottes in der Welt”.

Wir sind Papst Franziskus sehr dankbar, dass er im Rahmen des Jubiläums ein Treffen für die Bewegungen, Vereinigungen und neuen geistlichen Gemeinschaften anlässlich von Pfingsten vorgesehen hat, so wie es Johannes Paul II. 1998 getan hatte, als er die kirchlichen Bewegungen zum ersten Mal auf dem Petersplatz empfing.

Bei dieser Gelegenheit sagte Don Giussani: „Das Geheimnis als Barmherzigkeit bleibt das letzte Wort, auch über alle schlimmen Möglichkeiten der Geschichte hinaus”. Diese Aussage behält auch heute ihre dramatische Gültigkeit, da der Krieg weltweite Ausmaße angenommen hat, und Spaltungen den Dialog und die Begegnung zwischen Völkern und Kulturen auch innerhalb unserer Gesellschaft unmöglich zu machen scheinen. Gerade deshalb erkennen wir den prophetischen Wert der ersten Aussagen von Papst Leo XIV., der sich mit den ersten Worten des Auferstandenen an das Volk wandte: „Der Friede sei mit euch allen!” Dabei verschwieg er nicht das Opfer, das die Gabe eines „unbewaffneten und entwaffnenden Friedens” mit sich bringt. Dieser Aufruf greift die Positionen auf, die die Kirche in den vergangenen Jahrzehnten vertreten und weiterentwickelt hat. Wir wollen ihm aufmerksam zuhören, um sie aufzunehmen und uns ihre tiefen Gründe zu eigen zu machen.

wir sind begeistert von der Einladung Papst Leos, uns seinen ersten großen Wunsch zu Eigen zu machen: „eine geeinte Kirche (zu sein), als Zeichen der Einheit und der Gemeinschaft, die zum Ferment einer versöhnten Welt wird. “

Die Wahl von Papst Leo XIV. lässt uns die Schönheit der Kontinuität der christlichen Erfahrung in der Führung der Kirche spüren, auch wenn die Sensibilitäten unterschiedlich sein mögen. In seinen ersten Äußerungen auf dem Stuhl Petri, aber auch schon in seiner Biografie, scheinen sich die Treue zur traditionellen Lehre mit dem prophetischen Elan gegenüber den neuen Herausforderungen der Moderne, aber auch der missionarische Eifer und die menschliche Offenheit gegenüber den Fernstehenden und Schwachen zu verbinden. Dies weist auf das Wirken des Heiligen Geistes hin, der durch verschiedene Stimmen eine einzige Botschaft verkündet, wie wir übrigens auch beim Konklave sehen konnten, bei dem sich in sehr kurzer Zeit eine sehr große Mehrheit durchgesetzt hat, entgegen den Erwartungen vieler Kommentatoren.

Comunione e Liberazione ist integraler Bestandteil dieser Kirche auf dem Weg, und wir sind begeistert von der Einladung Papst Leos, uns seinen ersten großen Wunsch zu Eigen zu machen: „eine geeinte Kirche (zu sein), als Zeichen der Einheit und der Gemeinschaft, die zum Ferment einer versöhnten Welt wird. “ (Predigt vom 18. Mai anlässlich des Beginns seines Petrusdienstes). In seinen bisherigen Äußerungen hat der Heilige Vater in der Tat das bereits in seinem augustinischen Motto (in Illo uno unum) enthaltene Thema aufgegriffen und weiterentwickelt und uns unablässig dazu aufgefordert, als Kirche Christi vereint zu sein, um „Zeichen des Friedens für alle in der Gesellschaft und in der Welt“ zu sein (Jubiläum für die Familien, 1. Juni).

In diesem Aufruf zu Einheit und Frieden erkennen wir eine tiefe Kontinuität mit Papst Franziskus, der uns bei der Audienz für Comunione e Liberazione im Jahr 2022 eingeladen hatte, ihn in dem „prophetischen Einsatz für den Frieden” zu begleiten, und uns anschließend mehrfach an die Bedeutung der Einheit erinnert hatte. Es wird immer deutlicher, dass diese Aufforderung in der gegenwärtigen geschichtlichen Situation von entscheidender Bedeutung ist, in der gerade die Einheit der Kirche eine Prophezeiung des Friedens darstellt, als Zeichen der leiblichen Gegenwart Gottes in der heutigen schwankenden Weltlage, als Vorwegnahme der Vollendung der Herrlichkeit Christi.

Aus diesem Grund fühlen wir uns als integraler Bestandteil einer Kirche, die vor neuen und schwierigen Herausforderungen steht und uns heute auffordert, uns weiterhin – auch in neuen Formen – der Erziehung der Jugendlichen zu widmen, denen Don Giussani sein ganzes Leben gewidmet hat. Insbesondere halte ich es für notwendig, Bildungswege zu finden, die in der Lage sind, in kluger Weise die neuen Technologien zu nutzen, damit diese die Entwicklung der Beziehungsdimension des Menschen fördern, statt die derzeitige individualistische Verkürzung zu verstärken. Dies scheint mir eine unabdingbare Voraussetzung für den Aufbau einer wirklich freien Gesellschaft zu sein.

Wir warten auf die Worte, die Papst Leo XIV. an uns richten wird, um ihm zu folgen und mit ihm voranschreiten zu können. Schon jetzt sind wir sicher, dass seine Wahl ein Geschenk für uns Christen, aber auch für die übrige Welt ist, die – oft ohne es zu wissen – auf Gewissheit und auf eine Botschaft der Hoffnung wartet. Wir wünschen uns, dass dieses Jubiläum, das ganz der Hoffnung gewidmet ist, eine Gelegenheit für alle sein möge, die innerhalb und außerhalb der Kirche ein offenes Ohr haben.

Genau dazu möchte ich noch einen letzten Gedanken anfügen. Heute von Hoffnung zu sprechen, scheint eine naive Illusion zu sein, und das wäre es auch, wenn sie von unseren Fähigkeiten oder Leistungen abhinge. Nicht umsonst schloss Don Giussani seine Rede 1998 mit folgenden Worten: „Ausdruck und letztes Ideal unserer Existenz ist das Betteln. Der wahre Protagonist der Geschichte ist der Bettelnde: Christus, der um das Herz des Menschen bettelt, und das Herz des Menschen, das um Christus bettelt.“ Nur die Gewissheit einer guten Bestimmung kann Hoffnung begründen. Deshalb möchten wir in erster Linie eine „Armut des Geistes“ für uns selbst erbitten, und mit dieser Haltung möchten wir gemeinsam mit allen anderen Bewegungen an der Pfingstvigil mit dem Heiligen Vater teilnehmen.

Avvenire vom 7. Juni 2025