Don Giussani

Giussani. Eine größere Reife

Ein Brief an die Mitglieder der Fraternität für den Advent 1988: „Aus demütigem Zuhören und treuer Nachfolge entsteht ein noch wahrhaftigerer christlicher Weg.“
Luigi Giussani

Am 21. November 1988 schrieb Don Giussani einen Brief mit guten Wünschen zum Beginn des Advents an die Fraternität. Dabei erinnerte er an „den einzigen Grund“ unseres Zusammenseins. Der Brief ist in L. Giussani, L’opera del movimento. La Fraternità di Comunione e Liberazione, San Paolo, Cinisello Balsamo (MI) 2002, pp. 256-257, nachzulesen. Wir schlagen ihn heute wieder vor, weil er seine Aktualität unverändert beibehalten hat.

Mailand, 21. November 1988


Liebe Brüder und Schwestern,

der Beginn des Advents erinnert uns an das große Sakrament der Menschwerdung: Das Geheimnis hat „in einem menschlichen Antlitz Gestalt angenommen“. Hierin liegt das ganze Staunen, die Ehre und die Verantwortung unseres Glaubens.

Und das ist der einzige Grund für unsere Fraternität. Jeder von uns könnte nämlich dem Herrn und seiner Kirche nachfolgen, wie er es für richtig hält. Jeder könnte sich stützen, worauf er will, und Orte wählen, die seinem Gefühl oder seinen Meinungen entsprechen. Stattdessen haben wir uns zusammengeschlossen, weil der Herr uns eine größere Intensität und Freude darin erkennen ließ, Ihn zu sehen und Ihm zu folgen, indem wir gehorsam der Begegnung, die zwischen uns geschehen ist, nachgegangen sind.

Der Advent bringt uns zusammen, weil wir überzeugt sind, dass aus demütigem Zuhören und treuer Nachfolge ein noch wahrhaftigerer christlicher Weg entsteht. Nach dem Vorbild des Wortes „gehorsam“ – und nach dem Vorbild der Ordensgemeinschaften in der Geschichte der Kirche.

Unsere Einheit ist also keine Verpflichtung, kein Muss: Sie ist einfach eine Methode, damit die Liebe Christi einfacher, sicherer, leidenschaftlicher, brennender, größer und beständiger wird.
Wie viele wechselvolle Ereignisse hat die Bewegung in den letzten sechs Monaten durchlebt! Und wie viele persönliche Ereignisse! So viele Gedanken, Meinungen, Reaktionen, Ausbrüche und Unsicherheiten mögen in unseren Herzen aufgekommen sein. Was jedoch zählt, ist, dass wir sowohl konkreter als auch freimütiger die demütige Nachfolge zur Einheit, welche uns leitet, uns einlädt und uns bestimmt, wieder aufnehmen. Sie kann sich jedoch durchaus irren.

- Deshalb müssen wir beten, dass sie sich mehr der Anrufung des Heiligen Geistes und der Muttergottes sowie der Beachtung der Lehre und der Weisungen des Lehramtes zuwendet und
- deshalb müssen wir immer positiv und geduldig einwirken.

Aber gerade wegen dem, was wir gesagt haben, wäre es nie gut für uns, uns abzutrennen, um letztendlich unsere Positionen, sei es von einzelnen Personen oder von Gruppen, zu behaupten. Die sinnvollste Methode, um den Heiligen Geist und den Gehorsam gegenüber dem Geheimnis der Kirche zu lernen, liegt in der Nachfolge der Gemeinschaft, die uns der Herr geschenkt hat.

Lasst uns also diesen Weg mit einer größeren Reife, das heißt mit einem tieferen Bewusstsein, mit Demut und treuer Liebe fortsetzen.

Nie zuvor gab es in unserer Gemeinschaft eine so beeindruckende Blüte von schöpferischen Unternehmungen, in denen „die Freude der Liebe zu Christus in der Liebe zu den Brüdern erfahrbar wird“. Von der Großzügigkeit des „Ziegels“ über die Bemühungen, großartige Werke für Kranke und alte Menschen zu tun. Von den Initiativen für Behinderte bis hin zur Unterstützung und Begleitung Bedürftiger. Von den Familien, die andere Menschen, aus aller Welt, aufnehmen. Und zwar aus Liebe zu ihrer Bestimmung – Christus –, so wie es alle unsere Missionen sind. alle unsere Missionen aus Liebe zu unserer Bestimmung sind.

Herzlichen Dank, liebe Brüder und Schwestern.

Verzeiht mir das, bei dem ich nicht weiß, wie ich euch ein Vorbild sein kann; euch bin ich auf ewig dankbar für das Vorbild, das ihr alle für mich seid.

Frohe Weihnachten euch, euren Familien und euren Gruppen.

Euer euch sehr verbundener

Don Luigi Giussani