Caravaggio: die sieben Werke der Barmherzigkeit in einem
Eines der Meisterwerke von Caravaggio stellt die sieben leiblichen Werke der Barmherzigkeit dar. Das Chaos des wirklichen Lebens scheint da jede vorgegebene Ordnung über den Haufen zu werfen.Doch der Künstler nimmt die Herausforderung an und verblüfft seine Betrachter. Ein Gemälde werden wir in diesen Monaten sicher oft zu sehen bekommen: Die sieben Werke der Barmherzigkeit von Caravaggio. Ein faszinierendes Meisterwerk, in dem sich Körper und Handlungen in einem Wirbel ohne erkennbare Ordnung begegnen. Caravaggio malte es 1606 für den „Pio Monte della Misericordia“ in Neapel, wo es heute noch hängt. Der „Fromme Berg der Barmherzigkeit“ war eine wohltätige Institution, die zu Beginn des 17. Jahrhunderts von jungen Adeligen gegründet wurde, um der grassierenden Armut in Neapel zu begegnen.
Das Chaos des wirklichen Lebens wirft jede formale Ordnung über den Haufen, und Caravaggio nimmt diese Herausforderung an wie ein Regisseur, der seinen Schauspielern am Set freie Hand lässt. Auf dicht gedrängtem Raum sind hier alle sieben Werke der Barmherzigkeit dargestellt. Auch das „Bestatten der Toten“, in dieser wunderbaren Szene, die hinter einer Hausecke hervorlugt. (Von dem Toten sieht man nur die Füße.)
Weiter gibt es auf dem Gemälde eine verwirrende Szene, in der gleich zwei Werke der Barmherzigkeit verkörpert sind: „Hungrige speisen“ und „Gefangene besuchen“. Man sieht eine junge Frau, die stehend einem Mann die Brust reicht, der seinen Kopf durch ein vergittertes Fenster streckt. Diese Darstellung basiert auf einer Geschichte, die der lateinische Schriftsteller Valerius Maximus über einen gewissen Cimon erzählt. Er sei zum Hungertod im Kerker verurteilt gewesen, aber von seiner Tochter Pero gerettet worden, die ihn heimlich stillte. In Caravaggios Darstellung wendet sie sich um und passt auf, dass sie nicht erwischt wird: Die Barmherzigkeit muss manchmal auch schlau sein …
Die anderen Werke der Barmherzigkeit konzentrieren sich alle in der Gruppe von Personen auf der linken Seite des Bildes: „Nackte bekleiden“ und „Kranke besuchen“ sind zusammen dargestellt in einer Szene, wo jemand wie der heilige Martin seinen Mantel teilt und ihn einem nackten Mann im Vordergrund reicht. „Durstige tränken“ wird durch einen Mann repräsentiert, der aus dem Kinnbacken eines Esels trinkt – Simson, der in der Wüste seinen Durst mit dem Wasser löschte, das der Herr hatte hervorsprudeln lassen. „Obdachlose beherbergen“ wird durch den Mann symbolisiert, der dem Pilger mit der Muschel ein Haus weist. Der „Kranke“ ist wie gesagt die große Gestalt im Vordergrund.
Die Regie überlässt Caravaggio der Gottesmutter und dem Jesuskind, die vom oberen Bildteil aus an den Werken der Barmherzigkeit teilnehmen. Aus dem Dunkel unter ihnen stürzen zwei wunderschöne Engel hervor. Mit weit ausladenden Gesten scheinen sie die Hinweise von Maria und ihrem Sohn an die Menschen weiterzuleiten.