Gemeinsam erleben. Das Meeting 2016 beginnt am 19. August mit einem Grußwort des italienischen Staatspräsidenten Sergio Mattarella und endet am 25. August mit einer großen Veranstaltung über Mutter Teresa. Dazwischen liegen 100 Vorträge, acht Theaterauffü

MEETING FÜR DIE FREUNDSCHAFT UNTER DEN VÖLKERN 2016

„Du bist ein Gut für mich“: Meeting für die Freundschaft unter den Völkern, Rimini, 19. bis 25. August 2016
Luca Fiore

Der Andere. Das, was außerhalb ihrer selbst ist, empfinden viele heute als Bedrohung. Wir erleben das gerade angesichts der Flüchtlingskrise oder am Zerbrechen der Familien. Aber auch im ganz normalen Alltag. Das diesjährige Meeting stellt eine Behauptung auf, die allem zu widersprechen scheint: Du bist meine Hoffnung, du bist lebensnotwendig für mich. Wir wollen einige der Menschen vorstellen, die aus den unterschiedlichsten Kontexten und Gegenden der Welt nach Rimini kommen werden und diese Herausforderung annehmen.

„Wenn Sie mich fragen, was mich am Meeting beeindruckt und warum ich immer wieder komme, muss ich ehrlich sagen: das, was ich bei Comunione e Liberazione erlebt habe.“ Giorgio Buccellati ist Professor für Archäologie und Experte für die Hochkulturen Mesopotamiens. Gemeinsam mit seiner Frau Marilyn hat er sein halbes Leben in Ausgrabungsstätten in Syrien und dem Irak verbracht. Er kommt schon zum wiederholten Male nach Rimini. Beim ersten Mal hielt er dort einen Vortrag über den Vergleich zwischen der mesopotamischen Religiosität und der der biblischen Welt. Im Jahr darauf war sein Thema der Unterschied zwischen dem Staatsbegriff Mesopotamiens und des Volkes Israel. 2014 kuratierte er zusammen mit seiner Frau die große Ausstellung „Aus den Tiefen der Zeit. Kommunikation und Gemeinschaft im antiken Syrien“. Im Jahr darauf saß er bei einer Veranstaltung mit Ignacio Carbajosa über die Gestalt Abrahams auf dem Podium. Dieses Jahr nun wird Marilyn Buccellati eine Ausstellung über das antike Georgien präsentieren.

Giorgio Buccellati, Archäologe

„Beim ersten Mal kam ich mit einem gewissen Misstrauen gegenüber der Bewegung her. Ich hatte lange in den Vereinigten Staaten gelebt, hatte keine direkte Erfahrung mit CL und kannte die Polemiken in Italien nicht.  Meine Vorstellung war, wie die eines Großteils der katholischen Welt, dass das Meeting ein ideologischer Ort sei“, erklärt Buccellati. „Dann habe ich festgestellt, dass das nicht stimmt. Eher im Gegenteil. Das hat mich nachdenklich gemacht. Ich fragte mich: Warum geht es beim Meeting so gar nicht ideologisch zu? Wieso kann der Glaube keine ideologische Position sein? Dem bin ich dann in Rimini nachgegangen. Ideologie heißt, Ideen vorzulegen, ohne sich auf einen Wert zu stützen. Das Gegenteil von Ideologie ist die Erfahrung. Also einen Wert als lebendige Wirklichkeit vorzustellen, die den Ideen Gestalt verleiht, aber unabhängig von den Ideen existiert.“

 Eine freie Beziehung. Und der Wert, so Buccellati, ist etwas, mit dem man sich persönlich auseinandersetzen kann. „Beim Meeting teilen alle – vom freiwilligen Helfer bis zu den Cheforganisatoren – denselben Geist der Offenheit und den Wunsch, sich von wahren Werten leiten zu lassen. Von Werten, die ich schon vorher teilte. Denn letztendlich ist der größte Wert Gott selbst. Aber es hat mir sehr geholfen, dass diese Werte so konkret gelebt werden, so lebendig und schön.“

Für Buccellati war es dann auch wichtig, in Rimini etwas sehen, was er für eine Eigenschaft der Kirche hält: eine große Zahl von Menschen. Eine Menschenmenge, die nicht anonym ist, in der man immer eine persönliche Wirklichkeit erkennt. „Beim Meeting hat jeder auf seine Weise die zentralen Werte präsent, die wichtig sind im Leben. Das konnte ich gut sehen, als ich mit der Gruppe von Studenten, die die Führungen in der Ausstellung über Syrien gemacht haben, zusammenarbeitete. Auf unsere Anregungen reagierten alle auf ihre persönliche Weise, die mit jenen Werten, von denen ich gesprochen habe, zu tun hat. Dasselbe war bei den älteren Leuten zu beobachten: Sie knieten sich hinein, ohne große Worte zu machen. Und was sagt ihm der Titel von 2016 :„Du bist ein Gut für mich“? „Das hat mit dem Problem der Moderne zu tun. Unsere Gesellschaft versucht eine Art virtuelle, algorithmische Wirklichkeit zu erreichen. Dadurch reden wir nicht mehr miteinander wie mit einem Du, sondern wie man es mit einem Computer oder einem Haustier tut – die machen das, was wir von ihnen erwarten. Von den Anderen erwarten wir nicht mehr, dass sie anders sind. Wir versuchen immer, sie zu zähmen, so dass sie uns möglichst ähnlich werden.“



Buccellati spricht hier von einer Art anonymer Gleichheit, die seiner Ansicht nach immer mehr zum letzten Ziel des Lebens wird. „Das Du dagegen ist eine Überraschung. (Ihr verwendet dieses Wort ja oft.) Das Du ist etwas, was ich nicht erwarte, was mich auch durcheinanderbringen kann. Aber genau deswegen ist es eine Bereicherung. Wenn ich sage: ,Du bist ein Gut für mich‘, dann heißt das:  ,Du bist etwas Anderes als ich‘. Genauso wie man in der Ehe bereit sein muss, das Andersartige zu integrieren, anzunehmen und wertzuschätzen. Das führt zur Gemeinschaft. ,Comunione e Liberazione‘ (Gemeinschaft und Befreiung) ist eigentlich ein etwas sonderbarer Name, der aber auf genau diese Dynamik hinweist. Denn ,Gemeinschaft‘ bedeutet, dass man sich gegenseitig in sein Leben aufnimmt, während ,Befreiung‘ darauf hindeutet, dass man in dieser Beziehung frei ist von Egoismus, der die Gemeinschaft auf ein Sich-Vereinnahmen verkürzen würde.“

Wenn das der Fall ist, meint Buccellati, entsteht eine freie Beziehung, bei der man sich  auseinandersetzen kann, und das führt zu einer Bereicherung. „Das ist meiner Ansicht nach der Beitrag, den die Kirche der säkularen Welt, also der Gesellschaft leisten kann. Die Kirche schlägt die denkbar persönlichste Wirklichkeit vor: die Beziehung zu Christus in der Gemeinschaft der Heiligen. Diese umfasst alle: eine unübersehbare Menge, die sich über Raum und Zeit erstreckt, von den Menschen im antiken Mesopotamien bis hin zu denen, die das erleben werden, was wir das ‚Ende der Welt‘ nennen. Eine unvorstellbare Menschenmenge, in der aber jeder einzelne eine einzigartige Person bleibt. Das ist die schöne Botschaft, die das Christentum allen vorstellt, und das zieht auch diejenigen an, die nicht gläubig sind.“