„Alles ist von Gott behütet“
Wir schlagen als „Buch des Monats“ die Biographie des vietnamesischen Kardinals Francois Xavier Nguyen Van Thuan vor.„Ich traf Nguyên Van Thuân an dem Tag, an dem Johannes Paul II. ihn zum Kardinal ernannte, am 21. Februar 2001. Er lächelte sehr schüchtern und hatte ein freundliches Wesen. Er schien, sich in den prächtigen Kardinalskleidern unter den alten, wunderbaren Fresken der vatikanischen Paläste ein wenig unwohl zu fühlen. Während ich mit ihm sprach, fiel mir das schlichte Holzkreuz um seinen Hals auf, das sich von den goldglänzenden der anderen Kardinäle abhob. Dann erfuhr ich, dass er dieses Kreuz, das er heimlich geschnitzt und vor seinen Gefängniswärtern versteckt hatte, trug, seit er aufgrund seines Glaubens eingekerkert war im kommunistischen Vietnam, ohne Prozess und Verurteilung. Ein grausames Regime versuchte, das Christentum in seinem Land auszulöschen. Van Thuân verbrachte 13 harte Jahre in Umerziehungslagern, davon neun in Einzelhaft. Ein Häftling, den sein eigenes Land verstoßen hatte, wurde an diesem Tag zum Kardinal.“ So berichtet es der Vatikankorrespondent Stefano Maria Paci.
Und um diese Geschichte geht es auch in dem Band, den wir als „Buch des Monats“ vorschlagen. Es handelt sich um ein „Lebensbild“ des Kardinals, geschrieben von einem Freund, der Van Thuân seit seinem achtzehnten Lebensjahr kannte. Die beiden besuchten gleichzeitig den Schülerkonvikt in An Ninh. So können wir durch den Blick eines Zeitzeugen mit Van Thuân in den Abgrund hinabsteigen und seinen Schmerz und sein Leid mitempfinden.
Am 24. April 1975 wird François Xavier Nguyên Van Thuân von Papst Paul VI. zum Erzbischof-Koadjutor von Saigon (heute Ho-Chi-Minh-Stadt) ernannt. Nur wenige Wochen später wird er vom kommunistischen Regime verhaftet. Man beschließt allerdings, ihn nicht zu töten, um ihn nicht zu einem international bekannten Märtyrer zu machen. Dafür wird er geschlagen, muss hungern, wird in verdreckte Zellen gesperrt mit Tieren, Kot und Erbrochenem.
Das Buch von André Nguyen Van Chau ermöglicht es uns, uns in Van Thuân hineinzuversetzen, in die Geschichte eines Menschen, der sich selbst unter den allerschwierigsten Umständen ganz Gott anvertraut, der in und von dessen konkreter Begleitung lebt. Selbst hinter Gittern fühlt er sich paradoxerweise frei. Er ist selbst erstaunt darüber und ihm wird klar, dass nicht er, sondern ein Anderer das bewirkt. Auch seine Mitgefangenen nehmen sich nach und nach wieder als Menschen wahr. Einige nähern sich Gott an, empfangen heimlich die Kommunion, winzige Bruchstücke von Hostien, die Van Thuân in Alufolie gewickelt unter seiner schmutzigen Kleidung versteckt. Nachts feiern sie heimlich die Messe, viele beichten und lassen sich taufen. In jedem Gefängnis oder Lager, in das Van Thuân verlegt wird, entstehen christliche Untergrundgemeinden. Und sogar einige der grausamen Gefängniswärter bekehren sich. „Alles, was geschieht, ist von Gott behütet“, pflegte der spätere Kardinal zu sagen.
In jedem Gefängnis oder Lager, in das Van Thuân verlegt wird, entstehen christliche Untergrundgemeinden.
Im November 1988 wurde Van Thuân endlich entlassen, musste aber ins Exil gehen. Johannes Paul II. holte ihn in den Vatikan und ernannte ihn zunächst zum Vizepräsidenten und 1998 zum Präsidenten des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden. François Xavier Nguyên Van Thuân starb am 16. September 2002 in Rom. Seit 2010 läuft ein Seligsprechungsverfahren für ihn.
François Xavier Nguyen Van Thuan. Ein Lebensbild
Von André Nguyen Van Chau
Verlag Neue Stadt
ISBN: 978-3-87996-762-9