Weihnachten: eine Wärme, die verhärtete Herzen auftauen lässt
Ein Beitrag des Präsidenten der Fraternität von Comunione e Liberazione: Wie sehr wir auch versuchen, seine Bedeutung zu verdunkeln, Weihnachten bleibt das Fest, das alle vereint, Gläubige und Atheisten gleichermaßenSehr geehrter Herr Chefredakteur,
in einem kürzlich erschienenen Interview mit dem Corriere sagt Lorenzo Jovanotti in Bezug auf John Lennons Imagine: „Eine Welt ohne Religionen wäre schlimmer, denn der Glaube ist das Menschlichste, was man hat. (...) Es geht nicht darum, sich von den Religionen zu befreien, sondern darum, dass wir befreit werden“. Und weiter: „Die Kirche ist ‚mein Zuhause‘.“ Damit beschreibt Jovanotti eine Erfahrung, die auch die meine ist. Vor allem aber bringt er eine revolutionäre Haltung gegenüber dem allgemeinen Denken zum Ausdruck.
Seine Worte werfen Fragen auf, die meines Erachtens jeden betreffen: In welchem Sinne kann der Glaube uns befreien? Und inwiefern kann die Kirche, das heißt eine menschliche Wirklichkeit, die aus begrenzten und zerbrechlichen Menschen wie allen anderen besteht, ein Ort der wahren Befreiung sein? Das klingt wie ein Märchen oder wie eine Absurdität. Es gibt jedoch eine unbestreitbare Tatsache: Jeder Mensch hat den Wunsch, wirklich frei zu sein. Frei von dem Gefühl, ein Nichts zu sein, eine zufällige Zahl, die in einer unbestimmten Menge verloren geht. Es ist ein Gefühl, das nicht einmal eine Freiheit unterdrücken kann, die auf der Ausweitung von Rechten und Technologien gründet.
Also unterdrücken wir diesen Wunsch mit verschiedenen Ablenkungen, inmitten einer Kultur, die alles tut, um sie zu fördern. Was also tun? Italo Calvino schrieb in Bezug auf diese Art von „Hölle“, die oft der Alltag ist: „Es gibt zwei Arten, nicht darunter zu leiden. Die eine fällt vielen recht leicht: die Hölle akzeptieren und so sehr Teil davon werden, dass man sie nicht mehr erkennt. Die andere ist gewagt und erfordert dauernde Vorsicht und Aufmerksamkeit: suchen und zu erkennen wissen, wer und was inmitten der Hölle nicht Hölle ist, und ihm Bestand und Raum geben.“
Angesichts der Zunahme von Kriegen, Intoleranz und Gewalt, angesichts der Verhärtung, die oft in unseren Tagen vorherrscht, besteht die Versuchung, sich mit dem ersten Weg abzufinden. Es sei denn, inmitten der Hölle gibt es wirklich etwas, was nicht Hölle ist. Don Giussani kommentierte den Satz von Calvino: „‘Wer und was inmitten der Hölle nicht die Hölle ist‘. Das ist wirklich geschehen! (...) Die Bestimmung, unsere Bestimmung, ist zur Gegenwart geworden. Und zwar als Vater, als Mutter, als Bruder, als Freund, als einer, der sich unerwartet zu uns gesellt hat auf unserem Weg. Ein Wegbegleiter: Immanuel, der Gott mit uns! Das ist wirklich geschehen!“ In einem bestimmten Moment der Geschichte geschah etwas Neues, das alles veränderte. Und doch, ohne scheinbar etwas zu verändern.
Das ist das wirklich „Revolutionäre“ an Weihnachten. Denn was kann ein Kind, das in einer Krippe liegt, schon ändern? Wie sehr wir auch versuchen, die Bedeutung von Weihnachten zu verdunkeln, so bleibt es doch das Fest, das alle vereint, Gläubige und Atheisten gleichermaßen. Fast unbewusst spürt jeder die seltsame, paradoxe Wärme, die von dem neugeborenen Kind ausgeht, das in der Kälte liegt. Eine Wärme, die verhärtete Herzen auftauen lässt, die eint und versöhnt und die Hoffnung wiederherstellt. Ich glaube, es ist kein Zufall, dass wir Weihnachten am liebsten mit unseren lieben Angehörigen feiern. Gerade an Weihnachten, im Angesicht dieses Gotteskindes, das in den Armen seiner Mutter schläft, entdecken wir wieder die Kraft, über die selbst unsere zerbrechlichen Leiber verfügen, um einander das Wesentliche zu sagen und das einzige Wort auszutauschen, das wirklich befreit: Du bist geliebt. Don Giussani sagte, dass „wir die Familie als das eindrucksvollste Beispiel für die Menschwerdung betrachten sollten“.
Durch die scheinbare Armseligkeit unseres Menschseins hindurch geht die Wärme der Weggemeinschaft Gottes durch unser Leben weiter: Vater, Mutter, Bruder, Freund. Dante spielte darauf in seiner Weise im 30. Gesang des Fegefeuers an: „Oft sah ich wohl beim Anbeginn des Tages / Die Morgenseite rosig ganz gefärbet, / Und schöne Heitre sonst den Himmel schmücken, / Und überschattet so aufgehn das Antlitz / Der Sonne, das, gesänftiget durch Dünste, / Es lange Zeit das Aug' ertragen konnte.“ So wie die blendende Intensität des Sonnenlichts in der Morgendämmerung dank der „rosig gefärbte Dünste“, die sie zu dieser Stunde „sänftigen“, für das Auge erträglich wird, so wird die göttliche Liebe durch das „Rosa“ unseres Fleisches, das heißt durch die menschliche Weggemeinschaft, fassbar, spürbar. Es gibt keine Verkündigung, die paradoxer und zugleich vernünftiger wäre. Und ich ertappe mich dabei, dass ich mit demütiger Dankbarkeit wie viele andere Freunde sage, dass diese Weggemeinschaft unter der Leitung des Papstes, die Kirche, „mein Zuhause ist“. Mit dem Wunsch, ihr Raum zu geben und sie allen anzubieten.
(Aus Corriere della Sera, 25. Dezember 2024)
Der Autor ist Präsident der Fraternität von Comunione e Liberazione