Ferien: die Zeit der Freiheit
„In der Erwartung der Ferien offenbart sich eine Lust am Leben. Gerade deshalb sollten die Ferien keine bloße Freizeit sein“ In den Worten von Don Giussani eine Hilfe, die nächsten Wochen zu „genießen“Die Ferien stehen vor der Tür. Keine Pause von sich selbst, sondern eine Gelegenheit, das zu vertiefen, was man gerade erlebt. Denn gerade in der freien Zeit versteht man, was man wirklich will. Wir schlagen hier einen Text zu diesem Thema vor, der aus Gesprächen zwischen einigen Jugendlichen und Don Giussani stammt.
Von den ersten Tagen der Gioventù Studentesca (GS, Vorgänger von CL) an hatten wir ein klares und einfaches Konzept: Freizeit ist die Zeit, in der man nicht verpflichtet ist, etwas zu tun; es gibt nichts, das man tun müsste. Die Freizeit ist freie Zeit.
Da wir oft mit den Eltern und den Lehrern darüber diskutierten, dass GS zu großes Gewicht gerade auf die Freizeit der Jugendlichen lege, wo doch die Jugendlichen vorrangig lernen oder in der Küche und im Haus arbeiten sollten, sagte ich: «Sie werden die Freizeit gut verbringen, die Jugendlichen!». «Aber», so hielt man mir entgegen, «einen Jugendlichen, eine erwachsene Person beurteilt man nach der Arbeit, nach der Ernsthaftigkeit, der Ausdauer und der Treue in der Arbeit». «Ach was!», antwortete ich, «Einen Jugendlichen beurteilt man danach, wie er die Freizeit verbringt.» Diese Antwort erregte allgemein Anstoß. Aber es ist so: Wenn Freizeit ist, heißt das, dass jemand frei ist zu tun, was er will. Deshalb zeigt sich, was einer will, darin, wie er seine Freizeit verbringt.
Was ein Mensch, ob jugendlich oder erwachsen, wirklich will, offenbart sich nicht bei der Arbeit oder beim Lernen, das heißt in dem, was er aus Konvention oder aus gesellschaftlichem Zwang zu tun verpflichtet ist, sondern in dem, wie er mit seiner freien Zeit umgeht. Wenn ein Jugendlicher oder ein Erwachsener die freie Zeit vergeudet, liebt er das Leben nicht: Er ist stumpfsinnig. Nicht von ungefähr sind gerade die Ferien die klassische Zeit, in der die meisten verblöden. In Wirklichkeit sind die Ferien aber die kostbarste Zeit des Jahres, weil sie die Gelegenheit bieten, sich so zu engagieren, wie man es will, und dabei jenen Wert einzubringen, den man in seinem Leben als vorrangig anerkennt, – oder aber man engagiert sich überhaupt nicht und verblödet dann eben.
Die Antwort, die wir den Eltern und Lehrern vor mehr als vierzig Jahren gegeben haben, enthält eine tiefe Einsicht, zu der sie selbst nicht gelangt waren: Der größte Wert des Menschen, seine Tugendhaftigkeit, sein Mut, seine Energie, das, wofür es sich zu leben lohnt, besteht in der Ungeschuldetheit, im Offensein für die Ungeschuldetheit. Und die Ungeschuldetheit tritt gerade in der Freizeit hervor und behauptet sich auf erstaunliche Weise.
Die Art und die Treue, in der gebetet wird, die Wahrheit der Beziehungen, die Hingabe seiner selbst, der Geschmack der Dinge, die Bescheidenheit im Umgang mit der Wirklichkeit, die Weise, wie man sich von ihr anrühren lässt und an ihr Anteil nimmt, – all das zeigt sich in den Ferien viel deutlicher als während des Jahres. In den Ferien ist man frei und wenn man frei ist, tut man das, was man will.
Das alles will sagen: Die Ferien sind wichtig. Das beinhaltet, dass es wichtig ist, aufmerksam zu sein gegenüber jenen Menschen, mit denen man zusammen ist, und gegenüber dem gewählten Ort. Vor allem aber hat es zu tun mit der Art, in der man lebt: Wenn die Ferien dich niemals an das erinnern, woran du dich selbst am meisten erinnern möchtest, wenn sie dich nicht offener für die anderen, sondern dich auf deine eigenen Instinkte einengen, wenn sie dich nicht lehren, die Natur mit tiefem Empfinden zu betrachten, wenn sie dich nicht freudig ein Opfer bringen lassen, erreicht die Zeit der Erholung nicht ihr Ziel.
Die Ferien sollen so frei wie möglich sein. Das Kriterium der Ferien ist: Möglichst mit voller Lunge zu atmen. Unter diesem Gesichtspunkt ergibt sich: Von vornherein einen Grundsatz festzulegen, den eine Gruppe in den Ferien gemeinsam zu verfolgen hat, steht vor allem dem entgegen, was vorhin gesagt wurde. Denn dann können die Schwächsten der Gruppe es nicht wagen, nein zu sagen. Zweitens widerspricht es dem missionarischen Prinzip. Gemeinsam in die Ferien zu gehen, muss diesem Kriterium entsprechen: In jedem Fall, vor allem und über allem die Freiheit. Freiheit das zu tun, was man will ... gemäß dem Ideal!
Was bringt es einem, so zu leben? Die Ungeschuldetheit, die Reinheit der menschlichen Beziehung. Nach alledem ist es das Letzte, was man uns vorwerfen kann, dass wir zu einem traurigen Leben einladen oder in ein bedrücktes Leben zwingen würden. Es sollte sich zeigen, dass gerade der, der Vorbehalte hat, traurig, schwerfällig und ausgemergelt ist, sofern «ausgemergelt» den bezeichnet, der nicht isst und trinkt, das Leben also nicht genießt. Angemerkt sei noch, dass Jesus das Instrument, die stärkste Klammer, die den auf Erden wandelnden Menschen mit dem lebendigen Gott, dem unendlichen Geheimnis verbindet, in eins setzt mit dem Essen und dem Trinken: die Eucharistie ist Essen und Trinken – auch wenn sie gegenwärtig vielfach auf ein äußeres Schema verkürzt wird, dessen Sinn man nicht mehr begreift. Sie ist Essen und Trinken: Agape ist Essen und Trinken. Der größte Ausdruck der Beziehung zwischen mir und dieser Gegenwart, die Gott ist, der in dir, Christus, Mensch geworden ist, heißt: Mit dir essen und trinken. Dort wirst du eins mit dem, was du isst und trinkst. Es gilt also: «Obwohl ich im Fleisch lebe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes». („Glaube heißt“, eine Gegenwart anzuerkennen)