„Wie wird es erst sein, vom Sein selbst berührt zu werden!“
Jone Echarri begleitete als Physiotherapeutin Don Giussani in seinen letzten Jahren. Bei einer Veranstaltung zu Ehren des Gründers von CL in Madrid im April 2022 hat sie davon berichtet. Hier Auszüge daraus.Luigi Giussani war ein Mensch, der sich vom Christusereignis hat überraschen, verführen und für immer einnehmen lassen. Die Begegnung mit Christus beherrschte sein ganzes Leben. Er lebte ganz dafür, die Schönheit zu bezeugen, die ihn berufen hatte und auf die er so leidenschaftlich geantwortet hatte. Diese Zugehörigkeit durchzog seine ganze Existenz.
Ich bin besonders dankbar dafür, dass ich durch das Zusammensein mit ihm einen Menschen erleben durfte, wirklich eins war, wie man es nur selten findet. Eine solche Einheit ist das wichtigste Kennzeichen des „Hundertfachen“, das Jesus uns versprochen hat. Giussani war wirklich eins bei allem, selbst in besonders schwierigen Situationen, wenn er sehr schwach war und Schmerzen hatte. Darauf werde ich später noch zurückkommen. Zunächst möchte ich über einige Aspekte seines Alltags sprechen, die zeigen, wer er war, welches Bewusstsein er von sich selbst hatte. Denn wenn jemand krank ist, wird besonders deutlich, wie und wozu er lebt.
Giussani begann mit der Physiotherapie, nachdem eine gemeinsame Freundin von uns, Carmen Giussani, in meiner Praxis gesehen hatte, wie ich meine neurologischen Patienten behandelte. Als sie das nächste Mal nach Mailand kam, erzählte sie ihm, was sie gesehen hatte: „Ich glaube, diese Therapie könnte dir auch guttun.“ Ein paar Tage später rief Giussani mich an und fragte: „Kannst du nicht einmal übers Wochenende kommen und mich behandeln?“ Das war 1994.
Ich wollte aber, dass ihn zunächst meine Lehrerin aus London behandelte, eine international anerkannte Spezialistin. Nach einer Physiotherapie-Stunde mit ihr verspürte Giussani schon eine starke Linderung seiner Symptome. Er sagte: „Wenn man es als eine so große Wohltat empfindet, von den Händen eines Menschen berührt zu werden, wie muss es dann erst sein, vom Sein selbst berührt zu werden!“ Wir alle, die dabei standen, waren verstummt, weil die Krankheit schon ihr schlimmes Gesicht zeigte. Doch er sagte: „Wie muss es erst sein, vom Sein selbst berührt zu werden!“ Von diesem Tag an wollte ich genauer wissen, was er damit meinte und was das in seinem täglichen Leben bedeutete.
Marx hat gesagt, Religion sei „Opium für das Volk“. Don Giussani dagegen erklärte immer, ein religiöser Mensch lebe die Wirklichkeit intensiv. Und ich dachte mir: Ich will beobachten, wie er die Wirklichkeit intensiv lebt. Denn dadurch versteht man alles. Und indem ich ihn Tag für Tag genau beobachtete, erkannte ich immer überraschendere Dinge.
Das erste, was mir auffiel, war die Art, wie er morgens aufstand. Es war bewegend. Er stand auf und freute sich auf die Dinge, die geschehen würden und von denen er lernen konnte, trotz seines fortgeschrittenen Alters. Er sagte: „Jone, mach das Fenster auf, damit wir sehen, was wir heute lernen sollen.“ Nachdem er das mehrere Tage hintereinander gesagt hatte, fragte ich ihn: „Und was ist das, was wir lernen sollen?“ Darauf antwortete er: „Dass uns der ganze Tag gegeben ist, um Gott zu erkennen und ihn zu lieben.“
Auch da wurde ich ganz still und verstand, dass er die Wirklichkeit leben wollte, indem er jeden Morgen nicht nur entdeckte, was in ihr geschah, sondern auch, wer am Ursprung des Ganzen stand. Dieser ist es, der allen Dingen Wert und Sinn verleiht. Man sah, dass Giussani eine sehr persönliche und vertraute Beziehung zu Gott hatte, die ihn die Wirklichkeit als Geschenk erleben ließ, als etwas, das ihm geschenkt war und dem er nachgehen wollte mit einem kindlichen Herzen. So habe ich den Sinn des Lebens als Berufung in Aktion erkannt.
Einmal saßen wir bei Tisch und aßen Spaghetti mit Öl, Knoblauch und Chili und er rief aus: „Wie gut ist das!“ Dann dachte er kurz nach und sagte: „Wie könnte ich das ‚gut‘ nennen, wenn es nicht das Gute schlechthin gäbe, das der Ursprung dessen ist? Damit wir ihm anhängen, hat der Herr uns mit einer grundlegenden Eigenschaft ausgestattet: dem Geschmack, der Freude. Wer keine Erziehung zum Geschmack und zur Freude erfahren hat, dass es uns also entspricht, dem Geheimnis anzuhängen, der kann nicht frei sein.“ (Vgl. A. Savorana, Vita di don Giussani, Bur, Mailand 2014, S. 1031)
Was mich besonders beeindruckt hat, war, wie spontan er dies alles sagte. Es war offensichtlich, dass diese Gedanken aus seinem Selbstbewusstsein heraus entstanden, etwas, das er kaum für sich behalten konnte ... Sogar beim Essen merkte man, dass aus seiner Sicht außer uns noch ein weiterer Gast mit am Tisch saß. So genoss er alles noch viel mehr.
Eines Morgens wachte er auf und sagte seiner Sekretärin: „Hol alle zusammen, die im Haus sind.“ Wir versammelten uns alle um sein Bett und er erklärte: „Wir sind hier, weil ihr euch um meine Gesundheit kümmert. Und das ist gut. Aber nicht nur aus diesem Grunde. Wir sind nicht nur zusammen aufgrund dessen, was wir tun. Sondern auch, um einander zu helfen, auf die Stimme zu hören, die in dem steckt, was wir tun. Wenn das geschieht, dann verändert sich die ganze Atmosphäre, so wie sich die Luft verändert, wenn ich ans Meer gehe, eben weil das Meer da ist.“ (Vgl. ebd., S. 1118) Von diesem Tag an wurde mir immer bewusster, dass das „Meer“ in diesem Fall der Herr des Universums war, der gegenwärtig war in dem, was wir taten. Die Verbindung zu diesem Herrn hat mir die Türen geöffnet für meine Beziehung zu den Menschen, die mit mir für ihn sorgten. Und auch die Türen zur Welt. In diesem Haus ist mir klar geworden, dass das, was ich tat, dem Wohl der ganzen Welt diente – dank eines Menschen, der uns bezeugte, dass der Herr da war.
Wie viel hat Don Giussani aus seiner Krankheit gelernt! Eines Tages blickte er mich ganz durchdringend an und sagte: „Weißt du, was ich aus der Physiotherapie lerne?“ Ich war überrascht, und er fuhr fort: „Ich lerne etwas über die Beziehung zwischen Physiotherapie und Moral. Wenn Marco Bersanelli (ein befreundeter Astrophysiker) ¬mit mir spricht, wird mir klar, dass er über einen Makrokosmos spricht. Wenn du dagegen an meinem Körper arbeitest, nehme ich einen Mikrokosmos wahr, der aus winzigen Teilen besteht, von denen jeder einzelne in perfekter Harmonie mit den anderen funktioniert. Jeder Teil des Körpers erfüllt seine Funktion als Funktion des Ganzen. Wenn man es nur partiell betrachtet, mag es so aussehen, als sei etwas in Unordnung. Dann wird der Körper als etwas Mechanisches gesehen. Der moralische Aspekt der Physiotherapie dagegen ist die Ordnung jedes Teils als Funktion des Ganzen. Das Wertprinzip von Körper und Geist ist gleich, in genauer Analogie zur Moral. Es besteht in der Einheit des ganzen physischen Menschen und seines Bewusstseins. Ich überlege, wie ich das, was ich aus der Physiotherapie lerne, weitergeben kann.“ (Vgl. ebd., S. 990)
Ich staunte, wie er alles, selbst die kleinsten Dinge, in Bezug zur letzten Wahrheit setzte. Er war ein Mensch, dessen Vernunft nicht beim äußeren Anschein stehenblieb, sondern offen war für die tiefere Erkenntnis, die allem, was geschah, einen umfassenden Sinn gab. Ich, die ich jahrelang als Physiotherapeutin gearbeitet hatte, hätte mir das überhaupt nicht vorstellen können, was er darin erkannte.
Eines Tages fasste ich mir ein Herz und stellte ihm eine grundlegende Frage: „Wie kann ich mit der gleichen Intensität leben wie du?“ Er sah mich sehr ernst an und antwortete: „Du musst initiativ werden und aus deinem Leben eine persönliche Beziehung mit Christus machen. Das heißt, du musst das Gedächtnis leben und zulassen, dass er in jeden Aspekt deines Lebens eindringt. Ich versichere dir, dass du, wenn du das Gedächtnis lebst, ein genauso intensives Leben haben wirst wie ich.“ Ich möchte darauf hinweisen, dass Don Giussani nur sehr selten das Verb „müssen“ verwendete. Aber bei dieser Gelegenheit sagte er mit Nachdruck, um den Ernst und die Bedeutung dessen, was er mir sagte, zu verdeutlichen: „Du musst“. „Schau, Jone, ein Armer im Geiste ist ein Mensch, der eine Entscheidung getroffen hat. Du musst dich entscheiden.“ Von diesem Moment an war ein Schritt in meinem Leben getan. Ich wollte ein genauso schönes Leben haben, wie ich es, trotz seiner Krankheit, bei ihm sah. Ich wollte die Herausforderung annehmen, die er mir hingeworfen hatte.
Giussani hat die Art und Weise, wie ich arbeite, verändert. Ich bin neurologische Physiotherapeutin und habe mich um viele Patienten gekümmert, die sehr ernste Probleme hatten, wie zum Beispiel die Lähmung einer oder beider Körperhälften. Einige von ihnen haben ihre Fähigkeiten gut wiedererlangt und konnten wieder ein relativ normales Leben führen. Daher waren sie und ihre Familien mir oft sehr dankbar und sahen mich fast wie einen Halbgott an. Als Giussani erkannte, wie wichtig meine Arbeit für die Menschen war, stellte er mir eines Tages eine radikale Frage: „Hör mal, Jone. Was glaubst du, wer hat mehr Glück: du, die du diese Arbeit machst, oder jemand, der acht oder zehn Stunden am Fließband steht?“ Ich schwieg und er sagte: „Ich habe dich in Verlegenheit gebracht, nicht wahr? Nun, der am Fließband hat mehr Glück. Denn wenn er nicht im Gedächtnis leben würde, würde er sich erschießen.“
Für Don Giussani war das Gedächtnis eine Frage auf Leben und Tod. Er wollte damit sagen, dass das Gedächtnis keine Option, sondern eine Berufung ist. Er wollte mir verdeutlichen, dass der Wert der Arbeit nicht nur in dem liegt, was man tut, sondern darin, zu wem man gehört. Die Zugehörigkeit kommt vor dem Tun. Deshalb sagte er: „Die Zufriedenheit des Tages beginnt nicht, wenn wir mit der Arbeit beginnen, sondern eine Minute vorher. Wenn wir uns dessen bewusst werden, was uns geschehen ist, des Ereignisses, das uns fasziniert hat. Erst dann werden wir uns unserer selbst bewusst.“
Seitdem sagte ich mir immer, bevor ich die Tür meiner Praxis aufschloss: „Ich betrete einen heiligen Ort.“ Ich war mir bewusst, dass durch mein Gedächtnis Gott in diesen Ort eintrat. Und ich konnte deutlich wahrnehmen, dass seine Gegenwart mit allem zu tun hatte, was bei der Arbeit vor sich ging. Der Raum zwischen diesen vier Wänden weitete sich aus auf die ganze Welt. Das mag vielleicht nicht sehr konkret scheinen, aber es wurde für mich sehr konkret. Stellt euch junge Menschen vor oder Eltern, deren Kinder nie mehr so sein werden, wie sie vor dem Unfall waren ... Und doch konnte ich ihnen in die Augen schauen, sie begleiten, ihnen Hoffnung geben, weil ich wusste, dass Christus, der hier gegenwärtig war, alles erlöst hat. Wie viele Enttäuschungen, wie viel Frust, wie viele schlaflose Nächte hat mir das erspart.
Giussani rief mir immer in Erinnerung: „Es mit Patienten wie uns auszuhalten, den Menschen Hoffnung zu geben, erfordert viel Kraft. Und diese Kraft kommt nicht aus dir, mach dir nichts vor! Entweder du lebst aus dem Gedächtnis Christi oder du wirst nicht in der Lage sein, den Kranken in die Augen zu schauen. Anfangs schaffst du es vielleicht noch. Aber nach und nach wirst du anfangen wegzuschauen, dann wirst du zurückschrecken, dann dich beklagen. Und am Ende wirst du den Enthusiasmus verlieren, dem Meisterwerk des Schöpfers zu dienen, das der Mensch ist, und zur Ehre Christi zu arbeiten.“
Der Wert des Augenblicks. Giussanis Bewusstsein wurde immer schärfer und tiefer. Eines Tages sprach er über den Wert des Augenblicks: „Jeder Augenblick ist für die Ewigkeit.“ Ich fragte ihn: „Wie kann ich das umsetzen, wenn ich jemanden zum Beispiel nur einmal sehe? Oder wenn die Person, die ich treffe, die ist, mit der ich die meisten Schwierigkeiten habe, oder die mich am meisten verletzt hat? Das kommt bei der Arbeit vor, in der Familie ...“ Er antwortete: „Der Mensch, der vor dir steht, hat das gleiche Herz wie du und die gleiche Bestimmung wie du. Die Bestimmung hat sich dir offenbart, weil sie dich liebt. Aber sie liebt auch denjenigen, dem du begegnest, selbst wenn er dir wehtut. Wenn dein Blick diesen Menschen in diesem Bewusstsein umarmt, dann wird er, wenn ihr euch im Himmel wiederseht, auf dich zukommen und dich umarmen. Weil du ihn in einem bestimmten Moment seines Lebens so angeschaut hast, wie Christus ihn jetzt ansieht.“
Das hat mich sehr beeindruckt. Es ist wirklich wichtig, dass man sich die Sehnsucht erhält, dazu erzogen zu werden, die Dinge so anzuschauen. Denn dann ist nichts sinnlos: weder der scheinbar banale Moment eines Blicks, noch das Leid, das eine Person einem zufügt. Giussani hat mich gelehrt, Menschen mit Respekt zu begegnen, was nicht heißt, sie höflich zu behandeln, sondern sie mit dem Blick Christi zu betrachten.
Irgendwann konnte Giussani sich nicht mehr so äußern, wie er wollte. Das war 1997. Er hatte die Exerzitien der Fraternität immer live gehalten. Aber nun bekam er immer mehr Schwierigkeiten mit der Artikulation und beschloss daher, sie auf Video aufzunehmen. Wir, eine kleine Gruppe von Menschen, saßen ihm gegenüber, weil er nicht gerne nur in die Kamera sprechen wollte. Er wollte unsere Gesichter sehen, um zu erkennen, ob seine Worte uns erreichten. Am Ende seines Vortrags fragte er uns: „Wie war es?“ Und wir antworteten begeistert: „Toll“. Aber bevor wir mehr sagen konnten, entgegnete er: „Ihr versteht nicht, ihr könnt es nicht verstehen ...“ Was konnten wir nicht verstehen? „Dass Gott mir in dieser Zeit viel schenkt, sehr viel. Aber er nimmt mir die Fähigkeit, mich auszudrücken. Und das ist gut so, sonst würde ich stolz.“ (Vgl. ebd., S. 987)
Der Weg durch den Schmerz. Die Krankheit nahm weiter ihren Lauf und das am meisten gefürchtete Symptom trat auf: Schmerzen. Er aber sagte: „Gott lässt das Leid zu, damit unser Leben mehr Leben ist. Ein Leben ohne Leid wird klein, es verschließt sich in sich selbst.“ (Vgl. ebd., S. 1091) Doch manchmal waren die Schmerzen sehr stark und dauerten lange. Ich war traurig, weil ich nicht wusste, wie ich ihm helfen konnte. Aber er sagte mir: „Sei nicht traurig, denn auch das ist gut. Ich denke, es ist die Art, wie wir am Leiden Christi teilnehmen können. Auch er war ein Mensch wie ich.“ (Vgl. ebd., S. 1072)
Giussanis Leben wurde immer schwieriger. Er verlor seine Beweglichkeit, seine Sprache, hatte oft Schmerzen ... Aber seine menschliche Größe verlor er nie. Die Bedürfnisse seines Herzens blieben lebendig. Er wollte intensiv leben, auch unter diesen Umständen, und sein Ja zum Geheimnis sagen. Er wusste, dass auch Christus durch das Leid hindurchgegangen war und es besiegt hatte. Deshalb sagte er: „Gott zeigt seine Liebe nicht nur, indem er uns Gutes gibt, sondern auch, wenn er Dinge zulässt, die uns nicht gefallen.“ Und diese Gewissheit der Liebe, die Gott ihm schenkte, spürte man in seinem Gemütszustand. An einem Tag, an dem es ihm besser ging, sagte er: „Es ist, als würden die Jungfrau Maria, der heilige Josef und der heilige Richard Pampuri zu mir sagen: ‚Wir kümmern uns um dich. Mach weiter, wir tun unser Bestes!‘“ Eines Tages entdeckte ich aber auch, dass er auch eine andere Art von Schmerz verspürte. Er war sehr traurig und ich fragte ihn: „Stimmt etwas nicht? Geht es dir schlecht?“ Er antwortete: „Körperlich ist alles in Ordnung. Aber ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass so viele Menschen Christus nicht erkennen.“
An seinem Namenstag, dem Fest des heiligen Luigi Gonzaga, konnte man sehen, wie er für Christus und in Christus lebte. Es ging ihm schon sehr schlecht und er sagte: „Ich habe nur noch wenig zu leben. Aber bis zu meinem letzten Atemzug wird mein vorherrschendes Gefühl die Dankbarkeit sein, weil Gott mir dieses Leben schenkt.“ (Vgl. ebd., S. 1146) Das machte mich sehr nachdenklich. Was man in solchen Situationen meistens hört, ist: Das ist kein Leben mehr, es wäre besser zu sterben ... Doch Giussanis vorherrschendes Gefühl war Dankbarkeit, die Erkenntnis, dass Gott die Quelle war, die ihm das Leben schenkte.
Ein weiterer Schlüsselmoment, um zu verstehen, was Christus für ihn bedeutete, war, als er eine Zeit lang ganz weggetreten war, was bei Parkinson-Patienten recht häufig vorkommt. Es geschieht ganz plötzlich, ohne Vorwarnung. Die Patienten sind wie eine völlig entladene Batterie. Als er aus dieser Trance erwachte, sagte ich ihm: „In diesem Zustand musst du sehr einsam sein.“ Er antwortete: „Ich bin nie allein, denn Christus ist mein untrennbarer Begleiter.“ Da wünschte ich mir, diese Worte alle Tage meines Lebens in mir zu tragen.
Dann kam ein entscheidender Tag, der mich sehr geprägt hat. Im Oktober 2004 hatte Giussani einen sehr schlechten Tag. Und abends, als alles vorbei war, sagte er: „Was für ein schrecklicher Tag!“ So war er, sehr realistisch. Aber kurz darauf fügte er hinzu: „Aber wenn ich einen solchen Tag in der Spannung lebe, dass ich durch diese Umstände gehe und das durchlebe, was das Geheimnis zulässt, dann habe ich die unauslöschliche Gewissheit, dass ich besser und schneller auf die Bestimmung zugehe, die ich eines Tages erleben werde. Viel mehr als mit allen Plänen, die ich für diesen Tag machen könnte. Deshalb ist der heutige Tag ein schöner und wahrer.“ (Vgl. ebd., S. 1146)
Wie ihr euch vorstellen könnt, wurde mir, als ich das hörte, nach einem so schlimmen Tag – und es war nicht der einzige – klar, dass Giussani sein Leben als Hingabe lebte, mit unbegrenztem Vertrauen in den Plan des Vaters. Er spürte, dass die endgültige Begegnung bevorstand, und gleichzeitig nahm er Gottes Willen an, weil er wusste, dass alles zu seinem Besten war. Und weil er sich sehnlichst wünschte, an Christi Erlösungswerk mitzuwirken.
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