„WAS ICH BEI DIESER SYNODE GELERNT HABE“

Santoro, der Erzbischof von Tarent, zieht eine Bilanz der Amazonas-Synode und erklärt, warum wir ein offenes Ohr haben sollten für die Leiden dieser Region: Sie können uns heilsam aufrütteln und dazu führen, das Neue des Evangeliums wieder zu entdecken.
Luca Fiore

„Welches Bild ich von dieser Synode mitnehme? Das Bild von uns Bischöfen und Laien, die um den Papst versammelt sind. Wie beim Apostelkonzil in Jerusalem: Alle scharten sich da um den heiligen Petrus und riefen den Heiligen Geist an, damit sie neue Wege beschreiten konnten.“ So fasst Filippo Santoro, der Erzbischof von Tarent, die Amazonas-Synode zusammen. Er war zu ihr eingeladen, weil er 27 Jahre lang in Brasilien tätig war, darunter acht Jahre als Weihbischof von Rio de Janeiro und sieben als Bischof von Petrópolis. „Es war schön zu sehen, wie aufmerksam der Papst zuhörte und dabei war ... Einmal sprach er über die Eigenschaften, die ein Priester haben müsse, und erklärte, etwas ‚Überbordendes‘ sei nötig.“ Doch Bischof Santoro sieht die Dinge nicht nur vom Standpunkt desjenigen aus, der Brasilien und Amazonien gut kennt, sondern auch als Hirte einer Industriestadt in Süditalien, die selber mit den ökologischen Herausforderungen zu kämpfen hat, von denen auf dieser Synode so viel die Rede war.

Exzellenz, wie ist Ihre Bilanz dieser drei Wochen?
Es war eine großartige Gelegenheit des gegenseitigen Zuhörens. Nur diese Haltung hilft uns, die Gründe für die Umweltprobleme im Amazonasgebiet und die Weltsicht der Menschen, die dort leben, genauer zu verstehen. Es war eine Chance, den Aufschrei zu hören, der aus dieser Region aufsteigt und auch uns aufrütteln und wecken sollte. Denn die Zerstörung der natürlichen Ressourcen dort wird auch zu einer Aggression gegen die Menschen. Ein weiterer Aspekt, über den viel gesprochen wurde, waren die Kulturen dieser Völker, von denen unsere westliche Mentalität viel lernen könnte. Wir häufen Dinge an, für sie sind Beziehungen zur Natur und zu den Menschen wichtiger. Außerdem wurde über das kirchliche Leben und über „neue Wege“ diskutiert, die es zu gehen gilt. Ein weiteres Thema war die Inkulturation, ein klassisches Problem der Mission.

In welchem Sinne wurde von Inkulturation gesprochen?
Neben dem Hinhören auf die Kulturen des Amazonasgebiets haben wir auch darüber nachgedacht, welchen Beitrag das Evangelium diesen Kulturen leisten kann. Sie sind zweifellos sehr reichhaltig, aber sie haben auch Elemente, die geläutert werden müssen. Es ist richtig, auf den Wert dieser Kulturen hinzuweisen, der in dieser Synode sehr betont wurde. Aber das darf uns nicht das Neue des Evangeliums vergessen lassen. Erst das ermöglicht es uns, die semina verbi, die Samen des Wortes Gottes, die schon in ihnen vorhanden sind, wertzuschätzen und sie zur Vollendung zu führen. Auch diese Völker tragen die Erbsünde in sich. Das Evangelium erlöst, läutert und vervollkommnet die verschiedenen Realitäten, denen es begegnet.

Erzbischof Filippo Santoro bei einer Mahnwache für die Arbeiter des Stahlwerkes in Tarent.

Welchen Akzent hat der Papst Ihrer Meinung nach der Arbeit der Synode verliehen?
In seiner ersten Rede sagte er, die pastoralen Herausforderungen seien wichtiger als die ökologischen. Unser Blick, so erklärte er, müsse wie der eines Jüngers und Missionars sein. Mit anderen Worten, die behandelten Themen müssten aus der Perspektive des Glaubens betrachtet werden. In den Beiträgen in der Synodenaula, besonders bei den Auditoren, wurden dann aber mehr spezifische Punkte in den Blick genommen, von der Wertschätzung für die Weltsicht der Völker Amazoniens bis zum Anspruch auf bestimmte Ämter innerhalb der christlichen Gemeinschaft.

Die sogenannten viri probati und die Einführung des Frauendiakonats.
Ja, letzteres wurde in den Beiträgen der Synodenväter und von Auditorinnen mehrfach gefordert.

Beide tauchen auch im Schlussdokument auf.
Das Frauendiakonat wurde de facto abgeschmettert. Der Papst hatte eine Kommission zur Untersuchung dieser Frage eingerichtet, die jedoch mangels Beleg für eine historische Grundlage dieses Amtes nicht weiter kam. Im Neuen Testament wird ein solches Amt zwar erwähnt, aber de facto handelte es sich um Frauen, die den Gläubigen, die im Fluss getauft wurden, beim Anziehen halfen. Es war ein Dienst, aber er entspricht nicht der Natur des Diakonats, wie es sich dann als Teil des Weihesakraments entwickelt hat. Im Schlussdokument der Synode heißt es nur, die Auditorinnen wollten ihre Erfahrungen und Überlegungen zu diesem Thema mit der Kommission teilen und auf die Ergebnisse warten (Nr. 103). Sonst findet sich nichts weiter darüber. Was die viri probati betrifft, so gab es tiefgreifende Änderungen gegenüber dem, was man sich vorher erwartet hatte.

In welcher Hinsicht?
Da viele Gemeinschaften in Amazonien nur sehr selten Zugang zur Eucharistie haben (in einigen Regionen können die Gläubigen nur alle ein oder zwei Jahre die Kommunion empfangen), hatte man erwartet, dass die Zulassung von verheirateten Männern, vorzugsweise indigenen, zur Weihe gefordert würde. Im Schlussdokument unter Nummer 111 wird vorgeschlagen, Kriterien festzulegen für die Zulassung von ständigen Diakonen, die in einer regulären und stabilen Ehe leben, zur Priesterweihe. Außerdem wird festgestellt, dass es sich hier um ein so wichtiges Thema handelt, dass es auch in einer allgemeinen Synode der ganzen Kirche diskutiert werden müsste. Das heißt: Die Frage kann nicht nur durch die Beratung in einer Regional-Synode gelöst werden. In jedem Fall aber würde es sich um eine Ausnahme in einer schweren Notlage handeln, und nicht um eine neue Norm. Der Zölibat der Priester wird hier ausdrücklich nicht in Frage gestellt. Die Presse hat uns in dieser Hinsicht keinen guten Dienst geleistet. Und der Papst schien verärgert darüber, dass einzelnen kirchenpolitischen Fragen zu viel Bedeutung beigemessen wurde, die er angesichts der Probleme in Amazonien für nebensächlich hält. Das Hauptthema ist die Zerstörung dieser Region und, schlimmer noch, der Völker, die dort leben.

Sie waren Berichterstatter in einer der Kleingruppen. In deren Dokument hieß es, man müsse sich angesichts des Priestermangels in der Region zunächst einmal nach den Ursachen dieses Phänomens fragen, bevor man nach Lösungen sucht.
Ja, viele Beiträge zu diesem Thema haben sich darauf beschränkt, die Auswirkungen zu analysieren. Wir müssen uns aber vielmehr fragen, warum es so wenige Berufungen gibt. Warum wird die Begeisterung dafür, Christus sein ganzes Leben hinzugeben, nicht gefördert. Meiner Ansicht nach ist es entscheidend, dass lebendige Gemeinschaften entstehen, in denen die Botschaft Christi im Hier und Jetzt als Heil, Frieden und Fülle des Lebens erlebt wird. Dann wachsen sehr schöne Berufungen wie die zur Ehe, aber auch zur Jungfräulichkeit, die eine prophetische Form ist. Wie der Papst am vergangenen Sonntag beim Angelus gesagt hat, erneuert das Evangelium alle Kulturen. Es identifiziert sich nicht mit einer kulturellen Ausdrucksform, sondern erneuert sie alle. „Es gibt keine Standardkultur, es gibt keine reine Kultur, die die anderen reinigt; da ist das reine Evangelium, das sich inkulturiert.“ Worauf es ankommt, ist, dass dieses Neue bis an die Grenzen der Erde verkündet wird durch das Zeugnis unseres Lebens.

Ich habe aus Brasilien aber auch mitgebracht, wie wichtig und schön es ist, die Auferstehung Christi zu verkünden. Die ist unsere Hoffnung auch in den schwierigsten Situationen.

Was haben Sie als Bischof einer Industriestadt in Süditalien aus der Amazonas-Synode gelernt?
Es war viel die Rede von einer „ökologischen Schuld“ gegenüber der Amazonasregion. Eine solche Schuld gibt es auch gegenüber meiner Stadt Tarent. Denn die Stahlindustrie, die hier vielen Menschen Arbeit gegeben hat, hat durch die Umweltverschmutzung, die sie verursacht hat, auch viele das Leben gekostet, sogar Kinder. Diese Schuld muss durch konkrete Investitionen in den Schutz der Umwelt beglichen werden. Ich sage den Besitzern des Ilva-Stahlwerkes: Stoppen Sie die Umweltzerstörung sofort! Und ich bin für den Kohleausstieg und den Übergang zu alternativen Energien. Aber wenn das von einem Tag auf den anderen geschieht, werden 4.000 bis 5.000 Menschen arbeitslos. Wir müssen also weitsichtig vorgehen und sowohl das Umweltproblem als auch die Beschäftigungsproblematik im Blick haben. Also eine ganzheitliche Ökologie verfolgen die nicht die Umwelt gegen den Menschen ausspielt. In diesem Sinne wird der Schrei Amazoniens auch in Tarent gehört und fordert auch uns hier heraus. Ich habe aus Brasilien aber auch mitgebracht, wie wichtig und schön es ist, die Auferstehung Christi zu verkünden. Die ist unsere Hoffnung auch in den schwierigsten Situationen.