Syrische Flüchtlingskinder im Libanon.

Weihnachtsstände: LIBANON, EIN ZUHAUSE FÜR ALLE

Der Titel der diesjährigen Spendenkampagne lautet: „Bring dich bei uns ein – neue Generationen, Protagonisten der Welt“. Projekte im Amazonasgebiet, Syrien, Venezuela, Mosambik und Italien.
Maria Acqua Simi

Hier stellen wir ein Projekt in Libanon vor: den Bau eines neuen Zentrums für syrische Flüchtlinge.

Der Titel der diesjährigen AVSI-Spendensammlung* ist eine Einladung: „Bring dich bei uns ein – neue Generationen, Protagonisten der Welt“. Ein Kreis, der sich öffnet und seine Hand ausstreckt für jeden, der sein Herz und seinen Horizont erweitern will. Die sieben Projekte für 2019/2020, die am vergangenen 20. Oktober vorgestellt wurden betreffen Länder, über die viel in den Medien berichtet wurde, wie Libanon, Amazonien, Syrien und Venezuela, aber auch Italien und Mosambik. Der Spendenaufruf zielt darauf ab, Programme und Aktionen umzusetzen, die eine Brücke zwischen den Gebern und denen schlagen können, die heute versuchen (jenseits des Ozeans, jenseits des Mittelmeers oder auch nur in einer anderen Stadt), aus Armut, Verlassenheit oder Krieg herauszukommen. „Bring dich bei uns ein“ ist eine Ermutigung, sich in Bewegung zu setzen, damit geografische Entfernungen zugunsten einer Beziehung und eines immer neuen Dialogs aufgehoben werden, der in der Lage ist, den Blick und das Herz jedes Einzelnen zu erneuern.

Unter den unterstützten Projekten ist „Fada2i – meine Welt“ im Südlibanon. Durch jahrelange unkontrollierte Einwanderung geplagt, aufgrund des syrischen Krieges und andere Konfliktsituationen – wie die Demonstrationen der letzten Tage gegen die politische Korruption zeigen – befindet sich das Land der Zedern heute in einem fragilen und heiklen Umstand. Nach über zwanzigjähriger Tätigkeit im Libanon unterstützt AVSI seit zwölf Jahren verschiedene Aktivitäten in der Ebene von Marjayoun.

Nach Notfallhilfen am Ende des Krieges gegen Israel (2006) wurden Entwicklungsmaßnahmen durchgeführt. Gleichzeitig unterstützte AVSI die Bildung der neuen Generationen durch die Sanierung öffentlicher Schulgebäude (z.B. durch die Renovierung der Heizung einer Schule, die Ausstattung einer Bibliothek und von Klassenräumen für Vorschulkurse), die Zahlung von Schulgeldern für Hunderte von Kindern und von Förderkursen für Schüler in Schwierigkeiten. Seit 2011, als mehrere Tausende Flüchtlingen, die von Beirut als asylberechtigte nicht anerkannt wurden, wegen des Krieges in Syrien in das Gebiet strömten und sich in illegalen und nicht als solchen anerkannten Flüchtlingslagern niederließen, ist die Situation noch komplizierter. AVSI ist heute in 26 dieser Lager tätig, verteilt lebensnotwendige Güter (Wasser, Nahrung, Kleidung), organisiert Berufsausbildungskurse und bietet Erziehungstätigkeiten und psychosoziale Unterstützung an.



In einem so zersplitterten und komplexen Kontext war es notwendig, einen festen Standpunkt festzulegen. Daher ist die Idee eines „Hauses für alle“ entstanden. So wird im landwirtschaftlichen Herzen des Südlibanons, im Dorf Bourj El Moulok, „Haus AVSI“ gebaut. Das vom Schweizer Stararchitekten Mario Botta kostenlos entworfene Zentrum ist als Bezugspunkt für die Bevölkerung des gesamten Gebietes gedacht und bietet Antworten auf die Bedürfnisse der Gemeinde an. Dort werden nämlich unter anderem Büros und dann Räume für junge Menschen entstehen. In diesen Räumen wird man psychologisch-pädagogische Hilfen für Kinder und ihre Familien (dank eines Teams von Fachleuten wird man über 5.000 Menschen begleiten), Alphabetisierungskurse und Berufsausbildung für Frauen, technische Ausbildung für Landwirte und Unterstützung bei der Gründung von Kleinstunternehmen anbieten. Daneben wird es auch Aktivitäten zur Sensibilisierung für die Rechte von Frauen geben, die Opfer von Gewalt geworden sind, wobei letztere eine Begleitung von Präventionskursen bis hin zu Rechtsbeistand erhalten werden.

Fada2i bedeutet auf Arabisch ‚mein Universum‘, das heißt, der Raum, in dem jeder idealerweise sein möchte, was aber oft nur ein Wunsch bleibt. Der Versuch, diesen Traum zu verwirklichen, ist die Grundlage dieses Projekts“, erklärt Marco Perini, AVSI Middle East Regional Manager.

Um zu verstehen, worum es geht, fliegen wir virtuell in den Libanon, um gemeinsam herauszufinden, was und wer uns erwartet, wenn wir das Haus betreten.

„Es wird ein familienfreundlicher Ort sein“, sagt Marina Molino Lova, Projektleiterin von AVSI im Libanon: „Wir haben zum Beispiel an Räumlichkeiten gedacht, in denen sich Mütter treffen können, die bereits Teil eines Patenschaftsprojektes waren und die bereits im vergangenen Jahr über Schulungen über Hygienestandards für das Kochen traditioneller Gerichte zu uns gekommen sind. Diese Frauen sind zusammengekommen und organisieren nun auf Anfrage für AVSI das Catering, wenn es um Veranstaltungen oder besondere Anlässe geht. Sie nehmen Teil an einem FAO-Projekt über Genossenschaften und kochen heute in den Räumlichkeiten der Pfarrei in Klaya. Nach der Verwirklichung von Fada2i, fährt Molino Lova fort, „werden sie die semiprofessionelle Küche des Hauses nutzen können, um ihre täglichen Arbeiten zu verrichten. Viele der 1270 Kinder des Sad-Projektes werden dann am Nachmittag und im Sommer Nachhilfekurse besuchen. Im Idealfall, während die Mutter kocht, werden die Kinder, begleitet von einem Lehrer, oben sein und Hausaufgaben in Arabisch, Mathematik oder Naturwissenschaft machen. Ebenso wird es Angebote für Jugendliche geben: Englisch- und Computerkurse, Kommunikationskurse, Problem- und Konfliktlösung sowie Unterstützung bei der Erstellung des Lebenslaufs für Berufseinsteiger. Am Abend wird dann Fada2i zu einem Ort des Zusammenseins. Familien werden in allem einbezogen und aufgenommen und hier werden sie immer eine offene Tür finden“.



„Das Beste daran ist, dass die Libanesen die Ankündigung dieses Hauses mit einer Energie und einer für uns wirklich unerwarteten Freude aufgenommen haben“, erklärt der AVSI-Verantwortliche in Mailand: „Wir sind seit den 90er Jahren im Libanon tätig und deshalb hat sich das Klima des Vertrauens im Laufe der Zeit sicherlich gefestigt, aber was jetzt den Unterschied macht, ist unsere Entscheidung zu bleiben.“ Ein Haus zu bauen bedeutet, Wurzeln zu schlagen. Das Haus ist Stabilität, Zugehörigkeit, ein Ort, an den wir zurückkehren können. Es ist ein Erinnerungsraum, in dem das Leben eines jeden Menschen aufgenommen wird, unabhängig von der Farbe der Wände: Was man hier sieht, wenn man sich umschaut und aus den Fenstern schaut, ist für alle derselbe Himmel. Dadurch werden Abstände aufgehoben und das Unmögliche möglich gemacht. „Wir hätten nie gedacht, dass wir es schaffen würden, und doch sind wir hier. Die Grundmauer wurde gelegt und steht jetzt fest. So entsteht das Gebäude, es wächst und verfestigt sich jeden Tag mehr. Und dies dank des Engagements vieler – vor allem von Mario Botta und dem maronitischen Bischof der Diözese Tyrus, Choukrallah Nabil Hage, der das Grundstück stiftete, auf dem das Haus gebaut werden soll, aber auch von einigen großen italienischen Geldgebern, die beschlossen haben, nach einem Besuch im Libanon diesen Traum finanziell zu unterstützen“. Obwohl die starken Regenfälle des letzten Jahres die Aushebung der Baugrube und die Arbeiten verlangsamt haben, ist der Bau von Haus AVSI nun fortgeschritten. „Es sollte für im nächsten Frühjahr fertig sein. Es gibt noch viel zu tun. Deshalb brauchen wir wirklich die Hilfe aller.“ Es ist Zeit, unseren virtuellen Besuch des „Haus Fada2i“ zu beenden. Wir schließen die Tür hinter uns. Gehen wir nach Hause, die Spendenkampagne beginnt gleich.

*Die Deutsche Partnerorganisation von AVSI ist Support International e.V.