New York Encounter 2019 zum Titel „Something to start from“

New York Encounter. Ein neuer Ausgangspunkt

In New York fand vom 15. bis 17. Februar das „New York Encounter“ statt. Das Kulturfestival bringt jedes Jahr Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern und Kulturen zusammen, aus Wissenschaft und Politik, Kunst und Literatur, Medien und Film.
Davide Perillo

Drei Tage waren es diesmal, an denen man entdecken konnte, was das Herz des Menschen wirklich bewegt.  

„An explosion of life“. Eine Explosion des Lebens. Seit einer Stunde ist Paul Mariani hier. Der 78-jährige New Yorker ist Dichter und weiß die Worte zu wägen. Diese kommen ihm aus dem Herzen. Nachdem er sich eine Weile umgeschaut hat, stellt er fest: „Dieser Ort ist eine Explosion des Lebens! Voller ganz unterschiedlicher Menschen, die froh zu sein scheinen, dass sie hier sind: Millenials und Rentner, Schüler und berühmte Wissenschaftler, Familien mit kleinen Kindern, Ordensschwestern ... Ein endloses Kommen und Gehen auf den drei Etagen des Metropolitan Pavilion in Manhattan, wo das New York Encounter 2019 stattfindet.  

In diesem Jahr findet es einen Monat früher statt, und das Programm ist umfangreicher: 23 Veranstaltungen in 48 Stunden; hinzu kommen Ausstellungen, Theateraufführungen und ein und die Verleihung eines Lyrik-Preises. Die Zahl der freiwilligen Helfer ist auf 350 gestiegen. Sie sind an ihren blau-roten T-Shirts zu erkennen. Doch der Spirit ist der gleiche: drei Tage randvoll mit Leben. Voller Fragen und Erwartungen, gespannt auf die Antworten. Das zeigt sich schon der Titel: „Something to start from“ – „Ein neuer Ausgangspunkt“. Gibt es das noch in den Unsicherheiten unserer Zeit? Darf ich noch erwarten, dass meine Sehnsucht nach Glück sich erfüllt? Wenn ja, wie und wo?  

All das konzentriert sich in einem roten Punkt, auf der Brust der Darstellung des Ikarus von Matisse, der das Plakat des diesjährigen Encounter ziert. Der Punkt symbolisiert das Herz. Nach biblischem Verständnis ist es das Zentrum der Person. Es steht für die Sehnsucht nach Ganzheit und Einheit, die wir uns nicht aus der Brust reißen können; für ein unversehrtes Urteilsvermögen, selbst wenn es oft unter Asche einer Gesellschaft liegt, die es scheinbar einschläfern will. „Solch brennende Herzen, solch wache, lebendige Menschen gibt es aber tatsächlich“, sagt Riro Maniscalco, der Präsident des New York Encounter. „Man muss sie nur treffen können, um von ihnen zu lernen.“ Und genau dazu ist dieses Festival da.  



Davon also geht alles aus. Von diesem Herzen, das sich manchmal vorkommt „wie ein Kind ohne Mutter“, wie es in einem bekannten Spiritual heißt, der gleich zu Beginn des Wochenendes gesungen wird. Damit beginnt eine einfache und berührende Veranstaltung. Drei Zeugnisse: Eine Doku über die Apac, die unbewachten Gefängnisse in Brasilien; eine Videobotschaft von Pater Ibrahim Alsabagh aus Aleppo und ein „Live-Bericht“ der Studentin Miriam. Sie hat mit Freuden ihren Kommilitonen und Professoren vorgeschlagen sich dem Wagnis „selbst zu denken“ zu stellen – wie es einige Dozenten in einem offenen Brief gefordert hatten. Zwischendurch gibt es noch ein Stück für Cello.  
„Was bewegt Menschen?“, fragt Maniscalco bei seinem Eröffnungs-Statement. „Woher kommt dieser Wunsch, diese Erwartung? Genau dem wollen wir in den nächsten Tagen nachgehen, mit offenen Augen, Herzen und Verstand. Der erste Abend endet mit einer Hommage an die Jazz-Ikone John Coltrane.  

Am nächsten Tag gibt es zwölf Podiumsveranstaltungen. Außerdem natürlich die Ausstellungen. Eine beschäftigt sich zum mit der Musik von Bob Dylan. Schon zwei Verse seiner Ballad of a Thin Man reichen um auszudrücken, ein wie großes Geheimnis der Mensch ist: „Something is happening here, / But you don’t know what it is“. „Etwas geschieht hier, / Aber du weißt nicht, was es ist“. Eine andere Schau widmet sich einer menschlichen Haltung gegenüber Patienten anhand der Erfahrungen von drei herausragenden Ärzten: Takashi Nagai, Giancarlo Rastelli und Cicely Saunders. Eine weitere Ausstellung steht unter der Überschrift Lost in the Cosmos  geht von dem gleichnamigen Buch Walker Percys aus [dt. Das Loch im Kosmos]. Sie vermittelt Fragen, Entdeckungen, Beobachtungen auf der Suche nach „einer wahren Beziehung zwischen Selbst und Realität“. Der Besucher wird herausgefordert, das Bild zu überdenken, das er von sich selbst und vom Leben hat. Sind wir nur der „erfolgreiche Mensch“, der „gute Bürger“, das „virtuelle Selbst“ oder eines der anderen Modelle, denen wir uns so oft unterwerfen? Oder gibt es eine tiefere Dimension der Realität? Man kann es schlecht beschreiben, aber wenn man es sieht, gehen einem die Augen auf. Am Abend bleibt eine der Reinigungskräfte stehen und liest die Tafeln. „Das bin ich ... Und das auch ... Und auch hier erkenne ich mich wieder! Aber wer seid ihr?“  

Es gibt auch eine Ausstellung über Don Giussani, „Von meinem Leben zu eurem“. Die Autoren sind Schüler im Alter von 15 bis 16 Jahren. Sie erklären auf den Tafeln, warum „der größte Beweis dafür, dass Christus existiert, mein brennendes Herz ist“, wie Maddie aus Crosby, Minnesota, sagt. „Der Beweis dafür, dass es etwas außerhalb von mir gibt, ist, dass meine Sehnsucht und meine Bedürfnisse so groß sind.“ Eindrucksvoll, wenn sie erklären, dass ein italienischer Priester, der vor fast 100 Jahren geboren wurde, ihnen jetzt hilft, dieser Sehnsucht nachzugehen.  



Auf der Bühne des großen Saales zieht derweil eine unablässige Folge von Fragen und Erfahrungen vorüber. Nicht die üblichen Talks, sondern Zeugnisse. Jedes auf seine Art. Kerry Cronin und Emily Esfahani, die eine Lehrerin, die andere Schriftstellerin, diskutieren über die „Epidemie der Einsamkeit“, die uns befällt. Andere sprechen über Kunst, Non-Profit-Organisationen, Astronomie, oder über die Arbeit.  

Die zentrale Veranstaltung steht unter der Überschrift „Set your sights higher“. Der Titel ist dem Apostolischen Schreiben Gaudete et exsultate von Papst Franziskus entnommen: „Fürchte dich nicht davor, höhere Ziele anzustreben“. Nur so kann man „im tiefsten Herzen die Antwort auf seine Sehnsucht nach Glück und Sinn entdecken“, wie es in der Botschaft heißt, die der Papst dem New York Encounter durch Kardinal Parolin gesandt hat. Darüber sprechen Erzbischof Christophe Pierre, der Apostolische Nuntius in den Vereinigten Staaten, Austen Ivereigh, ein englischer Journalist, der eine Biographie über Papst Franziskus geschrieben hat, und Julián Carrón, der Leiter von CL. Allein über diese Veranstaltung könnte man einen ganzen Artikel schreiben.  

José Medina, der Verantwortliche  der Bewegung in den USA, leitet sie so ein: „Wir möchten mehr über Franziskus wissen und fragen daher Leute, die ihn gut kennen.“ Ivereigh weist darauf hin, dass „die überraschende Menschlichkeit des Papstes nicht nur von seinem Temperament herrührt, sondern auch daher, dass er dem Heiligen Geist Raum lässt“. Erzbischof Pierre erinnert sich daran, welchen Eindruck ihm das Schlussdokument von Aparecida gemacht hat. Jorge Mario Bergoglio, der damalige Erzbischof von Buenos Aires, hatte zu diesem Text der Lateinamerikanischen Bischofskonferenz einen entscheidenden Beitrag geleistet. „Als ich das las, dachte ich: Endlich etwas Neues. Man sah den Wunsch, auf die tatsächlichen Erwartungen der Menschen von heute einzugehen, dort wo sie leben. Ich hatte das Gefühl, dass eine neue Zeit begann.“ Auch beim Papst sieht er natürlich noch das gleiche Anliegen: „Wir müssen den Menschen helfen, Christus zu begegnen. Ohne Christusbegegnung gibt es keine Kirche. Und wenn die Kirche keine Antwort auf die Sehnsucht der Menschen gibt, dann taugt sie nichts.“

Ivereigh stimmt zu, genau das sei das Problem: „Warum kommt das Evangelium nicht mehr an bei den Leuten? Der wunde Punkt ist die Weitergabe des Glaubens. Die alten Mechanismen funktionieren nicht mehr. Was will der Heilige Geist von uns in dieser Situation? Vielleicht müssen wir uns ändern, um den Menschen zu begegnen.“ Uns ändern und herausgehen – ein weiteres Schlüsselwort dieses Pontifikats. Der Nuntius stellt klar, dass „die Kirche keine Firma ist“. Sie ist das Geheimnis der Gegenwart Gottes in der Geschichte. Wenn wir in unseren vier Wänden bleiben, gut geschützt, was können wir den Menschen dann geben? Sie werden uns nicht zuhören.“

Auch Carrón stellt fest, die Kirche habe „ein Problem mit der Moderne“. Und er beschreibt das wie folgt: „Der wichtigste Wert der modernen Welt ist die Freiheit. Haben wir der Freiheit etwas zu bieten?“ Wenn wir tatsächlich, wie Péguy sagt, „die erste Generation ohne Christus nach Christus“ sind, dann ist die einzige Möglichkeit, auf diese Situation zu reagieren, „das Christentum zu leben, das christliche Ereignis zu verkünden, als wäre es das erste Mal“, meint Carrón. Und das sei eine großartige Gelegenheit: „Das Zeitalter, in dem wir leben, gibt uns die Chance zu erkennen, was das Christentum eigentlich ist.“ Diese Herausforderung geht alle Christen an, nicht nur die Kirche. „Bei jeder Gelegenheit, bei der wir anderen begegnen (bei der Arbeit, im Urlaub, in der Uni), können wir dem Menschen da eine Weise, mit der Wirklichkeit umzugehen, eine Art zu leben anbieten, die ihn umso annimmt, wie er ist? Wir sollten uns nicht um die Reform der Kirche sorgen, sondern um unsere eigene Bekehrung.“  

Erzbischof Pierre betont, dass „der Glaube auf einer Begegnung gründet“ und dass es deshalb „missionarische Jünger braucht“. Ivereigh pflichtet bei und ergänzt, dass das wie ein roter Faden durch die letzten drei Pontifikate läuft. Medina regt an, das Verhältnis zwischen Freiheit und Autorität zu vertiefen. Und Carrón antwortet: „Wie zu Zeiten des Römischen Reiches leben wir in einer multikulturellen Gesellschaft, in der jeder tut, was er will. Aber haben wir etwas Entscheidendes zu bieten, das eine Antwort darstellt auf die Sehnsucht des Menschen nach Erfüllung? Das ist die Herausforderung.“ Fazit: „Dies ist ein besonderer historischer Moment: Wir sind aufgerufen hinauszugehen, um zu schauen, ob der Glaube, wie er ursprünglich ist, für alle von Interesse sein kann.“ Es gibt nur eine Bedingung: „Das Christentum muss Christentum sein. Es darf nicht auf Gefühle, Ethik, Regeln reduziert werden. Es muss faszinierend bleiben. Seit Johannes und Andreas verbreitet es sich auf diese Weise.“
Unsere Aufgabe ist klar: „Allen das weitergeben, was wir durch Gnade empfangen haben. Schließlich haben wir es nicht nur für uns empfangen, sondern für alle.“  

Riro Maniscalco, der Präsidet des New York Encounter.

Ein paar Stunden später ein neues Highlight: „Eine Erwartung, die nicht unterdrückt werden kann“. David Brooks, Kolumnist der New York Times, im Dialog mit Javier Prades, dem Rektor der Universidad San Damaso in Madrid. Auch das ist kein typischer Talk. Brooks überrascht alle, indem er über sich selber spricht. Über ein Umfeld, das durch den „Verlust der Sehnsucht“ gekennzeichnet ist, und über einen Punkt im Menschen, der sich nicht ausmerzen lässt. Über Fragen, die ihm erst im Laufe der Jahre bewusst geworden sind. („Wir suchen alle nach Sinn, nach einer Richtung im Leben. Aber zu diesem so wichtigen Punkt haben wir nichts zu sagen.“) Und über einen Weg, der ihn durch viele Verletzungen hindurch hat entdecken lassen, dass alles Können nicht reicht, der Erfolg, das, wofür wir kämpfen auf der Suche nach einer Autonomie, die zur Verdammnis werden kann. („Letztlich ist ein Mensch ohne Bindungen jemand, an den sich niemand erinnern wird.“) Brooks spricht von „einem Herzen, das den anderen sucht, und einer Seele, die nach dem Guten sucht“. Und davon, wie wichtig es ist, wieder Beziehungen zu knüpfen, um man selber zu sein. „Die Antwort auf den Individualismus ist eine Gemeinschaft.“ Wie die, in der er sich engagiert hat bei einem Ausbildungsprojekt für Jugendliche aus den Armenvierteln. Oder wie Cometa, die Gemeinschaft in Como, die Kinder aus schwierigen Verhältnissen in Pflege nimmt und die er vor ein paar Monaten besucht hat. Oder wie CL, wie er explizit sagt.  

Prades skizziert unsere von Unsicherheit geprägte Zeit, das Fehlen von Koordinaten, mit denen man eine Welt verstehen könnte, die immer unverständlicher wird. Er spricht von der Notwendigkeit, „Handlungsspielräume“ zurückzugewinnen, und einem Weg, sein eigenes Menschsein wiederzuentdecken. „Nicht durch Theorien, sondern durch die Erfahrung. Es reicht nicht, wenn ein Kind weiß, dass Mütter ihre Kinder lieben. Es will, dass seine eigene Mama es liebt!“ Daher ist es wichtig, dass wir uns auf „den Erkenntniswert der Begegnung“ besinnen. In unserem Leben muss etwas geschehen. Nur dann setzt sich unser Ich wieder in Bewegung.“ Auch er erzählt eine persönliche Geschichte: Bei seiner ersten Reise nach New York im Alter von 14 Jahren traf er auf eine andere Welt. „Ich erinnere mich gut, wie ich staunte, dass alles so groß war. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Aber dann erkennt man, dass das Leben einen irgendwie herausfordert zu entscheiden: ob dieses Große reicht, oder ob man noch tiefer graben muss, um seine ganze Sehnsucht zu erfüllen. Ob man etwas findet, das noch größer ist als New York, das die ganze Welt umfasst, den Sinn von allem.“  



Auch später beim Abendessen mit Brooks und seiner Frau Anne geht es um das New York Encounter, die Arbeit, die dahinter steckt, den Titel ... Besonders beeindruckend ist sein Bekenntnis, dass er ungeschminkt über sich selbst gesprochen habe, weil „der Weg, den ich gehe, Aufrichtigkeit verlangt“. Und weil das hier ein Umfeld sei, in dem man so offen reden könne. Etwas Ähnliches sagt am nächsten Tag auch Steven, der Ehemann einer der Gäste. Bei Tisch erzählt er Entscheidendes aus seinem Leben, so dass seine Frau ihn ganz erstaunt ansieht. „Normalerweise spreche ich wenig, aber hier habe ich Ohren gefunden, die zuhören können“, erklärt er. Auch Emily Esfahani, die Schriftstellerin, bleibt nach ihrem Podium noch lange da, obwohl sie eigentlich sofort hätte gehen müssen. „Ihr wisst gar nicht, was für ein Geschenk es für mich war, heute hier zu sein“, sagt sie gerührt. „Das hier ist ein Ort, an dem die Menschen, die kommen, ihr Herz öffnen können“, meint Angelo Sala, einer der Organisatoren des Encounter. „Die Menschen lechzen danach.“ Es geht hier nicht um Besucherzahlen, um volle Säle und gefüllte Stuhlreihen. „Hier herrscht ein Klima, bei dem jeder, der kommt, vom freiwilligen Helfer bis zum Gelehrten, der einen Vortrag hält, sein Bestes gibt.“  
Sonntagmorgen. Nuntius Christophe Pierre  feiert die heilige Messe zum Todestag von Don Giussani. Das Evangelium ist der Bergpredigt entnommen: die Seligpreisungen, der Aufruf, „anders zu leben“. Und eine Entscheidung zu treffen, wozu auch Giussani immer aufgefordert hat. „Der Mensch ist immer abhängig von irgendetwas“, sagt Erzbischof Pierre in seiner Predigt. „Er muss sich entscheiden, ob er von dem abhängig sein will, der alles schafft, oder von der Macht.“ Am Ende dankt José Medina ihm im Namen aller, für seine Freundschaft und dafür, „dass er uns herausfordert, immer mehr Kinder Don Giussanis zu sein“.  

Der Name Giussani taucht noch einmal auf. Bei einem Podium, bei dem es um die Erziehung des Herzens geht. Erzbischof Pierre ist dabei, Jon Balsbaugh, der Präsident des Trinity Schools Network, und der bekannte Theologe Stanley Hauerwas. Er war einer der ersten in den USA, der sich mit dem Werk Giussanis beschäftigt hat. Hauerwas erscheint per Video auf der Leinwand, interviewt von Holly Peterson. Er spricht von Erziehung, die einem hilft, die Wirklichkeit zu entdecken innerhalb einer Beziehung: „Wir wollen nicht geformt werden, sondern geliebt.“ Bei Giussani erkennt er eine „große Fähigkeit, Jugendliche anzusprechen – alle – in einer Weise, die sie dazu herausfordert, sie selbst zu sein“. Denn „nur eine Erziehung des Herzens schafft ein autonomes, freies Ich, was nicht bedeutet, dass man unabhängig ist“, wie Balsbaugh bemerkt.  

Am Nachmittag kann man noch sehen, wie Robert George, der berühmte Rechtswissenschaftler aus Princeton, mit Freunden Musik macht und singt. Vorher hatte er über Bob Dylan referiert. Und der Kunsthistoriker Francis Greene sprach über Andy Warhol. Auch hört man wieder berührende Zeugnisse: Schwester Laura Girotto berichtet, was sie als Missionarin in Äthiopien erlebt hat. Die Pädagogik-Professorin Dawn Ford und Jenny Hubbard, Mutter eines der Opfer, sprechen darüber, wie sie nach dem Massaker von Sandy Hook (bei dem vor sechs Jahren 27 Kinder einer Grundschule von einem 20-Jährigen getötet wurden), „neu angefangen“ haben. „Wenn man mit seinen Kräften völlig am Ende ist, hat man nichts mehr“, sagt Hubbard. „Dann versteht man, dass es Gott ist, der alles schafft.“  
Auch in der letzten Veranstaltung des diesjährigen Encounter geht es um etwas Ähnliches: Chiara Corbella, eine junge Mutter, für die ein Seligsprechungsverfahren eingeleitet wurde. In Italien ist ihre Geschichte sehr bekannt. Chiara starb 2012 im Alter von 28 Jahren an Krebs. Sie hatte sich geweigert, eine Therapie machen zu lassen, um das Kind, mit dem sie schwanger war, nicht zu gefährden. Zwei weitere ihrer Kinder waren nur wenige Stunden nach der Geburt gestorben. Trotzdem vermittelt sich eine ungewöhnliche Freude, wenn man die Berichte der Menschen auf dem Podium über Chiara hört. Und mehr noch in ihrem Gesicht. Es erscheint in einem Video, welches zwei Monate vor ihrem Tod in Medjugorje aufgenommen wurde. Angelo Carfì, der Arzt, der sie betreut hat und ihr zum Freund wurde, berichtet, wie ihn beeindruckt hat, was er bei der Beerdigung des zweiten Kindes erlebte. „Ich dachte: Der Glaube ist doch kein Narkotikum. Die sind nicht verrückt. Sie leiden wirklich. Doch woher kommt dann diese Freude?“

Und Enrico Petrillo, Chiaras Ehemann, erklärt, woher die Kraft kam, die sie mit einem Lächeln auf den Lippen beten ließ um „die Gnade, diese Gnade anzunehmen“, den Willen Gottes akzeptieren zu können. „Der Mittelpunkt ihres Lebens war ein anderer. Chiara war Kind, sie lebte als Tochter des himmlischen Vaters das, was er in ihrer Geschichte wirkte. Sie hatte die Fähigkeit, der Gnade Raum zu geben, sich lieben zu lassen. Auch wir sind berufen, diese Kindschaft zu leben.“ Das ist es, von dem man immer wieder neu ausgehen kann: das Herz, das den sucht, der es geschaffen hat.  

Dann ist das Encounter zu Ende. Für die freiwilligen Helfer wird noch eine Abschlussparty angekündigt. Und an der Tür des Saales wartet noch eine letzte Überraschung auf den Beobachter: Paul Mariani, der Dichter, umarmt gerührt einen der Organisatoren und sagt: „Was auch immer ich tun kann, euch zu helfen, lasst es mich wissen. Dass ich hierhergekommen bin, hat mein Leben verändert.“